Tesla-Chef Elon Musk will die firmeneigenen „Supercharger" freigeben. Damit könnten bald alle Elektroautos an deren Schnellladesäulen laden.
Tesla-Chef Elon Musk hat in einem Twitter-Beitrag mitgeteilt, die sogenannten Supercharger auch für Elektroautos anderer Marken zu öffnen. Unter Superchargern versteht man Schnellladestationen, an denen Teslas mit Gleichstrom (bis zu 250 Kilowatt) ihre Batterien in wenigen Minuten „auftanken" können. 90 solcher Supercharger mit insgesamt 1.000 Ladepunkten gibt es aktuell in Deutschland, vor allem in der Nähe der Autobahnen.
Was macht die Ankündigung so besonders?
Normalerweise dürfen an Superchargern nur Teslas laden. Steckt man ein anderes Elektroauto an, passiert nichts. Das verschafft Tesla-Kunden nicht nur einen Hauch von Exklusivität, sondern auch einen Standortvorteil: Wenn an verkehrsreichen Tagen die anderen Ladesäulen belegt sind, bleibt für Teslas meist trotzdem genug Platz.
Warum gibt Elon Musk die Ladesäulen frei?
In seinem jüngsten Twitter-Beitrag sagt er dazu nichts. Vermutlich handelt es sich um eine wirtschaftliche Kalkulation: Schnellladestationen zu installieren ist teuer. Je besser sie ausgelastet sind, desto mehr Geld lässt sich mit dem Stromverkauf verdienen. Auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte im Juni in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung" gefordert, Tesla solle sein Netz öffnen. Ob das bei einem Weltkonzern Eindruck gemacht hat, darf jedoch bezweifelt werden.
E-Fahrer haben ganz klar größere Auswahl
Wann und wo geht es los?
„Später dieses Jahr. (…) Nach und nach in allen Ländern." So verkündete es Musk auf Twitter. In Europa dürfte am ehesten Norwegen infrage kommen: Das Land wird wegen seiner hohen E-Auto-Dichte von Herstellern gern als Testgebiet genutzt. Berichten zufolge hat die norwegische Gemeinde Vestland zudem Tesla unter Druck gesetzt: Demnach sollten Fördergelder für neue Supercharger nur dann fließen, wenn diese für alle zugänglich sind. Geliebäugelt hatte Musk mit einer Öffnung daher schon lange. Derart konkret war er bislang aber nicht geworden.
Welche Vor- und Nachteile hat die Öffnung?
Für E-Auto-Fahrer ist die Sache klar: Sie haben eine größere Auswahl. Allein in Deutschland kämen zusätzlich zu den rund 6.000 öffentlichen Schnellladepunkten 1.000 weitere hinzu – eine starke Erhöhung der Kapazität. Tesla-Fahrer:innen dürften sich hingegen ärgern: Ihre Exklusivität ist dahin. Und der nächstgelegene Supercharger womöglich sogar von einem Nicht-Tesla belegt.
Harmonieren Tesla-Ladesäulen mit markenfremden Autos?
Offenbar schon. Der CCS-Stecker ist in Europa standardisiert und passt sowohl in Teslas als auch in fast alle anderen Elektroautos mit Schnellladefunktion. Dass das Laden funktioniert, zeigte sich im September 2019: Damals konnten bereits zahlreiche Fremdmarken an deutschen Superchargern laden – offiziell aufgrund eines Softwarefehlers. Womöglich war es aber auch ein Testlauf für die geplante Öffnung.
Gibt es technische Hürden?
Neben dem sich abzeichnenden Frust innerhalb der Tesla-Community gibt es auch eine handfeste technische Hürde: Die Kabel an den Superchargern sind extrem kurz. Sie sind darauf ausgelegt, dass Teslas ihren Anschluss auf der Fahrerseite hinten haben. Bei Elektroautos mit Front-Anschluss ist das kein Problem; sie können die Supercharger von vorne ansteuern. Für manch andere Modelle könnte es aber schwieriger werden. Auf lange Sicht wird Tesla daher die Kabel austauschen müssen: unbequem, aber keineswegs unlösbar.
Was kostet der Strom am Supercharger?
Aktuell zahlen Tesla-Kund:innen 0,39 Euro pro Kilowattstunde. Das liegt immer noch unter den Tarifen der anderen Ladenetzbetreiber. So verlangt der Großanbieter EnBW inzwischen 0,55 Euro pro Kilowattstunde am Schnelllader. Das Ionity-Konsortium, das ebenfalls ein Schnelllade-Netz an europäischen Autobahnen betreibt, verlangt sogar 0,79 Euro. Wie und ob sich die Preise am Supercharger für Tesla- und externe Fahrer:innen nun ändern, ist noch nicht bekannt.
Wie bezahlt man?
Für Tesla-Besitzer ist die Nutzung der Supercharger denkbar einfach: Sie stecken ihr Fahrzeug an, und es beginnt zu laden – die Bankverbindung ist digital hinterlegt. Alle anderen sind es gewohnt, sich mittels Ladekarte oder App bei einer Station anzumelden. Hier wird Tesla seine Geräte entweder mit einem Lesegerät nachrüsten oder eine App-Lösung anbieten müssen. Auch dies ist technisch durchaus möglich.
Wie glaubwürdig ist Elon Musks Ankündigung?
Dass Musk die Supercharger freigeben will, ist nachvollziehbar und daher auch glaubwürdig. Beim Zeitpunkt ist hingegen Vorsicht angesagt: Auch die neue Tesla-Fabrik in Brandenburg sollte schließlich längst in Betrieb sein.