Der Schienenverkehr bleibt nach wie vor eine Baustelle. Ein weiterer Rückschritt für das Grenzland Saarland: Die geplante Bahnstrecke zwischen Paris und Berlin könnte über Straßburg, nicht über Saarbrücken führen. Andernorts wird an einer schnelleren Kupplung gearbeitet.
Arbeit wie vor 100 Jahren: Güterzüge werden in Europa wie vor 100 Jahren noch per Hand aneinandergekuppelt. Das kostet Zeit. Eine automatische Kupplung soll den Schienen-Frachtverkehr nun schneller machen. Dafür haben die Deutsche Bahn (DB) und die französische Staatsbahn SNCF gemeinsam im europäischen Güterverkehr geworben – eine milliardenschwere Investition. Eine automatische Kupplung für Güterzüge soll es ermöglichen, den Güterverkehr auf der Schiene schneller und günstiger zu machen und die Klimaziele im Verkehrssektor einzuhalten. Die französische Europaparlamentarierin Fabienne Keller berichtete auf Twitter über die Präsentation der Bahnen auf dem Straßburger Hauptbahnhof.
Nur in Europa werden Güterwaggons noch per Hand aneinandergekuppelt. Dafür muss ein 20 Kilogramm schwerer Stahlbügel über den Haken des nächsten Waggons gewuchtet und gespannt werden. Stunden können so vergehen, bis ein ganzer Zug mit zig Waggons zur Abfahrt bereit ist. Ein DB-Testzug mit der sogenannten Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) habe in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit Jahresbeginn schon über 6000 Kilometer zurückgelegt. Es seien weitere Fahrten geplant, auch in Frankreich, hieß es seitens der Deutschen Bahn.
Nötig sei eine europäische Lösung, denn Güterzüge seien oft grenzüberschreitend unterwegs. Es müssten deshalb knapp eine halbe Million Güterwagen in Europa umgerüstet werden. Bis Ende des Jahrzehnts seien dafür Investitionen in der Größenordnung von sechs bis acht Milliarden Euro nötig. Voraussetzung ist nach Angaben der Deutschen Bahn, dass die EU die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen schafft. Unternehmen könnten die Kosten nicht alleine stemmen, lautet die Argumentation.
Der gesamteuropäische Güterverkehr könnte also in Zukunft schneller laufen dank moderner Technik. Für eine Modernisierung des vor allem in Deutschland seiner Zeit hinterherhinkenden Bahnsystems aber braucht es mehr als eine Automatik-Kupplung: eine stärkere Digitalisierung und vor allem mehr Gleise. Das Saarland als Grenz-Bundesland zu Frankreich und Luxemburg fühlen sich beispielsweise abgehängt, weil die Bahn vor Jahren immer mehr Verbindungen einstellte. Das geflügelte Wort, der Hauptbahnhof des Saarlandes stehe heute in Mannheim, kommt nicht von ungefähr: In Richtung Norden und Osten müssen Reisende aus dem südwestlichen Bundesland über Koblenz, Trier oder Mannheim fahren und dort jeweils umsteigen. Schneller geht es in Richtung Frankfurt oder Paris, dort gibt es immerhin eine Bahn- und SNCF-Verbindung.
Nadelöhr bleibt der Nordast
Nun soll eine direkte Bahnverbindung zwischen Berlin und Paris auf die Schiene. Die soll aber über Straßburg statt Saarbrücken führen. Nach den Worten der saarländischen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, Ex-Verkehrsministerin des Bundeslandes, hat die Bahn aber noch nicht endgültig entschieden, ob die Strecke ausschließlich über Straßburg führen wird. Dies bestätigt auch eine Bahnsprecherin gegenüber FORUM.
Verkehrsstaatssekretär Oliver Luksic (FDP) spricht in einem Interview im Saarländischen Rundfunk von einem „Memorandum of Understanding", das bereits zwischen Bahn und SNCF zur Strecke über Straßburg unterzeichnet wurde. Die Bahn und SNCF tendieren demnach zur südlichen Strecke über Straßburg, weil sie schneller sei. Der sogenannte Nordast über Saarbrücken Richtung Osten dagegen führt durch den topografisch anspruchsvollen Pfälzerwald, hier sind derzeit Höchstgeschwindigkeiten von 160 Stundenkilometern das Maximum. Nötig wären aber mindestens 200. Diese Geschwindigkeiten sollen nun durch eine Digitalisierung der Strecke und eine somit erhöhte Sicherheit erreicht werden.
Dafür gibt es Gewissheit an anderer Stelle: „Wir haben die definitive Zusage für mindestens vier tägliche Verbindungen von Saarbrücken nach Paris mit dem TGV bis 2025", so die Ministerpräsidentin gegenüber FORUM. „Außerdem gibt es eine deutliche Takterhöhung der täglichen Zugverbindungen nach Metz und Straßburg. Saarbrücken wird damit zu einem zentralen Umsteigepunkt in der Großregion. Alle Verkehre werden Direktverbindungen sein, in komplett neuen Zügen. Dafür wurde ein dreistelliger Millionenbetrag in die Hand genommen."
Für Klaus Vornhusen, DB-Konzernbevollmächtigter für Rheinland-Pfalz und das Saarland, spielt das Saarland „für die deutsch-französische Kooperation im Hochgeschwindigkeitsverkehr eine bedeutende Rolle": Dementsprechend investiere die Bahn aktuell und in den kommenden Jahren massiv in die Modernisierung und den Ausbau der Schieneninfrastruktur. Rund 650 Millionen Euro stehen 2022 für Netz und Bahnhöfe im Saarland und in Rheinland-Pfalz zur Verfügung.
Grenzüberschreitend, das bedeutet jedoch auch, dass die Verbindungen in das benachbarte Luxemburg ausgebaut werden müssen. Dies funktioniert derzeit mangels direkter Gleisverbindung, wenn überhaupt, nur über Frankreich. Rehlinger: „Was die grenzüberschreitende Zugverbindung Niedaltdorf Richtung Bouzonville und weiter nach Luxemburg angeht, sind wir im Saarland allzeit bereit. Sie finden auch in Frankreich bei den Politikern aus der Region durchweg Fürsprecher für so ein Projekt, aber es müssen dort auch die entsprechenden Geldgeber überzeugt werden, zumal die Strecke in Frankreich verläuft, und daran hängt es im Moment." Bis diese Strecke so weit ist, dürften noch Jahre ins Land gehen.