Das Wirtschaftsministerium in Baden-Württemberg unterstützt Geschäftsinhaber, die sich zur Ruhe setzen wollen. Als Ansprechpartner dienen dabei Nachfolge-Moderatoren wie Angela Winkler. Sie sprechen auch unangenehme Fragen an.
Frau Winkler, Sie sind Nachfolge-Moderatorin bei der Handwerkskammer Karlsruhe. Was genau ist Ihre Aufgabe?
Das Land Baden-Württemberg hat mithilfe des Europäischen Sozialfonds ein Programm aufgelegt. Es soll Unternehmen für die Nachfolge-Frage sensibilisieren und sie während des Übergabe-Prozesses begleiten. Neben Informationsveranstaltungen gehe ich auch in die Einzelberatung. Dann kann niemand mehr das Thema verdrängen mit der Ausrede: „Der Weg nach Karlsruhe war einfach zu weit."
Wie akut betrifft das Thema die Wirtschaft?
Der Altersdurchschnitt steigt überall. Gerade die Gründergeneration steuert allmählich auf die Rente zu. Das sind diejenigen, die in den Jahren des Wirtschaftswunders zwischen 1955 und 1965 ihren Betrieb gegründet haben. Auf Baden-Württemberg bezogen heißt das, dass in den nächsten fünf bis acht Jahren die Hälfte aller Betriebe einen neuen Inhaber sucht. Von den Handwerksbetrieben, die wir haben, sind bei etwa 6.840 die Inhaber heute schon über 50 Jahre alt.
Welchen Fahrplan empfehlen Sie Unternehmern, die ihren Rückzug planen?
Mit 50 Jahren sollte man anfangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Da sagen mir manche natürlich: „Was soll das, ich arbeite doch noch mindestens zehn Jahre!" Aber so ein Prozess dauert länger als viele denken. Sie müssen ihr Unternehmen analysieren, sich mit steuerlichen Fragen beschäftigen und mit ihrem Standort. In vielen Innenstädten genießen Handwerksbetriebe nur dann Bestandsschutz, wenn sie innerhalb der Familie übergeben werden. Und dann ist da natürlich die wichtigste Frage von allen: Wer ist der richtige Nachfolger?
Und vor allem: Wo findet man ihn?
Unter anderem im Netz. Wir haben eine eigene Betriebsbörse und sind zugleich Regionalpartner bei nexxt-change.org. Dieses Internetportal führt Betriebe und Interessenten zusammen. An erster Stelle steht dabei, dass es menschlich stimmt. Die Übergebenden müssen mit ihrem Nachfolger auskommen, ihm guten Gewissens ihr Lebenswerk überlassen. Wenn kein Vertrauen da ist, ist das Loslassen schwer, wenn nicht unmöglich. Auch die Finanzen sind natürlich wichtig, aber wenn beide Seiten miteinander gut können und die Zeit nicht drückt, lassen sich Lösungen finden.
Beratung, Kandidatensuche, Rückstellungen: All das kostet Zeit und Geld. Wie stark belastet das eine Firma?
Unsere Beratung ist kostenfrei, weil wir vom europäischen ESF-Fonds finanziert werden. Herausforderungen können eher in anderen Bereichen lauern. Hat sich ein Traditionsbetrieb auf die Digitalisierung vorbereitet? Wie gut ist die Buchführung? Welche Altersstruktur herrscht in der Belegschaft? Sind Maschinen und Produkte noch zukunftsfähig? Lässt der Kaufpreis dem Übernehmenden Luft für eine strategische Neuausrichtung? Wir helfen dabei und durchleuchten gemeinsam die Unterlagen.
Aber wird diese Chance auch genutzt?
Das ist ganz unterschiedlich. Manche Inhaber schieben das Thema jahrelang vor sich her. Andere wollen die Dinge am liebsten sofort regeln. Besonders interessant für eine Übernahme sind Betriebe, die kapital- und ausbildungsintensiv sind, also etwa Elektro- oder Metallbau-Unternehmen. Auch ein Hörgeräte-Akustiker wird in der Regel daran interessiert sein, einen Nachfolger einzuarbeiten – das ganze Insiderwissen, was er hat, würde schwer in eine Übergabe-Tabelle passen. Für andere wiederum mag die Geschäftsaufgabe die bessere Variante sein.
Den Betrieb aufzugeben ist also auch eine Option? Ist das kein Tabu?
Es ist eine der Möglichkeiten. Wir wägen immer ab, welche am besten passt. Wenn ein Betrieb nur wenige Maschinen besitzt, die auch noch in einem veralteten Zustand sind und kein Personal vorhanden ist, dann ist er für potenzielle Nachfolger eher uninteressant. Ein Bautenschutz-Techniker, der seine gesamte Ausrüstung auf kleinstem Raum lagert, sich zu hohen Gewährleistungen absichern muss und nur für sich alleine arbeitet, dürfte eher an eine Betriebsaufgabe denken als ein Handwerksbetrieb mit zehn Gesellen. Auch das müssen wir offen diskutieren.