An den Schuhen mit dem niedlichen Namen führt diesen Sommer in der Damenschuhmode kein Weg vorbei: Kitten Heels. Daher heißt es: Willkommen zurück!
Als Kitten Heels, die Schuhe mit den niedrigen, zwischen dreieinhalb und fünf Zentimeter hohen Abätzen, im Sommer 2014 erstmals wieder still und heimlich in den Kollektionen einiger Designer wie Saint Laurent oder Valentino aufgetaucht waren, hatte davon kaum jemand groß Notiz genommen. Ein Jahr später verkündete die "Bunte" etwas vorschnell das Comeback "der wohl bequemsten Absatzschuhe der Modegeschichte", weil Chanel bezaubernde, beigefarbene Kitten Heels im Retro-Design mit schwarz abgesetzter Kappe im Programm hatte. Und weil Karl Lagerfeld bei diesem Modell auf den für diese Schuhe klassischen Pfennigabsatz verzichtet hatte, teilte die "Bunte" ihren Leserinnen mit, dass sie einfach nach Kitten Heels mit Blockabsätzen Ausschau halten sollten: "Breitere Absätze sind lässiger, bequemer, schöner anzusehen." Über Letzteres lässt sich sicherlich streiten, allerdings gibt es in diesem Sommer durchaus eine ganze Reihe von "Petits Stilettos", wie die Kitten Heels auch schon mal genannt werden, die im Schönheitswettbewerb mit den himmelstürmenden Hackenschuhen die Nase vorn haben.
"Der wohl bequemste Absatzschuh"
Denn in der aktuellen Saison kann nun erstmals völlig zu Recht von einem wahrhaftigen Revival der Kitten Heels gesprochen werden. Designer Demna Gvasalia mischt mit seiner Marke Vetements bei dieser Damenschuh-Variante mit. Allerdings hatte er sich dafür die Mitarbeit des legendären Schuhmachers Manolo Blahnik gesichert. Kein Wunder daher, dass die dunklen, die Knöchel mit einem feinen Riemchen umschließenden Kitten-Heels-Slingbacks einer der Eyecatcher der Vetements-Show waren. Da wollte sich Maria Grazia Chiuri für Dior in Sachen Kitten-Heels-Slingbacks nicht lumpen lassen und zeigte ein Modell mit unübersehbarem Logo-Band. Und als in Paris auch noch die Trendfee in Sachen Damenschuhmode schlechthin, Phoebe Philo für Céline, buttergelbe Mules mit Kitten Heels vorgestellt hatte, war endgültig klar, dass an diesen Schuhen im Sommer 2017 kein Weg vorbeiführen wird.
"Nicht richtig hoch, aber auch nicht ganz flach: Kitten Heels sind die perfekten Schuhe für Unentschlossene und extrem ladylike", so jüngst das Magazin "Glamour". Und weiter: "Ob als Mule, Pump, Slingback oder Sandalette während der Fashion Weeks in New York, London, Mailand und Paris zeigten diverse Designer ihre Interpretationen des eleganten Schuhs, den schon Stilikonen wie Audrey Hepburn, Doris Day und Jacky Kennedy geliebt haben." Hinzu kommt, dass die Kitten Heels plötzlich ihr Old-fashion-Image abgelegt haben und nicht mehr (nur) als bevorzugtes Schuhmodell der Damen jenseits der 60 gelten, die sich von High Heels aus Gründen der Schicklichkeit und auch aus praktisch-bequemlichen Gründen verabschiedet hatten.
Erstmals waren Kitten Heels in den späten 50er-Jahren aufgetaucht. Damals waren sie noch vornehmlich für junge Mädchen gedacht (kitten = junges Kätzchen), für die es sich nach damaliger gesellschaftlicher Übereinkunft nicht geziemt hatte, hohe Absätze mit womöglich erotischen Anspielungen zu tragen. Auch galten sie gewissermaßen als "Training-Heels", damit sich die weiblichen Teenager schon mal mittels der niedrigen Variante behutsam an das Laufen auf hohen Schuhen gewöhnen konnten. Dank Audrey Hepburn wurden die Kitten Heels in den 60er-Jahren auch bei erwachsenen Frauen sehr populär. Später sollten sie auch fester Bestandteil der 80er-Mode werden. Doch ein echtes Kitten-Heels-Fieber brach erst im folgenden Jahrzehnt aus. Als sie von vielen renommierten Designern geschätzt wurden, von Helmut Lang über Miuccia Prada (Kult-Mules), Gucci (goldene Slingbacks), Roger Vivier, Hermès oder Manolo Blahnik. Auch Anfang der Nullerjahre waren die Kitten Heels noch angesagt, danach verschwanden sie für eine Dekade in der Versenkung. "Heute werden sie", so Tillmann Prüfer in seiner "Zeit"-Stil-Kolumne, "von Frauen getragen, die die Femininität eines schmalen Absatzes mit einem sicheren Auftritt verbinden wollen: Der Kitten Heel gilt als Schuh, mit dem man stöckeln kann, ohne Gefahr zu laufen, von den Absätzen herunterzufallen. Eine Frau kann heute auf die Anmutung des Zerbrechlichen gut verzichten. Anna Wintour und Michelle Obama sind Kitten-Heels-Trägerinnen. Wirklich keine Frauen, die im Verdacht stehen, Kätzchen zu sein ... Der Kitten Heel verteilt das Körpergewicht gnädiger auf dem Fuß, sodass ein in solchen Schuhen durchlaufener Tag nicht zur Folter werden muss." Auch Carla Bruni, Kate Middleton oder Theresa May sind bekennende Kitten-Heels-Fans.
Jetzt als Mules und mit "V-Ausschnitt"
Wenn frau der Trendprognose des Magazins "Elle" glauben möchte, dann werden vor allem die Mules mit Kitten Heels diesen Sommer besonders angesagt sein. Denn neben dem schon genannten Prachtexemplar von Céline gibt es tolle Modelle beispielsweise von dem neuen Kult-Label Attico, das von den Instagram-Stars Giorgia Tordini und Gilda Ambrosio gegründet wurde, oder auch von Labeln wie The Row, No. 21 oder Uterque. Auch Zara hat Kitten-Heels-Mules im Sortiment, beispielsweise ein Samtmodell zu rund 60 Euro. Aber natürlich gibt es auch klassische Slingbacks, zum Beispiel von Prada, Topshop, Gucci, Acne Studios oder Gianvito Rossi, spitzzulaufende Pumps von Céline oder Christian Louboutin, Wildleder-Pumps von Mansur Gavriel, zweifarbige Schuhe von Chanel, Sandaletten von Miu Miu, Ankle Boots von Loewe oder Kitten Heels mit Blockabsatz, beispielsweise von Dries Van Noten.
Wer mutig ist, kombiniert die Kitten Heels, die trotz des nur kleinen Absatzes das Bein optisch strecken und eine schlanke Silhouette zaubern können, im Retro-Style mit schwingenden Tellerröcken, zur schmalen Capri-Hose, zum Bleistiftrock oder zu klassischen Kostümen oder Hosenanzügen. Aber Achtung: Gefahr, mit einer Sekretärin aus den 50er-Jahren verwechselt zu werden. Viel zeitgemäßer und moderner ist die Kombi mit Jeans und Lederjacke, bei diesem Retro-Touch trifft Eleganz auf RocknRoll. Wer dagegen ganz auf die Vergangenheit pfeifen möchte, der wählt die kleinen Stilettos einfach zur sportiven Trainingshose oder zu einem Sweatshirt im Boyfriend-Style.
Peter Lempert