Sieben Werke der Serie „Wolke in Form eines Schwertes/Cloud in the Form of a Sword", erschaffen von Katharina Grosse, sind in der Modernen Galerie des Saarlandmuseums zu sehen. Museumsleiterin Dr. Andrea Jahn erläutert die Intention der Künstlerin.
Frau Dr. Jahn, Katharina Grosse ist eine arrivierte Künstlerin, weltweit ausstellend, vielfach ausgezeichnet und hohe Preise auf dem Kunstmarkt erzielend. Eines der Werke geht künftig in den Besitz der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz über. Wie wurde das möglich?
Das ist wirklich eine fantastische Geschichte, die ein bisschen mit meinem neuen Konzept zusammenhängt. Ich habe mir auf die Fahne geschrieben, Künstlerinnen verstärkt zu berücksichtigen. Dass Künstlerinnen nur zu zehn Prozent in unserem Sammlungsbestand vertreten sind, ist niederschmetternd und alles andere als zeitgemäß, deshalb möchte ich verstärkt Werke von Künstlerinnen ankaufen. Meinen Vortrag beim Frauen-Netzwerk-Club Zonta zum Thema, weshalb Künstlerinnen von der Kunstgeschichte lange ausgeblendet worden sind, hörte Dr. Brigitte Erbslöh-Möller. Das hat sie offenbar beeindruckt und bewogen, uns eines der Werke aus der Ausstellung von Katharina Grosse zu schenken. Dass die Mäzenin für die Öffentlichkeit so viel Geld aufbringt ist wirklich großartig. Das ist ein ganz großer Schritt für die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, weil wir uns so ohne weiteres kein Werk im sechsstelligen Bereich leisten können.
Katharina Grosse lebt und arbeitet in Berlin und Neuseeland, das als „Land der langen weißen Wolke" bezeichnet wird. Ist der Titel der Werkgruppe „Wolke in Form eines Schwertes/Cloud in the Form of a Sword" daran angelehnt?
Nein. Der Titel hängt mit dem Philosophen Antonio Negri zusammen, der mit dieser Formulierung etwas zur Wahrnehmung ausdrücken wollte. Wir kennen das Phänomen, dass wir alles Mögliche in den Wolken sehen – das steckt dahinter. Katharina Grosse geht es um Wahrnehmung und darum, Möglichkeitsräume zu schaffen. Mit Objekten, Treibholz oder Zweigen, greift sie auch Referenzen der Natur- und Landschaftsmalerei auf. Es geht Katharina Grosse um Transformation, darum, dass sich Dinge verwandeln können. Ein Alltagsgegenstand wird aus seinem funktionalen Zusammenhang herausgeholt und durch die Malerei in etwas Anderes übertragen.
Die gegenstandslose Farbfeldmalerei, die ab den 1960ern in Amerika entstand, wirkt mit Farben und Formen in den Raum hinein. Graffiti- und Urban-Art-Künstler bedienen sich der Sprühfarbe. Setzt die Künstlerin Grosse diese Traditionen fort?
Mehr noch spielt bei ihr die Land-Art eine Rolle. Land-Art als Raum, der unbegrenzt ist. Diesen unbegrenzten Raum sucht sie in ihrer Malerei. Das Bild beschränkt sich bei ihr nicht auf eine Wand, Leinwand oder einen Ort – sie findet das Bild überall.
Grosses Ausstellung „It wasn’t us" im Hamburger Bahnhof in Berlin 2020/21 war eine ortsbezogene Malerei, die sich über den Boden, in den Raum und ins Außengelände ausdehnte. Wäre solch eine großdimensionierte Arbeit auch im Erweiterungsbau realisierbar gewesen wie die Installation „Spacemanship" von Pae White 2018?
Grundsätzlich ja, aber so eine installative Arbeit bedarf einer Vorbereitungszeit von zwei bis drei Jahren. Wir haben das vor (lacht), dafür hat Katharina Grosse schon ihr Interesse gezeigt. Sie kennt die Moderne Galerie von früher, aber die neue Situation im Erweiterungsbau und im Skulpturengarten wäre für sie sicherlich ideal, um eine neue Arbeit zu konzipieren.
Wie lässt sich für Sie die Faszination dieser Werkgruppe in Worte fassen?
Diese Serie ist für mich tatsächlich ganz besonders, weil Katharina Grosse es schafft, konzentriert und auf relativ kleinen Flächen intensive Räume entstehen zu lassen, in die Gegenstände eingewoben sind, die unseren Blick in Unruhe versetzen. Wir sind gezwungen, unseren Blick permanent streifen zu lassen, aktiv zu sein, um das Bild überhaupt erfassen zu können. Ich habe selten auf der Leinwand etwas erlebt, das sich so dicht und so tief darstellt wie diese Malerei. Katharina Grosses Kunst löst wirklich eine ganz besondere Faszination aus.