In Neunkirchen ist die Ausstellung „Werner Schorr: Struktur und Raum. Malerei 1986 bis 2023“ zu sehen. Mehr als 70 Werke werden gezeigt. Im Gespräch gibt der Künstler Werner Schorr Einblick in sein Schaffen.
Herr Schorr, die Präsentation Ihrer großen Werkschau erscheint mir sehr geglückt. Die großzügige Flächenaufteilung und die kluge Hängung lässt Ihre Kunst atmen. Welchen Eindruck hatten Sie beim ersten Rundgang?
Sie verlangen im Grunde von mir, dass ich mich selbst kommentiere. Da muss ich an einen Satz von Peter Sloterdijk, einen Philosophen, den ich sehr schätze, denken, der sagt: Ein Künstler, der sich selbst kommentiert, begibt sich unter sein Niveau (lacht).
Nein (lacht mit), ich habe Sie nicht nach einer Beurteilung Ihrer Werke gefragt, sondern nach deren Präsentation in der Städtischen Galerie Neunkirchen.
Ja, genau. Das stimmt, das haben die Leiterin der Städtischen Galerie Neunkirchen Nicole Nix-Hauck und ihre Kollegin Dr. Liane Wilhelmus sehr gut und spannungsreich gemacht, nicht chronologisch, aber so, dass die Werke miteinander kommunizieren, was mir sehr gut gefällt.
Farbverläufe und geometrische Figuren erscheinen nicht so aufregend, aber, wer sich als Betrachter darauf einlässt, kann mittels Kunst Entdeckungen machen. Ist es das, was Sie als Künstler suchen, und dem Betrachter schenken möchten: Konzentration, Innehalten, Entschleunigung?
Entschleunigung ist ein wichtiges Stichwort. Ich war kürzlich noch mal in der Ausstellung und habe beobachtet, wie sich die Besucher bewegen und gesehen, wie entschleunigt sie ihre Zeit vor den Bildern verbringen. Diese Beobachtung war für mich selbst sehr interessant.
In der Betrachtung einiger Ihrer Werke fiel mir Mark Rothko ein, der als Wegbereiter der Farbfeldmalerei gilt. Ist das ein Künstler, der Ihnen zusagt?
Ja, mit Sicherheit. Wobei meine Farbfeldmalerei unterschiedlich, weil ganz scharf be- oder abgegrenzt, ist. Das kommt bei Rothko so nicht vor. Bei mir entsteht oft ein räumliches Gefühl durch diese scharf abgegrenzten Farbflächen, die auch von der Helligkeit und Struktur völlig unterschiedlich sind. Durch diese gegensätzliche Darstellung an der Farbgrenze entsteht ein Spannungsfeld. Dieses Spannungsfeld ist für mich interessant und wichtig.
Meine nächste Frage haben Sie eigentlich gerade beantwortet. „Kontraste reizen mich immer“, haben Sie gesagt und damit die Gegensätze angesprochen.
Ja, die Gegensätze, wie beispielsweise nah, fern, hell, dunkel, Farbe, Nicht-Farbe, diese Gegensätze setze ich scharf abgegrenzt in Beziehung, und daraus entsteht eine Spannung.
Sie zeigen Brand- und Aschebilder. Ist der Vorgang von Zerstörung und Neuschöpfung mittels Feuer, eine Metamorphose, die Sie bewusst in Werke einschreiben möchten?
Die Bilder der Achtzigerjahre – in einer Zeit der Suche und der Krise – haben viel mit meiner persönlichen Befindlichkeit zu tun. Diese Achtzigerjahre haben sich praktisch in einer Phase der Zerstörung entladen – dieser Zerstörungsprozess war für mich wichtig. Ich habe gemerkt, dass der Zerstörungsprozess mittels Feuer etwas Befreiendes hat. Die Bilder, die aus der Zerstörung entstanden sind, hatten in der Folge sogar optimistische Aspekte. Das war für mich wichtig. Die Werke ab Zweitausend haben mit meiner Befindlichkeit gar nichts mehr zu tun. Ich versuche mehr oder weniger an Grundsätzliches heranzukommen.
Welche Idee steht hinter den sogenannten Lamellen-Bildern?
Das sind Ordnungsprinzipien. Vorbild waren für mich Horizontlinien. Horizontlinien sind für mich spannend: Dort, wo Masse und Nicht-Masse aufeinandertreffen. Diese Lamellen-Bilder sind nichts anderes als geschichtete Horizontlinien. Das war der ursprüngliche Gedanke, aber ich möchte nicht unbedingt, dass man da Dinge hineininterpretiert. Es soll offen sein. Es ist zwar erlaubt, da etwas hineinzuinterpretieren, aber ich möchte da nicht auf eine Spur hinweisen.
Ich probiere es trotzdem. Bei Lamellen denkt man an Fenster …
Ja, Ausblicke in die Weite könnte man sich da schon vorstellen.
Sie sind Jahrzehnte der Abstraktion treu geblieben, Werke aus den Achtzigerjahren zeigen Anflüge figürlicher Art. Bleiben Sie bei der Abstraktion, oder werden wir noch ganz andere Bildwelten von Werner Schorr erleben?
Seit ich mich sozusagen abgearbeitet habe, weiß wer, und was ich bin, und wohin ich will, denke ich, dass die Abstraktion auch meine Zukunft sein wird, weil ich mich in meiner Kunst nicht mehr mit mir selbst beschäftigen möchte. Eigentlich weiß man nie, wie man sich entwickelt, aber mein Gefühl sagt mir, dass die Abstraktion meine Zukunft sein wird. Ein Kunsthistoriker hat meine Arbeiten bei der Konkreten Kunst eingeordnet. Das würde ich so nicht sehen. Ich lasse Deutungen schon zu. Wenn man von Horizontlinien spricht, handelt es sich schon nicht mehr um Konkrete Kunst. Ich würde sagen: Abstrakt ja, konkret nicht, wobei ich das nicht ausschließen möchte.