Die meisten Moore hierzulande sind trockengelegt – das soll sich mit der Wiedervernässung der Flächen ändern. Das Bundesumweltministerium will das mit etwa zwei Milliarden in den kommenden vier Jahren fördern. Dafür müssen Verbände, Landwirte und Grundeigentümer an einem Strang ziehen.
Zu Mooren kommt einem nichts sonderlich Schönes in den Sinn. Ganz entgegen ihrer positiven Wirkung auf das Klima. Dieses Jahr sind Deutschlands Moore so wie lange nicht in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt – zu Recht. Denn um ihren Zustand ist es schlecht bestellt. Durch Eingriffe des Menschen wurden 98 Prozent der Flächen entwässert, sprich trockengelegt, und werden durch die Land- und Forstwirtschaft, für Infrastruktur, Torfabbau und andere Zwecke genutzt, wie das Greifswald Moor Centrum auf seiner Webseite schreibt. Betrachtet man demgegenüber die Moorflächen in der EU, lässt sich feststellen, dass nur 50 Prozent in einem kritischen Zustand sind. Die Entwässerung der Moore in großem Stil hat ihren Preis: Jährlich stoßen die ausgetrockneten Gebiete hohe Mengen Treibhausgas aus, setzen Nitrate frei und verschlechtern den Lebensraum für Flora und Fauna. Gestoppt werden kann dieser Prozess allein durch Wiedervernässung. Denn auf lange Sicht haben wiedervernässte und nasse Moore das Potenzial, CO2 zu speichern.
Auf der Konferenz „Moorschutz ist Klimaschutz" Ende März in Berlin warben die Organisatoren Deutscher Verband für Landschaftspflege und das Greifswald Moor Centrum für die Klimavorteile von nassen und wiedervernässten Mooren. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) stellte vor den Teilnehmern aus Wissenschaft, Land- und Wasserwirtschaft, Natur- und Umweltschutzverbänden, Politik und Unternehmen das Eckpunktepapier „Natürlicher Klimaschutz" vor. „Nasse Moore sind natürlicher Klimaschutz und Wiedervernässung in Deutschland dafür eine der effektivsten Maßnahmen. Deswegen spielen sie eine wichtige Rolle im mit vier Milliarden Euro veranschlagten neuen Aktionsprogramm ‚Natürlicher Klimaschutz‘", unterstrich die Ministerin. Allein etwa die Hälfte der Fördersumme soll in Moor-Maßnahmen fließen.
Nasse Moore schützen das Klima
Die meisten Moorflächen verteilen sich auf Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, allerdings befinden sich die zurzeit am besten erhaltenen Standorte in Bayern und Baden-Württemberg. Nur vier Prozent der Moore sind hierzulande bislang wiedervernässt worden. „Moore haben sich in der Landschaft dort gebildet, wo ein Wasserüberschuss besteht", erklärt Dr. Franziska Tanneberger, Leiterin des Greifswald Moor Centrums. So entstehen sie beispielsweise in Flusstälern, an der Küste und an niederschlagsreichen Stellen im Gebirge. Doch im Zuge der Entwässerung der Moore seien auf den betreffenden Flächen für einen schnelleren Wasserabfluss Gräben gezogen und Pumpsysteme gebaut worden. „Für eine Wiedervernässung muss man aufhören, künstlich zu entwässern. Man muss die Gräben zuschütten und das Abpumpen des Wassers einstellen", sagt die Moorforscherin. Doch es hakt immer noch bei der Umsetzung, erläutert Franziska Tanneberger. „Bisher ist die vorherrschende Sichtweise der privaten Grundeigentümer, dass ein höherer Wasserstand mit einem Wertverlust des Bodens einhergeht", sagt die Moorexpertin. Mit allen Bodeneigentümern und Landwirten müsse daher ein gemeinsamer Konsens gefunden werden. „Das ist eine große Herausforderung und kann nur gelingen, wenn Leute vor Ort sind, die nach Lösungen suchen und Überzeugungsarbeit leisten", betont Tanneberger.
Genau hier setzt das Projekt „MoKli – Moor und Klimaschutz mit Landnutzern realisieren" an, getragen vom Deutschen Verband für Landschaftspflege in Zusammenarbeit mit dem Greifswald Moor Centrum. In fünf Pilotregionen in den Bundesländern mit den größten Moorvorkommen betreiben die Projektverantwortlichen Aufklärung zu Moor- und Klimaschutz, beraten zur Umstellung auf Paludikultur – die landwirtschaftliche Nutzung von wiedernässten Mooren –, knüpfen Kooperationen und regen neue Verwertungsketten für Moor-Biomasse an.
Das „MoKli"-Projekt zielt auch darauf, Landwirte dazu anzuregen, sich als Moor-Klimawirte zu engagieren. Sie sollen Moorböden bewirtschaften und damit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Der Deutsche Bauernverband (DBV) weist auf Anfrage darauf hin, dass es sich nicht um ein Berufsbild, sondern um ein Leitbild handelt. Folglich sei auch keine Aus- und Weiterbildung zum Moor-Klimawirt geplant. Das Leitbild setze voraus, dass gemeinsam mit Landwirten „auf freiwilliger Basis tragfähige Lösungen für die Vernässung von Moorstandorten entwickelt werden" und Betriebe eine langfristige wirtschaftliche Perspektive erhalten. Unter diesen Bedingungen seien die Betriebe bereit, einen Beitrag zum Klimaschutz auf diesen Standorten zu leisten.
Biomasse aus Schilf und Rohrkolben
„Die Wiedervernässung der Moore bedeutet nicht, dass auf diesen Flächen zwangsläufig die Land- und Forstwirtschaft eingestellt werden muss", stellt die Expertin für Niedermoore klar. Wohl aber müssten dort die Böden unter geänderten Bedingungen bewirtschaftet werden. Auch wenn üblicherweise deutsche Landwirte nicht nasse Böden bewirtschafteten, können auf Moorböden Pflanzen wie Schilf und Rohrkolben und die Baumart Schwarzerle wachsen. „Die Palette der Nutzungsmöglichkeiten dieser Pflanzen reicht von Biomasse bis zu Bau- und Dämmmaterialien", sagt Tanneberger. Nur einige wenige Landnutzer hierzulande erzeugen bisher Biomasse aus Mooren. Dafür werden die Pflanzen direkt entlang der Bodenkante geerntet. Der besondere Umstand dabei: Während oberirdisch die Pflanzen abgetrennt werden, kann sich in tiefer liegenden Schichten ungehindert weiter Torf bilden. Einzige Voraussetzung muss sein: Der Wasserstand bleibt oberflächennah und torfbildende Pflanzen sind vorhanden. Erst wenn torferhaltende Bedingungen gegeben sind, spricht man von Paludikultur.
Vonseiten des Bauernverbandes heißt es, dass eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung mit einem intelligenten, angepassten Wasserstandsmanagement weiter als Perspektive beibehalten werden soll. Die Akzeptanz der Landwirte und Grundeigentümer werde aber nicht zu gewinnen sein, wenn die Betriebe schrittweise mit immer neuen Auflagen aus der Bewirtschaftung beziehungsweise in wirtschaftlich unattraktive Paludikulturen gedrängt werden, argumentiert der Verband. Die Betriebe brauchten vor allem langfristige und tragfähige Perspektiven, die mit fünfjährigen Förderprogrammen für den Anbau von Schilf oder Rohrkolben nicht umsetzbar seien. Nach Vorstellung des Bauernverbands muss es sich vielmehr um ein Generationenprogramm handeln.
Ein großes Potenzial, um die Akzeptanz und eine wirtschaftliche Perspektive für die landwirtschaftlichen Betriebe zu sichern, sieht der DBV zudem in der Errichtung von Agri-Fotovoltaikanlagen auf wiedervernässten Moorböden. Bei diesem Verfahren wird ein Ackerboden gleichzeitig für den Anbau von Nahrungsmitteln und zur Erzeugung grünen Stroms genutzt. Mit Agri-Fotovoltaik auf wiedervernässten Flächen könnten die Emissionen bei der Moornutzung vermieden und zugleich klimaneutrale Energie erzeugt werden. „Hiermit wäre ein doppelter Effekt für den Klimaschutz verbunden und für die landwirtschaftlichen Betriebe und Grundeigentümer könnte eine längerfristige wirtschaftliche Perspektive geschaffen werden", so der Lobbyverband der Landwirtschaft.