Nachhaltige Projekte müssen gefördert werden und junge Menschen brauchen bei ihren Ambitionen Unterstützung. Im „Haus der Nachhaltigkeit“ vom gemeinnützigen Verein „Weltveränderer“ in Saarbrücken passiert beides. Dahinter steckt mehr als gedacht.
Es ist ein unscheinbares Haus in der Leipzigerstraße 72 in Saarbrücken. An Türen und Fenstern kleben selbst gebastelte Schilder mit der Aufschrift „Haus der Nachhaltigkeit“. Sie sind leicht zu übersehen. Einmal entdeckt, öffnen auch schon zwei junge, freundlich aussehende Menschen die Tür. Ida Diercks und Niclas Heckmann sind beide 19 Jahre alt und haben sich entschieden ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) im Haus der Nachhaltigkeit zu machen. Es gehört zu dem Verein „Weltveränderer e.V.“ mit dem Projektkoordinator Harald Kreutzer. Doch schon bald soll ein eigener Verein daraus entstehen.
Harald Kreutzer ist froh über die jungen und motivierten Menschen, die sich häufig nach dem Abitur oder für Schulpraktika beim Haus der Nachhaltigkeit melden. So unscheinbar das Haus von außen auch wirkt, so viel gibt es darin doch zu entdecken – zumindest im übertragenen Sinne.
Die Räumlichkeiten wirken recht provisorisch und sie sind es auch, denn das Haus finanziert sich überwiegend über Spenden und Förderanträge. Ein bisschen erinnert es an einen Antiquitäten-Laden: Alte Tische und Stühle aus dunklem Holz und Lampen wie bei Oma und Opa zu Hause. Im Vorzimmer befindet sich eine „Verschenke-Ecke“. Dort können Menschen Dinge abgeben, die sie nicht mehr brauchen oder sich kostenlos welche mitnehmen. Sinn und Zweck ist es, die Umwelt zu schonen und Menschen, die nicht soviel Geld zur Verfügung haben, ein Angebot zu machen. Alle drei Monate findet ein größerer Verschenke-Markt statt. Nach hinten geht es weiter in einen großen, schmalen Raum. Dort stehen ein altes Ledersofa und ein Sessel mit Kissen auf einer Art Podium. Davor finden sich vier nagelneue große Tische, wie man sie aus der Schule kennt, daneben ein Flipchart. Der Raum kann als Konferenzraum angemietet werden, ebenso der Co-Working-Space im Vorraum. Jetzt bald auch endlich mit W-Lan-Verbindung.
Sich ausprobieren und Erfahrungen sammeln
„Wir hatten auch beispielsweise schon Aktivisten von Fridays for Future hier, welche die Räumlichkeiten genutzt haben. Der überwiegende Teil unseres Mobiliars besteht aus Sachen, die sonst weggeworfen worden wären: Tische, Stühle, Beamer“, erzählt Harald Kreutzer und fährt fort: „Anfragen bekommen wir auch von Leuten, die nicht aus dem Nachhaltigkeitsbereich kommen. Dort müssen wir abwägen, wem wir die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, denn die organisatorische Betreuung kostet natürlich auch immer etwas unserer knappen Zeit. Da sind wir einfach darauf angewiesen, dass die Leute sich auch mit einbringen, wenn sie selbst keine Miete zahlen können.“
Neben dem Verschenke-Markt und der durchgängigen Verschenke-Ecke gibt es im Haus der Nachhaltigkeit eine ehrenamtliche Fahrradwerkstatt, die einmal im Monat stattfindet. An jedem ersten Samstag im Monat organisiert das Haus ein Repair-Café in der „Breite 63“ in Malstatt, wo ehrenamtliche Reparaturexpertinnen und -experten Menschen dabei helfen, kleinere Geräte zu reparieren. Ein größeres Projekt ist die „Küche für alle“. Mit dem Lastenfahrrad wurde sie in die Leipzigerstraße transportiert und dort unter anderem mit viel körperlichem Einsatz von Niclas Heckmann aufgebaut.
![Von links: Projektförderer Harald Kreutzer, Julian Rupp, Ida Diercks und Niclas Heckmann](/sites/default/files/inline-images/05_Umwelt_Nachhaltigkeit_Weltveraenderer_02.jpg)
Die „Küche für alle“ soll ein Ort der Zusammenkunft sein, wo zusammen vegan gekocht wird. Als kleiner Vorgeschmack gab es bereits vier „Vegane-Mitbring-Brunches. „Bei der veganen Küche sollen vor allem Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen ins Gespräch kommen und sich darüber austauschen können, wie man Nachhaltigkeit im Alltag etablieren kann, vor allem auch Menschen, die das noch nicht machen“, erklärt Niclas Heckmann und Ida Diercks ergänzt: „Und in der veganen Küche soll möglichst mit Lebensmitteln gekocht werden, die andernfalls weggeworfen werden würden.“
Harald Kreutzer ist es wichtig, dass die jungen Menschen die Möglichkeiten haben, sich auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. So ist Niclas Heckmann beispielsweise schwerpunktmäßig für Öffentlichkeitsarbeit und Social Media verantwortlich, während Ida Diercks sich im Bereich Bildung besonders gut auskennt. Sie organisierte eine Schul-AG zum Thema Reparieren. „Es bedeutet natürlich auch Entschleunigung, weil die Kinder lernen ein Produkt anzugucken, sich damit auseinanderzusetzen und es nicht direkt wegzuschmeißen. Das ist auch für später gut, weil das Reparieren den Geldbeutel schont und der Teamgeist gestärkt wird“, so die FÖJlerin.
Netzwerke knüpfen und Engagement stärken
Um ein besseres Bewusstsein für Mobilität zu schaffen, wurde 2022 im Rahmen des Projektes „Die eine Welt macht Schule“, ein Schulwegsvergleich von Schulkindern in Tororo, Uganda und Saarbrücken auf die Beine gestellt. Harald Kreutzer ist der Meinung, dass die Menschen im Norden sehr viel von den Menschen im Süden lernen können. „Man sollte nicht nur das Bild haben, dass diese Länder total benachteiligt sind. Sondern eigentlich ist das der Lebensstil, den wir mehr oder weniger haben müssten. Zwar nicht genauso, aber wenn es um Ressourcen und CO2-Verbräuche geht, dann ist das das, woran wir uns orientieren müssen und nicht das, was wir hier leben. Und das versuchen wir eben auch zu diskutieren“, erklärt er.
Im Bereich Digitalisierung wird es ein Projekt mit dem Namen „Zweites Leben Computer“ geben. Nicht mehr funktionsfähige Computer sollen mit einem neuen Linux-Betriebssystem überspielt und anschließend weitergegeben werden. Dazu will das Haus der Nachhaltigkeit die Konferenz für Digitalisierung und Nachhaltigkeit „Bits und Bäume“ nach Saarbrücken holen, die bereits in Berlin und Nordrhein-Westfalen tagte. „Da Saarbrücken so ein großer IT-Standort ist und es das hier in dieser Form noch nicht gibt, wollen wir das organisieren“, erzählt Niclas Heckmann.
Das Haus der Nachhaltigkeit hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen und Initiativen aus dem Bereich Nachhaltigkeit zu vernetzen und so Raum und Veranstaltungsort für nachhaltiges Engagement zu sein. „Zu viele Organisationen denken noch zu stark für sich selbst. Wo sind meine Projektmittel, wo ist meine Zielgruppe, wo bekomme ich mein Thema durch? Aber Nachhaltigkeit muss man möglichst zusammen denken, sonst kommt keiner weiter“, erklärt Harald Kreutzer. Deshalb plant das Team Workshops zur Projektfinanzierung und eine Fundraising-Veranstaltung mit anderen Initiativen, wovon dann alle profitieren können.
„Teilweise ist im Bereich von nachhaltigem Engagement auch Egoismus dabei, weil jeder sich die Pfründe sichern will oder auch muss. Die Organisationen, die von Spenden und öffentlichen Mitteln ihr Engagement finanzieren, gucken, dass sie erst einmal ihre Ansprüche abstecken und das ist auch okay“, erklärt der Weltveränderer und fährt fort: „Das machen wir teilweise auch, weil wir öffentliche Strukturen wie das Haus der Nachhaltigkeit auch irgendwie finanzieren müssen. Aber es bringt eben nichts, wenn man nicht weiterdenkt und nicht versucht, mehr Leute mitzunehmen.“
Zu Gast im Haus der Nachhaltigkeit waren im Sommer und Winter 2022 schon Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) und die Europaabgeordnete Manuela Ripa (ÖDP), die in den Räumlichkeiten eine Diskussionsrunde mit anschließender Weihnachtsfeier abhielt. „Genau so was stellen wir uns vor“, freut sich Harald Kreutzer. Anke Rehlinger wurden Nachhaltigkeitsforderungen von Bürgerinnen und Bürgern des Saarlandes übergeben. Ein Projekt, das eine FÖJlerin federführend organisiert hatte. Aktuell arbeitet das Team daran, die Unterstützung von Juristinnen und Juristen für ein Nachhaltigkeitsgebot für die saarländische Verfassung zu gewinnen. „Wir werden natürlich auch gerne zum Klimaschutzgesetz unseren Senf abgeben“, versichert Harald Kreutzer.
Im Haus der Nachhaltigkeit spielt sich also so einiges ab, was auf Anhieb nicht ersichtlich, aber dafür umso wichtiger ist: Engagement junger Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, diese Welt nachhaltiger zu gestalten. Ein Blick hinein lohnt sich allemal.