Die Köllerbacher Bundesliga-Ringer gehören seit Jahrzehnten zu den besten in Deutschland. Das unglückliche Viertelfinal-Aus in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft wirft Fragen auf – allem voran zur Nachwuchsarbeit.
Im Großen und Ganzen haben wir keine überragende, aber eine ordentliche Saison gerungen“, findet Etienne Kinsinger. Der Weltklasse-Ringer des Bundesligisten KSV Köllerbach weiß: „Unser Problem war, dass wir in den entscheidenden Momenten selbst verpasst haben, sie zu sehr guten zu machen.“ Der KSV zählt seit vielen Jahren stets zum erweiterten Favoritenkreis im Kampf um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft. In der laufenden Saison war allerdings im Viertelfinale gegen den ASV Schorndorf Schluss. Eine Liga darunter sicherten sich der AC Heusweiler als Tabellen-Vierter vor ASV Hüttigweiler (fünfter Platz) und KV Riegelsberg (sechster Platz) den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga Nord.
Saisonfinale von Pech geprägt
Das Köllerbacher Saisonfinale war von Pech geprägt. Schon den entscheidenden Kampf um die Tabellenführung in der Gruppe West hatte der KSV mit 14:17 verloren. Dabei gingen die Saarländer als Tabellenführer in den Rückkampf gegen den ASV Mainz, der am letzten Wettkampftag der Runde in der heimischen Kyllberghalle ausgetragen wurde. Nach gutem Start konnten die Hausherren die Schlüsselduelle um den Sieg nicht für sich entscheiden. So sah KSV-Eigengewächs Kilian Schäfer, der für den kurzfristig krankheitsbedingt ausgefallenen Punktegarant Peter Öhler in der Klasse bis 98 Kilo griechisch-römisch einspringen musste, gegen Wladimir Remel kein Land. Michail Sava verlor seinen Kampf in der Klasse bis 71 Kilo Freistil nach langer Führung erst in den letzten Sekunden und der trotz Schulterproblemen gestartete Pajtim Sefaj unterlag dem starken Mainzer Achmet Yilmaz in der Klasse bis 80 Kilo griechisch-römisch. „Mit Peter hat uns ein Siegerringer gefehlt“, hadert Kinsinger und ergänzt: „Aber auch so haben wir ein, zwei Kämpfe verloren, die wir auch noch hätten zu unseren Gunsten umbiegen können.“ Zum Pech gesellte sich zwischenzeitlich wenigstens ein Moment der Freude: Vor den letzten beiden Kämpfen, als die Gastgeber noch mit 14:13 in Führung lagen, feierten die KSV-Fans die Rückkehr des Kapitäns. Timo Badusch kehrte nach seiner zweiten Schulter-Operation im Frühjahr 2022 und über acht Monaten Pause auf die Matte zurück. Doch auch er hatte Pech: Weil der Mattenleiter nur einen seiner zwei Durchdreher wertete, unterlag er dem Mainzer Mohammad Damankhoshk denkbar knapp mit 2:4.
Durch die 14:17-Niederlage, die zweite der Saison gegen Mainz, verpasste Köllerbach Gruppenplatz eins und damit den vermeintlich schwächsten Gegner im Viertelfinale. Stattdessen traf der KSV auf den starken ASV Schorndorf. Der wurde in der Gruppe Ost „nur“ Dritter „obwohl der ASV hinter Topfavorit Wacker Burghausen das zweitbeste Team der gesamten Liga ist. Sie sind nur wegen einiger Entscheidungen am grünen Tisch abgerutscht“, betont Kinsinger und stellt erneut fest: „Das war einfach eine unglaublich unglückliche Konstellation, die uns voll erwischt hat. Gegen Schorndorf waren wir von Anfang an Außenseiter.“ Da war es schon wieder: das Pech. Dennoch: Wie schon im zweiten Ligaduell mit Mainz kam der KSV gut in die Partie. Zudem war neben Timo Badusch auch der wieder genesene Peter Öhler einsatzbereit. Allerdings bekam es der Letztgenannte in der höheren Gewichtsklasse bis 130 Kilo mit dem etwa 30 Kilo schwereren Jello Krahmer zu tun und unterlag chancenlos. Trotzdem blieb der sechsmalige Deutsche Mannschaftsmeister dran und lag nach neun Kämpfen mit nur einem Punkt in Rückstand: 9:10 stand es nämlich, als Timo Badusch die Matte betrat. In seinem Kampf der Klasse bis 75 Kilo griechisch-römisch hielt er zunächst gut mit, unterlag seinem Kontrahenten Iuri Lomadze aber letztlich deutlich mit 0:18. Mit einer Hypothek von fünf Punkten Rückstand empfingen die Köllerbacher den ASV nur eine Woche später in der Kyllberghalle. Doch auch dort reichte es nicht für eine Überraschung. Trotz lautstarker Unterstützung von rund 600 KSV-Fans in der „Festung Kyllberghalle“ unterlag Köllerbach erneut, diesmal mit 11:15. „Wir hätten sie aber schlagen und ins Halbfinale einziehen können“, meint Kinsinger. „Aber nur, wenn wirklich alles in allen Kämpfen gepasst hätte. Eine nur ordentliche Leistung hat nicht gereicht. Letztlich spiegelt das Endergebnis die Kräfteverhältnisse der Vereine wider.“ Zum Vergleich: Im Halbfinal-Hinkampf besiegte Schorndorf den Titelverteidiger Wacker Burghausen gar mit 15:8. Der Rückkampf war zum Redaktionsschluss noch nicht beendet.
„Da muss etwas passieren“
Mittel- bis langfristig wollen die Köllerbacher aber wieder ein Wörtchen im Kampf um die Deutsche Meisterschaft mitreden. Sechsmal stand der KSV bisher am Saisonende ganz oben auf dem Treppchen. „Wir haben ein Problem mit dem deutschen Nachwuchs. Wir werden alle älter, aber von unten kommt nichts nach. Da muss etwas passieren“, fordert Etienne Kinsinger. Der Ausnahmeathlet und Olympiateilnehmer von Tokio 2021 ist selbst KSV-Eigengewächs: „Dabei war es gerade die Nachwuchsarbeit, die Köllerbach immer stark gemacht hat. Sie war früher überragend. Ich bin ja nicht der Einzige, der es in die erste Mannschaft gepackt hat.“ Wie er schafften auch Gennadij Cudinovic, ebenfalls Olympia-Teilnehmer von Tokio, Valentin Seimetz und Marc-Antonio, genannt „Toni“ von Tugginer in das Bundesligateam. Sie alle gehören zur „Goldenen Generation“, die vor etwa 20 Jahren mit dem Ringen angefangen hat und „im Verein großgezogen wurde“, wie es der 26-jährige Kinsinger formuliert: „Danach ist quasi nichts mehr nachgekommen. Ich ringe ja selbst schon seit acht, neun Jahren in erster Mannschaft.“ Früher hätten sich pro Jahr ein oder sogar zwei Nachwuchsathleten für Einsätze bei den Aktiven empfohlen. Inzwischen müsse man zusehen, deutsche Ringer von außen dazuzubekommen. Klar ist: Eine gute Jugend wiederaufzubauen braucht Zeit. Noch mehr Zeit braucht es, bis die Früchte der Nachwuchsarbeit geerntet werden können. „Diese Zeit haben wir aber nicht, also müssen wir uns von außen verstärken“, weiß Kinsinger.
Vor dem Hintergrund der finanziellen Schwierigkeiten des KSV – laut „Saarbrücker Zeitung“ habe der Verein ein „ernst zu nehmendes Einnahmeproblem“ und den Etat für die kommende Runde noch nicht gedeckt – ist die Verpflichtung von deutschen Topringern allerdings eine große Herausforderung. Zumal die Bundesliga-Konkurrenz im Spitzenbereich finanziell deutlich besser aufgestellt zu sein scheint. „Bis jetzt hat es der KSV immer geschafft, über die Runden zu kommen. Ich denke schon, dass das in der nächsten Saison auch der Fall sein wird und dass wir eine gute Mannschaft zusammenbekommen “, gibt sich Etienne Kinsinger zuversichtlich und kämpferisch: „Für mich gibt es keinen Grund, den Verein zu verlassen. Ich fühle mich hier wohl, aber ich muss sehen, was in den nächsten Wochen noch passiert. Die Rahmenbedingungen müssen auch weiterhin passen.“ Dazu gehört auch, nicht weiter vom Pech verfolgt zu sein.