Bei der 1:3-Niederlage in Hoffenheim zeigt sich Hertha BSC von der ganz schwachen Seite. So werden die Berliner wohl erneut bis zum Schluss zittern müssen.
Selbst beim Tabellenschlusslicht vergangenen Samstag setzte sich die verheerende Auswärtsbilanz fort: Die 1:3-Niederlage gegen die TSG Hoffenheim war nicht nur bereits das neunte Spiel 2022/23 auf des Gegners Platz in Folge, das nicht gewonnen werden konnte – man holte dabei auch nur einen Zähler. Das war im September 2022 beim 1:1 in Mainz, 14 Tage zuvor war den Schützlingen von Sandro Schwarz der bislang einzige Auswärtssieg (2:0 in Augsburg) gelungen. Damals war das am fünften Spieltag auch der erste Dreier der Saison überhaupt für Hertha BSC und wurde von manchen im Verein und Umfeld als Durchbruch empfunden. Mittlerweile hat sich allerdings nichts geändert an der prekären Situation der Blau-Weißen – wie eigentlich in den gesamten letzten Jahren.
Bislang nur ein Auswärtssieg
Auch in den vergangenen beiden Spielzeiten stand Hertha BSC nach 25 Spielen jeweils auf dem Relegationsplatz – 2020/21 mit identischer Punktzahl (21), vergangene Saison sogar mit zwei Zählern mehr. Da gelang den Berlinern bekanntlich erst in der Relegation auf den letzten Metern noch der Klassenerhalt. Die aktuelle Konstellation mit einem Pool von Teams, die eng beieinander liegen, lässt für den Ligaverbleib noch alle Möglichkeiten offen. Allerdings schickt sich etwa mit dem VfL Bochum ein Verein an, diesen Kreis in Richtung unteres Mittelfeld verlassen zu wollen. Durch den zäh errungenen 1:0-Sieg über Champions-League-Teilnehmer RB Leipzig ist der Revierclub jedenfalls vorerst vier Punkte vor Hertha BSC in der Tabelle weggezogen. Ein Erfolg, den man den Hauptstädtern gar nicht zutrauen würde – die Niederlage beim Tabellenletzten war vielmehr eine weitere Enttäuschung und bedeutet einen schweren Rückschlag für Team und Trainer im Abstiegskampf.
im eigenen Strafraum einen Elfmeter - Foto: IMAGO / Nordphoto
Der Gegner hatte schließlich seit 14 Spielen keinen Sieg mehr feiern können und dabei nur zwei Punkte geholt, zuletzt acht Niederlagen in Serie verzeichnet: Gegen Hertha BSC war davon jedoch wenig zu spüren. Allerdings auch, weil die „Alte Dame“ über weite Strecken nicht nur vieles vermissen ließ, sondern dem direkten Konkurrenten in diesem ungemein wichtigen Spiel auch noch mit zwei Fehlleistungen auf die Sprünge half. Erst verursachte Tolga Cigerci im eigenen Strafraum einen Elfmeter, als ihm vom Ex-Herthaner John Anthony Brooks an die hoch über dem Kopf gestreckten Arme geköpft wurde. Dann ließ Filip Uremovic TSG-Stürmer Ihlas Bebou mit Ball davonziehen, um ihm in die Hacken zu laufen und so zu Fall zu bringen. Zwei Strafstöße vor dem Halbzeitpfiff, mit 0:2 in die Kabine – und eigentlich niemand glaubte mehr daran, dass die blasse Hertha-Elf hier noch etwas umbiegen könnte. Auch die Spieler selbst offensichtlich nicht, denn die Kabinenansprache war kaum verklungen, da schlief die Abwehr bei einem langen Schlag schon wieder und Bebou entwischte zum 3:0. Selbst die Rote Karte gegen Hoffenheims Munas Dabbur und die damit verbundene Überzahl in der Schlussphase konnte Hertha BSC nicht zu einer wirklichen Drangphase nutzen – letztlich reichte es nur noch zum Anschlusstreffer in der Nachspielzeit durch Stevan Jovetic, der zur Pause für Cigerci eingewechselt worden war.
Die Umstellungen in der Dreierkette, zu denen Herthas Trainer gezwungen war, konnten dabei nur bedingt als Argument herhalten. Marton Dardai (muskuläre Probleme) und Marc Kempf (Hüftprobleme) mussten passen, dafür rückten Agustín Rogel und Maximilian Mittelstädt ins Team. Der Uruguayer bildete mit Uremovic und Kapitän Marvin Plattenhardt die Dreierkette, während Mittelstädt dessen Position auf der linken Außenbahn bezog. Entscheidend aber war vielmehr, dass die Mannschaft nicht den Eindruck vermitteln konnte, die Situation und ausgerechnet dieses „Sechs-Punkte-Spiel“ anzunehmen. Auch abseits des Rasens mussten die Eindrücke bedenklich stimmen: Die anschließende Spielanalyse fiel größtenteils zum Kopfschütteln aus. Die Appelle von Kevin-Prince Boateng hat man so jedenfalls in dieser Form auch schon letzte Saison gehört – ebenso wie die Aussagen von Plattenhardt („Die Fehler dürfen wir nicht machen und müssen wir ganz deutlich ansprechen“). Der Kapitän mischte unter seine Aussagen dazu noch eine Prise (in der aktuellen Phase sicher unangebrachten) Optimismus: „Es sind noch so viele Spiele, da machen wir unsere Punkte“, erklärte der 30-Jährige selbst nach diesem sportlichen Offenbarungseid.
„Noch so viele Spiele, da machen wir unsere Punkte“
Und auch Sandro Schwarz rang einmal mehr darum, bei aller Enttäuschung über die Darbietung seiner Mannschaft auch an das Positive zu erinnern: „Wir haben auch schon bewiesen, in schwierigen Phasen zu bestehen.“ Das Problem dabei bleibt jedoch, dass auch in seiner Amtszeit kein Fortschritt zu verzeichnen ist – und mit dem Näherrücken des Saisonfinales sein Stuhl spätestens seit dem vergangen Sonnabend auch nicht mehr als sicher bezeichnet werden kann. Mit blutleeren Darbietungen wie der in Hoffenheim spricht jedenfalls nichts dafür, dass Hertha BSC sich vor dem Saisonende aus dieser brisanten Situation in Sicherheit bringen könnte. Die anstehende Bundesligapause wegen der Länderspiele der Nationalmannschaften wird daher erst mal nur zum kurzen Durchpusten vor dem Endspurt herhalten können.
Im April und Mai stehen dann noch neun Partien an – ohne eine Unterbrechung, in der ein Trainerwechsel vielleicht wegen der Eingewöhnungszeit noch Sinn ergeben würde. So bleibt Sandro Schwarz in der Bundesligapause viel aufzuarbeiten – der 44-Jährige kündigte nach dem Hoffenheim-Spiel bereits an: „Wir werden insbesondere im physischen Bereich arbeiten, die Intensität hochschrauben.“ Gegen Hoffenheim waren seine Schützlinge insgesamt so wenig wie noch nie unter seiner Regie gelaufen (nur knapp 104 Kilometer). Immerhin hat der Trainer vergleichsweise wenige, für den Kader relevante Abstellungen in der Pause zu verkraften: Jovetic (Montenegro), Dodi Lukebakio (Belgien) und Peter Pekarik (Slowakei) reisen zu ihren A-Nationalmannschaften. Dazu sind Jessic Ngankam, Derry Scherhant oder Lukas Ullrich mit ihrer jeweiligen DFB-Juniorenauswahl unterwegs. Nach der Pause wartet dann mit den Partien beim SC Freiburg und gegen RB Leipzig ein anspruchsvolles Programm – und mit dem folgenden Gastauftritt beim FC Schalke 04 schon das nächste „Schicksalsspiel“.