Vor Kurzem konnte das DDR-Museum nach dem Wasserschaden durch das Aquadom-Unglück im Dezember wiedereröffnen. Gegründet wurde es vom französischen Unternehmer Quirin Graf Adelmann, dem 25 ganz unterschiedliche Firmen gehören.
Die typische Wohnstube eines Plattenbaus, ein Trabi-Fahrsimulator sowie das DDR-Fernsehprogramm vom 5. März 1984 in Dauerschleife: Im DDR-Museum gegenüber des Berliner Doms können Besucher den früheren Osten ziemlich authentisch erleben. Sandmännchen und Pittiplatsch gibt’s noch obendrauf. Was viele nicht wissen: Der Chef des Hauses Quirin Graf Adelmann ist weder Ossi noch Wessi, sondern gebürtiger Franzose, aufgewachsen bei Montpellier.
Tausendsassa oder Workaholic nennt man Energiebündel schnell einmal. Doch auf den Unternehmergeist vom Mittelmeer passt die Bezeichnung tatsächlich. 25 Firmen gehören zu seinem Portfolio, darunter sind Unternehmen im sozialen Wohnungsbau, in Sport, Musik und Bildung. Im Biotech-Unternehmen ASC Oncology arbeiten wiederum innovative Biologen erfolgreich an bahnbrechenden Verfahren zur Krebsbekämpfung. Den FC Karlshorst hat Graf Adelmann 1995 aber auch gegründet. Da war er gerade zwei Jahre an der Spree und kickte noch beim FC Union Berlin.
1993 kam der Südfranzose in die Stadt, um an der Humboldt-Universität Rechtswissenschaften zu studieren: „Vor genau 30 Jahren zog ich vom Mittelmeer nach Oberschöneweide, auch bekannt als Schweineöde, in eine unsanierte Einzimmer-Altbauwohnung mit Ofenheizung und Toilette eine Treppe tiefer“, erinnert sich der 47-Jährige, dessen Titel Graf nur formeller Art ist. Namensträgerin sei seine Mutter Gräfin Adelmann. Doch Frauen würden im Adel herabgestuft. Als Nachkomme habe er jedoch ohnehin keinerlei Identifizierung mit einem Grafen, so der Wahlberliner. Auch Vermögen oder Ländereien habe es aus dem Stammbaum heraus nicht gegeben.
Dann kommt das Gespräch auf sein Museum und die DDR: Ob er als Franzose zu Ostdeutschland früher einen Bezug hatte?
„Gar keinen. In unserem Geschichtsunterricht war die DDR überhaupt kein Thema. Als die Mauer fiel und Reporter in den Nachrichten Menschen aus Sachsen interviewten, war ich als Kind verwundert, wie gut in der DDR Deutsch gesprochen wurde – wenngleich mit seltsamer Aussprache“, schmunzelt Adelmann.
Weniger erfreulich war für ihn die Schließung des Museums, das durch das geplatzte Aquarium „Aqua Dom“ in Mitleidenschaft gezogen worden war. Doch laut Quirin Graf Adelmann hielt sich der Schaden in Grenzen. „Das haben wir auch dem schnellen Eingreifen des Sonderkommandos der Berliner Feuerwehr zu verdanken.“ Den originalen Wohnzimmertisch aus einer Ost-Stube mit eingebautem Fernseher trug er höchstpersönlich heraus. Die Schadenshöhe sei zwar siebenstellig, doch kaum eines der mehr als 310.000 Objekte sei unwiederbringlich zerstört.
Sein DDR-Museum sei kein Ort von Ostalgie und Verklärung, betont Adelmann. Der Mauerbau 1961 und das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) werden in einem der meistbesuchten privaten Museen Berlins ausführlich thematisiert. Im Mittelpunkt steht allerdings der ganz normale Alltag Ost. Und der bestand durchaus nicht nur aus Stasi und Drangsalierung. Zu den Höhepunkten der Schau zählen eine originalgetreu eingerichtete Plattenbauwohnung mit fünf Zimmern, etliche interaktive Spiele für Groß und Klein, kleine Clips, Fotos sowie eine beeindruckende Auswahl an technischen Geräten. Auf über 1.000 Quadratmetern erfahren Besucher in 45 Themenbereichen, wie es sich im Sozialismus lebte. Der Alltag in der Deutschen Demokratischen Republik wird nicht nur lebendig, sondern auch wissenschaftlich fundiert vermittelt. Einzelne Berufsgruppen werden vorgestellt, über das Jahr verteilt gibt es Sonderausstellungen.
Interaktiver Einblick in den DDR-Alltag
Deutlich macht die Schau auch, dass die DDR viele soziale Ziele, etwa die Gleichberechtigung der Frau, früher verwirklichte als die alte Bundesrepublik. Quirin Graf Adelmann selbst findet es eigenem Bekunden nach allerdings erstaunlich, wie sich Menschen in der DDR von einem System kontrollieren ließen und sich anpassten. „Menschen beispielsweise wegen Verfehlungen von Familienangehörigen zu beschränken, ist reiner Horror. Auch die Normierung und Einordnung von Planwirtschaft außerhalb von Anforderungen der jeweiligen Realitäten führt zum Untergang einer jeden Gesellschaft.“
Auf der anderen Seite hatte die DDR seiner Ansicht nach „viele gute Seiten“: Als Beispiele nennt er die Qualität des Bildungssystems und den Zusammenhalt der Menschen. „Doch objektiv betrachtet war das System der DDR nicht entwicklungsfähig und nicht gerecht. Beurteilen können wir Westeuropäer aber das alles nur aus einer Überwindungsperspektive“, räumt Quirin Graf Adelmann ein. Im Museum aktive DDR-Zeitzeugen hätten wiederum ganz unterschiedliche Sichtweisen: „Und auf diese Darstellungen kommt es an.“
In seinem kürzlich veröffentlichten Buch „Schwach. Langsam. Ideenlos. Herrschaft der Mittelmäßigkeit“ (Das Neue Berlin) listet Quirin Graf Adelmann hingegen nicht Mängel der DDR, sondern die der bundesdeutschen Gegenwart auf: Vom nicht funktionierenden sozialen Wohnungsbau bis hin zu langsam agierenden Behörden. Grundlage seien seine eigenen Erfahrungen als Unternehmer mit Berliner Verwaltung und Politik, sagt er. „Ich kann nicht still mit ansehen, wie diese Stadt mit dem riesigen Potenzial an unterschiedlichsten Menschen in sämtlichen Bereichen des Staates schlecht oder nicht arbeitet“, schimpft Adelmann. Beispiel Wohnungsbau: Baupläne würden Neubauten eher verhindern statt ermöglichen, Baugenehmigungen Jahre dauern und die Justiz bei der Anfechtung von Entscheidungen inexistent sein. „Dabei hat Berlin die höchste Anzahl von Staatsdienern pro Einwohner.“ Trotzdem funktioniere kaum etwas.
Könnten die Berliner, die Deutschen denn etwas von den Franzosen lernen? Adelmann muss nur kurz überlegen. „Wie man ohne Scham einen Nationalstolz entwickeln und dennoch offen für andere Kulturen und Denkweisen sein kann. Franzosen sind neugierig auf andere Kulturen, ohne ihre eigene Geschichte zu vergessen.“