Das Zentrum Paul Klee in Bern zeigt an die 4.000 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen. Aktuell widmet sich eine große Ausstellung dem wenig bekannten Spätwerk des katalanischen Künstlers Joan Miró.
Die Landschaftsskulpturen sehen sie aus, die drei ausladenden Hügel. Von der Natur geschaffen oder künstlich angelegt?
Dem italienischen Stararchitekten Renzo Piano erschien das freie Gelände am Rande der Schweizer Hauptstadt Bern als eine Skulptur und das Feld ringsum wie eine dazu passende Landschaft. „Fruchtland“ heißt das ungewöhnliche Bauwerk, das sich mit sanftem Schwung in die hügelige Landschaft vor den Toren der Schweizer Hauptstadt schmiegt: das Zentrum Paul Klee.
Sein Atem sei zu weit und groß, um ihn in einem normalen Gebäude einzusperren, so Renzo Piano über Paul Klee. Klee ist für ihn ein „Poet der Stille“, ein Maler der sanften Töne. So ließ sich der Architekt nicht nur vom Wesen und Schaffen des Malers beeinflussen, sondern auch vom Umfeld, das ihn zu seiner wellenförmigen Architektur inspirierte.
Hinter einer großen Glasfassade des Gebäudes liegen großformatige Zeichenblätter auf dem Boden. Kinder klecksen fröhlich und ausgelassen Farbe darauf, begutachten ihre Werke, bespritzen oder glätten die Flächen. „Das Glasatelier für Kinder“ ist ein Ort, wo sie in Kontakt mit Flächen, Formen und Farben kommen und selbst gestalten können.
Geflügelte Erscheinungen
Denn Kinderbilder oder auch Höhlenmalereien waren Paul Klees Vorbilder. „Er war ein Suchender“, meint Dominik Imhof, Leiter der Kunstvermittlung im Klee Zentrum. „Er wollte, dass die Bilder durch Farbe, Formen und Linien sprechen. Er bringt Räumliches auf die Fläche. Reduziert auf das, was das Auge schärft und sieht. Nicht das, was der Betrachter glaubt zu sehen, sondern was ihm über Farbe und Bildtitel ermöglicht, eine eigene Wirklichkeit zu erschaffen. Sein Credo „Weder dienen noch herrschen, nur vermitteln.“
1879 geboren, erlebte Paul Klee eine Zeit enormer technischer Entwicklungen. Maschinen und Automaten, Röntgenstrahlen und Elektrizität prägten seine Zeit. In der aktuellen Ausstellung geht es darum, wie sich der Künstler mit den zahlreichen Innovationen und Umbrüchen auseinandergesetzt hat. Der technischen Entwicklung begegnete er durchaus interessiert, gleichzeitig mit kritischer Distanz. Seine Skepsis brachte er in zahlreichen Werken zum Ausdruck. So verbinden sich Telefonkabel, Schräubchen und Rädchen zu rätselhaften Gebilden. Kritische und ironische Züge zeigen sich in der Hinwendung zu den strengen Gesetzen des Konstruktivismus.
Verschiedene Bereiche der Schau beschäftigen sich mit Phänomenen der Moderne, so wie sie sich in Klees Werken widerspiegeln. Dies zeigt sich beispielsweise in den zahlreichen geometrischen Zeichnungen Klees. Auch neue Techniken wie die Mikroskopie und Röntgenaufnahmen, die die Oberfläche eines Gegenstandes durchdringen, interessierten den Künstler. Sie erweiterten den Begriff des Sehens um Bilder, die das menschliche Auge nicht wahrnehmen kann. Kunst würde nicht das Sichtbare wiedergeben, sondern sichtbar machen, lautete seine Devise.
Zu den beliebtesten Werken des Künstlers gehören seine Engel. Es sind geflügelte Erscheinungen, ein bisschen Mensch, ein bisschen Himmelsbote. Keineswegs perfekt, mal hässlich, mal vergesslich oder auch sorgenvoll.
„Klee war ein faszinierender Themenfinder seiner Bilder, ein Wortakrobat und Poet“ sagt Imhof. „Engel vom Stern“, „Engel noch hässlich“, „Alles hängt am seidenen Faden“, „Liebeslied bei Neumond“, zählt der Kunstkenner auf.
Den größten Teil seines Lebens lebte Paul Klee, der in Bern das Licht der Welt erblickte, in Deutschland. In München lernte er Kandinsky und Franz Marc kennen und schloss sich der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ an. Später war Klee einer der wichtigsten Lehrer am Bauhaus, anfangs in Weimar, dann in Dessau. Ab 1931 unterrichtete er als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf.
Als die Nazis seine Bilder als entartete Kunst verfemten, ging er in die Schweiz ins Exil. Klees Ausdrucksformen waren Farbe, Rhythmus, Natur, Konstruktion und Bewegung. Sein vielseitiges Werk reicht vom Expressionismus über den Kubismus bis hin zum Surrealismus. Paul Klee verstarb 1940.
Gedämpftes Licht im oberen Stockwerk des Klee Zentrums. „Neue Horizonte“ heißt die Ausstellung, die das Spätwerk des katalanischen Künstlers Joan Miró, sein Schaffen und Denken und die Überarbeitung seiner eigenen Werke untersucht. Paul Klee war ein großes Vorbild für den über 14 Jahre jüngeren Maler Joan Miró. Obwohl sich die beiden Künstler nie persönlich kennenlernten, gab es doch Ähnlichkeiten ihrer künstlerischen Motivation. So hatten beide ein Faible für Kinderzeichnungen und prähistorische Kunst.
Joan Miró (1893 – 1983) ist bekannt für seine farbigen, surrealistischen Traumwelten. Immer wieder tauchen Frauen und Vögel auf, Insekten, Sterne, Sonne und Mond. Seine Zeichensprache ist sein Markenzeichen, oft verdichtet, kaum zu identifizieren. Frauen stehen für Fruchtbarkeit und Leben und sind Symbole für Mutter Erde oder Mutter-Gottheiten. Vögel stehen für Freiheit und das Fliegen. Die Gestirne stehen für alles Kosmische, entgegen dem Irdischen. Als der Künstler sich im Alter von 63 Jahren auf der spanischen Mittelmeerinsel Mallorca niederließ und sein großes Atelier bezog, veränderte er sich und mit ihm seine Werke. „Ich gehe hier herum. Betrachte die im Atelier verteilten Leinwände. Halte inne, um nachzudenken. Gehe weiter. Es ist ein Ort der Beobachtung, der Meditation.“
Surrealistische Traumwelten
Miró hinterfragte sein bisheriges Schaffen, lotete die Grenzen der Malerei aus, überarbeitete manches Bild oder setzte die Arbeit an begonnenen Motiven fort. „Diese kritische Auseinandersetzung mit sich selbst und seinen Werken und die Neugestaltungen – das waren die Ausgangspunkte für die Ausstellung“, sagt Dominik Imhof und zeigt auf abstrakte, großformatige Gemälde. „Für Joan Miró war es nicht mehr wichtig, sich entweder für Personen, Lebewesen, Gegenstände oder für die Abstraktion zu entscheiden. Er mischte beides, ähnlich wie sein Vorbild Paul Klee, der sich diese Freiheit stets genommen hatte.“
Manche der Gemälde ähneln dem Action Painting von Jackson Pollock. Die Vorstellung von der klassischen Malweise auf der Staffelei stimmte für Miró nicht mehr. Typisch dafür ein grobes Gewebe, in das er Löcher hineinbrannte, Stoff hinterlegte, einzelne Partien bemalte. Er arbeitete mit dem ganzen Körper, malte mit Händen, traktierte Leinwände mit den Füßen, bespritzte sie mit Benzin und zündete sie an, sodass große Löcher mit ihren Durchblicken Teil der Komposition wurden. „Die Kompositionen sind eine Mischung aus spontanem Impuls und durchdachtem Gestalten“, so der Kunstkenner Dominik Imhof.
Andere Bilder erinnern an fernöstliche Kalligrafien, wie sie von Zen- oder Tai-Chi-Meistern ausgeübt werden. Denn Miró reiste in den 1960er-Jahren nach Japan, ließ sich dort von den Kalligrafien inspirieren. Dabei habe er neu gelernt, einen Pinsel zu benutzen, soll er später gesagt haben. Symbole und Figuren seiner verspielten Bildwelt verschwanden, die Bildsprache wurde eine reduziertere. Die philosophische Sicht der Leere und Konzentration wurde ein wesentliches Element. Leinwände, auf denen sich kaum etwas ereignet und doch präsent ist. Ein Bild bringt das im wahrsten Sinne des Wortes auf den Punkt: Auf großem weißem Grund ist nur ein winzig kleiner Tupfer zu sehen. Ein Punkt.