Als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident hat sich Tarek Al-Wazir in Hessen bereits einen Namen gemacht. Nun möchte er als erster Grünen-Spitzenkandidat der hessischen Geschichte nach mehr Regierungsverantwortung greifen.
Herr Al-Wazir, Sie sind der erste Spitzenkandidat der Grünen in Hessen. Wie kam es dazu?
Ich bin schon lange in der hessischen Landespolitik aktiv, seit zehn Jahren führe ich das hessische Wirtschaftsministerium. Jetzt will ich Hessen noch stärker machen. Ich will ein Hessen, in dem wir uns umeinander kümmern und in dem alle die Chance haben, ihr Glück zu finden. Und ich habe einen Plan, wie das gelingen kann. Deshalb will ich Ministerpräsident werden.
Wie sieht dieser Plan denn aus?
Wir haben Großes vor: Bildung ist für uns ein Zukunftsthema. Das fängt schon bei den Kleinsten an: Hier wollen wir nicht nur in der nächsten Legislaturperiode 20.000 neue Kita-Plätze schaffen, sondern auch die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher attraktiver gestalten. Damit alle alles erreichen können, müssen die Ausstattung, Inhalte und Wissensvermittlung in den Schulen an eine sich wandelnde Welt angepasst werden. Dazu zählt auch ein Tablet für alle Schülerinnen und Schüler an den weiterführenden Schulen. Damit alle während ihrer Schulzeit vielfältige Einblicke in die Berufswelt bekommen, wollen wir Praktika und Orientierungswochen an allen Schulen deutlich ausweiten. Teilhabe für alle möchten wir mit dem Hessenpass Kultur und Freizeit ausbauen. Mit diesem sollen Bürgerinnen und Bürger mit geringem oder keinem Einkommen landesweit weniger Eintritt zahlen müssen, wenn es um Kultur-, Sport- und Freizeitangebote geht. Und auch im Bereich Mobilität spielt Teilhabe für uns eine wichtige Rolle. Mit unseren Hessen-Flatrate-Tickets für Schülerinnen und Schüler, Seniorinnen und Senioren sowie für Menschen mit geringem Einkommen haben wir bereits große Schritte gemacht, Hessen war Vorbild für das Deutschland-Ticket. Jetzt geht es darum, das Angebot auszubauen: Im ländlichen Raum soll mindestens einmal pro Stunde in jedem Dorf ein Bus fahren. Darüber hinaus stärken wir die medizinische Versorgung im ländlichen Raum, indem wir regionale Gesundheitszentren und digitale Lösungen wie Telemedizin in jedem Landkreis ausbauen. Wir wollen 60.000 neue Wohnungen fördern und wie nie zuvor in eine klimafreundliche und nachhaltige Wirtschaft investieren.
Als Wirtschaftsminister war gerade auch die Transformation des Wirtschaftsstandorts Hessen großes Thema für Sie. Wird das auch künftig ein wichtiger Aspekt für Sie bleiben?
Die Transformation unserer Wirtschaft ist eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit, und sie ist noch lange nicht abgeschlossen. Unsere Wirtschaft muss klimaneutral werden. Deshalb investieren wir im Landeshaushalt schon jetzt 900 Millionen Euro jährlich in Klimaschutz und Klimaanpassung. Diese Investitionen wollen wir weiter konstant steigern, zu einem sechs Milliarden umfassenden Klima- und Transformationsfonds bündeln und daraus ein „Vorsprung-Hessen-Paket“ schnüren. So unterstützen wir Wirtschaft, Land und Kommunen bei der CO2-Reduktion und Anpassungen an den Klimawandel. Wir fördern Innovationen und Zukunftstechnologien. Arbeitsplätze sichern wir durch Weiterbildung und eine Ansiedlungspolitik für nachhaltige, innovative Unternehmen. Dazu gehört auch die Fachkräftesicherung, für die es noch mehr Koordination und Entschlossenheit braucht. Wenn ich Ministerpräsident werde, machen wir Fachkräftesicherung zur Chefsache in der Staatskanzlei.
Nun hat eine Koalition auch immer etwas mit Kompromissen zu tun. Welche Inhalte Ihres Wahlprogramms sind dabei auf keinen Fall für Sie und Ihre Partei verhandelbar?
Unser grünes Regierungsprogramm wird die Leitlinie in unseren Koalitionsverhandlungen sein. Es bietet starke, zukunftsorientierte Lösungen in vielen Bereichen. Natürlich gibt es Themen, die Teil unserer grünen DNA sind und bei denen uns die Bürgerinnen und Bürger ganz besonders vertrauen, vor allem im Bereich Umwelt und Klimaschutz. Hier sind die Einrichtung des Klima- und Transformationsfonds, aber auch das Pflanzen von insgesamt 30 Millionen Bäumen bis 2030 zentrale Vorhaben, die wir in den nächsten Jahren in Hessen umgesetzt sehen wollen. Genau deshalb will ich Ministerpräsident werden: weil es wichtig ist, wer die Leitlinien in der Landespolitik vorgibt.
2014 hatte Hessen die erste schwarz-grüne Landesregierung in einem Flächenland gestellt, die Zufriedenheit im Land mit diesem Bündnis ist hoch. Denken Sie, diese Koalition hat auch weiterhin eine Zukunft, unabhängig davon, wer am Ende der größere Partner sein wird?
Das werden wir sehen, wenn wir das Wahlergebnis kennen. Das ist ja das Schöne an demokratischen Wahlen: Wir wissen vorher nicht, wie sie ausgehen. Wenn die Zahlen auf dem Tisch liegen, dann werden wir schauen: Mit wem haben wir rechnerisch eine Mehrheit? Mit wem haben wir die größten Schnittmengen? Und mit wem lässt sich eine verlässliche Koalition bilden? Auch wenn die Zusammenarbeit in der schwarz-grünen Koalition nach wie vor sehr gut ist und wir immer miteinander und nie gegeneinander regiert haben, kämpfen wir im Wahlkampf ausschließlich für grüne Inhalte und ein starkes grünes Wahlergebnis.