Box-Profi Senad Gashi aus Zweibrücken will in die Fußstapfen von Muhammad Ali und Mike Tyson treten und WBC-Weltmeister werden. Ein entscheidender Kampf hierfür findet in luftiger Höhe statt.
Er klingt optimistisch: „Mir geht es gut, ich bin gut vorbereitet“, sagt Senad Gashi. Nach kurzer Pause schiebt er nach: „Ehrlich gesagt: Ich denke, ich bin in der besten Form meines Lebens.“ Der 33-Jährige wirkt beim Interview wie immer entspannt, gut gelaunt und um keinen kecken Spruch verlegen. Dabei steht er vor dem bisher wichtigsten Boxkampf seiner Profikarriere: Am Samstag, 25. November, wird er in der „Emperor’s Palace Arena“ im südafrikanischen Kempton Park bei Johannesburg um den World Boxing Council (WBC) Interim-Titel im Bridgergewicht (91 bis 102 Kilogramm) boxen. Es handelt sich dabei um eine Gewichtsklasse, die zwischen dem Schwergewicht und dem Cruisergewicht liegt und die bisher nur vom WBC anerkannt wird. Sein Gegner ist kein Geringerer als Kevin „The KO Kid“ Lerena. Ein wesentlicher Vorteil des Südafrikaners ist, dass der Kampf nicht nur vor heimischer Kulisse, sondern auch noch rund 2.000 Meter über dem Meeresspiegel ausgetragen wird. Im Gegensatz zu Gashi ist Lerena diese Bedingungen gewohnt.
„Die beste Form meines Lebens“
„Die WBC ist der größte Verband der Geschichte. Muhammad Ali und Mike Tyson waren hier schon Champions. Es ist schon krass, überhaupt um so einen Titel zu kämpfen zu dürfen“, weiß Gashi und seine Miene wird plötzlich ernster. Er hat großen Respekt vor dem Verband und auch vor seinem Gegner Kevin Lerena: „Der Typ ist stark. Er hat auch schon viele Kämpfe zu Hause gemacht, und dort wurde auch schon so manche Split Decision für ihn entschieden“, erklärt er. Als Split Decision wird ein Punktsieg bezeichnet, bei dem die drei Punktrichter am Kampfende zwei unterschiedliche Sieger gesehen haben. „Die dünnere Luft da oben ist ein Riesenvorteil für ihn. Der Kerl ist ein regelrechter Bulle, so ein richtiger Ochse – und noch dazu ein Ausdauermonster“, sagt Gashi, stellt aber auch in gewohnt selbstbewusster Manier fest: „Ich habe Luft für 15 Runden. Auch wenn es über die gesamte Distanz von zwölf Runden geht, werde ich bis zum Schluss fit sein.“
Das Duell mit dem Weltranglisten-Ersten seiner Gewichtsklasse hat sich Senad Gashi (7.) im Wortsinn erkämpft. Als Sparringspartner war er in den vergangenen Monaten und Jahren in der ganzen Welt unterwegs und wurde von hochkarätigen Athleten als ebenbürtiger Trainingsgegner gebucht. „Die Leute haben gesehen: Der ist gut, der ist stark“, berichtet Gashi über die Eindrücke, die er selbst hinterlassen hat. Hinzu kommt seine beachtliche Profi-Bilanz von 27 Siegen (26 durch K.o.) aus 30 Kämpfen. Seine drei Niederlagen kassierte er ausschließlich im Schwergewicht gegen relativ schwere Gegner wie etwa den ehemaligen Europameister Dereck Chisora.
Auf Kevin Lerena hat sich Gashi unter anderem in Thailand vorbereitet und unter Anwendung einer speziellen Atemmaske, die die erschwerten Bedingungen in Südafrika simulieren soll. „Mein Körper hat das schon adaptiert“, ist der 33-Jährige sicher. Neben der dünnen Luft wartet eine weitere Herausforderung auf ihn: Da beide Boxer Linkshänder sind, ergibt sich eine ungewöhnliche Ausgangssituation. „Das Ding ist: Wir bewegen uns also spiegelverkehrt. Darauf muss man sich einstellen“, erklärt er und hat dies mit seiner Auswahl der Sparringspartner getan. Seine Taktik gegen den Südafrikaner Lerena: Erst abwarten, den Gegner kommen lassen und ihn ausgucken und dann, zur richtigen Zeit, „voll drauflos feuern“. So, wie er auch seine bisherigen Kämpfe angegangen ist. Nicht ohne Grund lautet der Kampfname Gashis, der vor allem von seiner Explosivität, Schnelligkeit und Dynamik lebt, „The Gachine Gun“. Wie er seinen Gegner schlagen kann, hat er – wie schon so oft – bildhaft vor Augen: „Auskontern. Knockout. Rechter Kopfhaken. Wenn es gut geht schon in der ersten Runde.“
Kevin Lerena weiß das. Der ehemalige IBO-Cruisergewichts-Champion, der eine Bilanz von 29 Siegen (14 durch K.o.) und zwei Niederlagen vorzuweisen hat, wird Senad Gashi sicher nicht unterschätzen: „Respekt ist das Schlüsselwort, aber wenn die Glocke ertönt, ist es alleine ein Geschäft und der Respekt wird aus dem Fenster geworfen“, wird Lerena auf dem südafrikanischen Portal „Sowetan Live“ zitiert: „Es wird ein harter Kampf mit Senad werden, aber ich glaube, ich habe mich besser vorbereitet. Sie werden einen explosiven Kevin sehen, einen schnellen Kevin, einen Mover, genau den Kerl, der ich schon vor ein paar Kämpfen war“, sagt Lerena weiter: „Ich bin vielleicht nicht ganz so überwältigend wie vielleicht vor zwei Kämpfen, aber ich habe definitiv vor, explosiv und schwer fassbar zu sein.“
Gegen die Nummer eins der Welt
Senad Gashi sieht das anders. Er sieht in der K.o.-Niederlage Lerenas im Dezember 2022 gegen Daniel Dubois als möglichen Knackpunkt. Im Kampf um die Schwergewichts-WM hatte Lerena den Briten Dubois schon dreimal am Boden, bevor er in der dritten Runde selbst durch technischen K.o. verlor. „Ich glaube, so etwas bleibt einem im Hinterkopf“, mutmaßt Gashi und stellt klar: „Ich will nicht einfach nur dabei sein. Ich will unbedingt gegen ihn gewinnen. Dafür trainiere ich sehr hart und werde im Kampf alles geben.“ Nach seiner Niederlage gegen Daniel Dubois nahm Lerena an Gewicht ab, um künftig in der neuen Bridger-Gewichtsklasse-Klasse anzutreten. Als Weltranglisten-Erster wurde er als Pflichtgegner für den amtierenden Weltmeister Lukasz Rozanski aus Polen ernannt. Der will allerdings lieber gegen den Schweden Badou Jack antreten, der sich zuletzt den WBC-WM-Gürtel im Cruisergewicht sicherte. Lerena akzeptierte Berichten zufolge diese Idee, erhielt für seinen Verzicht auf den Pflichtkampf eine Geldzahlung und kann daher um die Interims-WM gegen Senad Gashi kämpfen. Der Kampf zwischen Rozanski und Jack soll Ende des Jahres steigen. Der Gewinner dieses Kampfes tritt dann gegen den Gewinner des Kampfes Lerena/Gashi an.
„Das wird ein Fight, in dem es um mehrere Titel gehen wird. Das ist richtig krass“, findet Gashi. Damit es soweit kommt, muss er seinen Kampf am 25. November gewinnen. Und gleich im Anschluss einen Schaukampf in einem der größten Casinos Europas, dem „King‘s Casino“ im tschechischen Rozvadov, überstehen (22. Dezember). Direkt danach geht es für den Zweibrücker ins Trainingslager. Die Erholungsphase wird auf danach verschoben. „Es ist zwar nur ein Schaukampf, aber ich will auch da abliefern und nicht in schlechter Form auftreten“, sagt Gashi. Auch wenn die Luft zwischendrin mal dünn wird – so schnell scheint sie der „Gachine Gun“ nicht auszugehen.