Reproduktionsmedizinische Verfahren helfen ungewollt kinderlosen Paaren, den Wunsch nach einem Neugeborenen zu erfüllen. Ein Interview mit Dr. Simona Baus, Leiterin des Kinderwunschzentrums am Uniklinikum Homburg.
Frau Dr. Baus, Angaben des Bundesfamilienministeriums zufolge ist fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren in Deutschland ohne es zu wollen kinderlos. Was können die Ursachen dafür auf beiden Seiten sein?
Das ist sehr wichtig zu betonen, dass die Ursachen ungefähr auf beiden Seiten gleich verteilt sind. Wenn wir die Seite der Männer betrachten, kann ein schlechtes Spermiogramm ausschlaggebend für eine Fertilitätsstörung sein. Genauer gesagt sind in diesem Fall entweder zu wenig Spermien vorhanden oder sie sind zu langsam. Das kann verschiedene Gründe haben, am häufigsten stellen wir fest, dass es keine erkennbare Ursache gibt. Es kann aber auch genetische Ursachen geben oder einen Zustand nach Infektionen in der Kindheit.
Was genau wird beim Spermiogramm untersucht?
Zunächst einmal wird eine Sperma-Probe abgegeben, die verflüssigt wird und direkt nativ untersucht wird. Anhand verschiedener Samenzellparameter kann man anschauen: Wie flüssig ist das Sperma? Wie ist seine Form? Wie hoch ist die Konzentration der Spermien? Wie viele Spermien im Gesamten sind vorhanden? Wie ist die Beweglichkeit der Spermien? Befinden sich möglicherweise Antikörper in den Spermien? All diese Parameter werden festgehalten und mit einem Normwert abgeglichen.
Wo können bei Frauen die Ursachen für Unfruchtbarkeit liegen?
Bei der Frau gibt es vielfältigere Ursachen als beim Mann. Die Ursachen können anatomisch begründet sein, zum Beispiel im Rahmen einer Endometriose, eine inzwischen bekannte Erkrankung. Viele Frauen, die ungewollt kinderlos sind, leiden an einer Endometriose. Darüber hinaus spielen hormonelle Ursachen eine Rolle, wie etwa die Follikelreifungsstörung. Das PCO-Syndrom (Polyzystisches Ovar-Syndrom, eine der häufigsten Stoffwechselstörungen bei Frauen, Anm. d. Red.) ist sehr verbreitet.
Wer kommt eigentlich für eine Kinderwunschbehandlung infrage?
Jeder, der einen Kinderwunsch hat und eine Familie gründen möchte, hat das Recht dazu. Wir haben hier im Uniklinikum aufgrund der Schwangerschaftschance eine Alterseinschränkung. Das heißt, wir behandeln keine Frauen, die über 45 Jahre alt sind, weil die Schwangerschaftsrate jenseits dieser Altersgrenze einfach sehr, sehr ungünstig ist. Damit steht das Uniklinikum Homburg aber nicht allein da, viele Kinderwunschzentren setzen eine Altersgrenze. Leider können wir keine gleichgeschlechtlichen Paare behandeln, weil uns die entsprechenden Möglichkeiten dafür fehlen.
Wer trägt die Kosten für die Kinderwunschbehandlung?
Die gesetzliche Krankenversicherung ist verpflichtet, mindestens 50 Prozent der Behandlung zu bezahlen. Dabei müssen verschiedene Vorgaben erfüllt sein: Das Paar muss verheiratet sein, beide Partner müssen über 25 Jahre alt sein, die Frau unter 40, der Mann unter 50. Unter diesen Voraussetzungen können die Krankenkassen eine Kinderwunschbehandlung bezuschussen. Es gibt allerdings auch Krankenkassen, die mehr als 50 Prozent und sogar bis zu 100 Prozent der Kosten übernehmen. Für privatversicherte Patienten gelten allerdings ganz andere Vorgaben.
Kann es vorkommen, dass unfruchtbare Frauen für eine künstliche Befruchtung nicht infrage kommen?
Ja, das gibt es auch. Wenn eine Frau sehr stark vorerkrankt ist und eine Kinderwunschbehandlung sie gefährden würde, müssen wir mit der Patientin über andere Alternativen sprechen. Wir haben uns, wie viele andere Zentren auch, eine BMI-Grenze gesetzt, weil ein erhöhtes Gewicht ein sehr hohes Risiko für die Schwangerschaft und Geburt darstellt. Die Entscheidung, in welchen Fällen trotzdem eine Behandlung erfolgen kann, wird individuell festgelegt.
Was bedeutet es für den Körper einer Frau, wenn sie sich für eine künstliche Befruchtung entscheidet?
Für den Körper der Frau ist es eine relativ harmlose Behandlung, die mit sehr wenig Nebenwirkungen einhergeht. Die Patientin muss über einen Zeitraum von etwa zehn Tagen Hormone zu sich nehmen. Die Hormone gibt es in Form von Spritzen, und die verabreichen sich die Frauen in der Regel selbst. Am Ende dieser hormonellen Behandlung erfolgt die Eizellentnahme. Das ist ein relativ einfacher, ambulanter Eingriff, der keine Vollnarkose erfordert. Einige Tage später erfolgt der Embryotransfer, der ein einfacher gynäkologischer Eingriff ist. Wenn auch die Behandlung für den Körper relativ ungefährlich ist, stellt es eine große psychische Belastung dar. Natürlich hoffen die Frauen inständig darauf, dass es klappt. Wenn es nicht funktioniert, ist die Enttäuschung groß.
Was spricht für und was gegen eine künstliche Befruchtung?
Wenn weniger invasive Maßnahmen nicht erfolgreich waren, bleibt als Option eine künstliche Befruchtung, um mit eigenen Eizellen und Spermien eine Familie zu gründen. Von ärztlicher Seite sprechen dagegen lediglich die eingangs genannten medizinischen Faktoren. Wenn Frauen keine Eizellen mehr haben oder Männer keine Spermien, dann ist es unmöglich eine künstliche Befruchtung durchzuführen. Manche Frauen lehnen aus ethischen und religiösen Gründen ab, eine solche Behandlung vornehmen zu lassen. Es ist letztlich eine sehr persönliche Entscheidung, aber aus medizinischer Sicht spricht nichts gegen eine künstliche Befruchtung.
Angenommen der Samen des Mannes eignet sich nicht für eine künstliche Befruchtung. Welche Alternativen stehen dem Paar offen?
Wenn im Ejakulat keine Spermien vorhanden sind, besteht die Möglichkeit in Kooperation mit der hiesigen Urologie eine Hodenbiopsie durchzuführen. Falls auch hier keine Spermien vorhanden sind, bleibt nur die Option einer Samenspende. Wir würden dann das betroffene Paar an andere Zentren verweisen, da wir keine Samenbank haben. Natürlich kann das Paar auch eine Adoption in Erwägung ziehen.
Wie gehen Sie vor, wenn ein ungewollt kinderloses Paar zu Ihnen in die Kinderwunsch-Sprechstunde nach Homburg kommt und sich beraten lassen möchte?
Das Paar sollte sich frühzeitig vorstellen, weil die Zeit nicht stehen bleibt. Wenn die Frau älter ist, kann es schwieriger sein, eigene Kinder zu bekommen. Beim Erstgespräch sollten beide Partner da sein, damit wir zu Beginn beide kennenlernen. Zuerst wird die Anamnese, also die Krankengeschichte, aufgenommen. Dabei schauen wir, ob es Hinweise auf eine Fertilitätsstörung gibt. Durch die Krankengeschichte kann man sehr oft Hinweise erhalten. Dem Paar wird erklärt, welche Untersuchungen anstehen, wobei beim ersten Termin in aller Regel keine vorgenommen werden. Bei der Frau wird ein diagnostischer Zyklus durchgeführt, dafür sind drei Termine eingeplant, bei denen eine Blutentnahme und eine gynäkologische Untersuchung erfolgen. Beim Mann muss ebenfalls eine Blutentnahme erfolgen und eine Samenprobe abgegeben werden. Je nach Krankengeschichte untersuchen wir auch die Eileiter der Patientin. Sind all diese Untersuchungen abgeschlossen, treffen wir uns noch einmal. Dann besprechen wir die Untersuchungen und überlegen, ob noch weitere notwendig sind. Wenn eine Diagnose feststeht, kann das Paar zur Therapie übergehen.
Mit Therapie meinen Sie das jeweilige reproduktionsmedizinische Verfahren?
Genau. Das einfachste Verfahren, das wir anbieten, ist der Verkehr zum optimalen Zeitpunkt, wo man entweder mit oder ohne hormonelle Stimulation den Eisprung kontrolliert auslösen kann. Zu diesem Zeitpunkt sollte das Paar Geschlechtsverkehr haben. Eine etwas invasivere Option ist die intrauterine Insemination (das Einbringen von Spermien in die Gebärmutter; Anm. d. Red.). Dabei muss zum Zeitpunkt des Eisprungs auch eine Samenprobe abgegeben, aufbereitet und künstlich in die Gebärmutter mit einem dünnen Katheter eingeführt werden. Da findet die Befruchtung im Körper statt, den Spermien helfen wir nur etwas schneller an Ort und Stelle zu kommen. Als dritte Option ist die künstliche Befruchtung außerhalb des Körpers möglich.
Was ist mit der Option Kryozyklus?
Vor einem Kryozyklus hat immer eine künstliche Befruchtung stattgefunden. Aus der sind mehrere befruchtete Eizellen entstanden. Da man in Deutschland maximal drei Embryonen in die Gebärmutter einsetzen darf – wir setzen am Kinderwunschzentrum der Uniklinik höchstens zwei ein – können die anderen befruchteten Eizellen eingefroren werden. Diese kann man nach und nach wieder auftauen und in die Gebärmutter einsetzen. Eine hormonelle Stimulation, Eizellentnahme und Probenabgabe des Mannes muss nicht erfolgen.
Wie finden Sie heraus, welches Verfahren den Wunsch erfüllt, ein Neugeborenes zu bekommen?
Nachdem die ganzen Voruntersuchungen, also diagnostischer Zyklus, Spermiogramm und eventuell die Eileiter-Untersuchung, abgeschlossen sind, wissen wir meist, was das Problem ist und können gezielt vorgehen. Wenn zum Beispiel die Eileiter nicht funktionieren oder wenn die Spermien-Qualität sehr reduziert ist, kommt nur eine künstliche Befruchtung infrage. Problematischer ist meistens, wenn wir nichts finden. Es gibt auch Fälle, bei denen alle Untersuchungen unauffällig sind und es trotzdem nicht geklappt hat – in diese Situation kommt jedes fünfte Paar. Dann müssen wir trotzdem Schritt für Schritt alle Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin ausnutzen.
Wie hoch ist die Schwangerschaftsrate bei den jeweiligen Verfahren?
In ganz Deutschland liegt die Schwangerschaftsrate im Schnitt zwischen 25 und 30 Prozent für alle Altersgruppen. Splittet man in einzelne Altersklassen auf, ist die Erfolgsrate entsprechend altersabhängig. Bei einer jungen, 25-jährigen Frau liegt die Rate bei 25 bis 30 Prozent. Bei einer 45-jährigen Frau liegt die Rate bei einer künstlichen Befruchtung hingegen unter fünf Prozent.
Sie können zwar nicht garantieren, dass eine Kinderwunschbehandlung erfolgreich verläuft. Aber würden Sie trotz dieser Unklarheit den betroffenen Paaren dazu raten, es zu versuchen?
In den allermeisten Fällen ja auf jeden Fall, und jeder neue Versuch steigert weiterhin die Chancen, schwanger zu werden. Wichtig ist, dass die Erfolgsraten vor Therapiebeginn individuell besprochen werden müssen. Bei einigen Paaren kommt jedoch auch der Moment, wo andere Wege der Familiengründung besprochen werden müssen. Aber auch dann stehen wir den Paaren gern mit Rat und Tat zur Seite.