Caroline Sprott (34) war 19, als bei ihr die Diagnose Lipödem gestellt wurde. Mit FORUM sprach sie über ihre Symptome und ihre persönlichen Erfahrungen mit Behandlungsmethoden wie Liposuktion und Kompression.
Frau Sprott, in welchem Alter hat Lipödem bei Ihnen begonnen und wie hat es sich dann entwickelt?
Meine Lipödem-Geschichte begann im Alter von 19 Jahren. Zu dieser Zeit wusste ich noch nichts über diese Erkrankung, weil die Medienpräsenz deutlich geringer war als heute. Ich erlebte, wie sich mein Körper veränderte, Schmerzen und Schwellungen in meinen Beinen auftraten, besonders bei längerem Sitzen im Zug oder im Auto. Selbst auf der Arbeit wurde ich zunehmend von den Schmerzen beeinflusst. Es war ein langsamer Prozess, der sich von einem subtilen Unbehagen zu einem dauerhaften Schmerz entwickelte, der meinen Alltag und mein Wohlbefinden stark beeinflusste.
Blieb der Schmerz auf die Beine beschränkt?
Begonnen hat alles in den Beinen, nach zwei Jahren kam die Diagnose auch für das Lipödem in den Armen hinzu. Das war für mich besonders schwer zu verkraften.
Haben Sie gleich vermutet, dass Sie an einem Lipödem leiden?
Anfangs war ich verwirrt über die Veränderungen in meinem Körper und hatte keine Ahnung, dass es Lipödem sein könnte. Man weiß ja meistens sehr genau, wie sich der eigene Körper anfühlt, und spürt auch, wenn etwas neu ist und nicht ganz normal zu sein scheint. Erst als ich meinen Hausarzt aufsuchte und dieser mich in eine Gefäßklinik überwies, wo schlussendlich zu meinem Glück die Diagnose gleich gestellt wurde, habe ich verstanden, dass nichts mehr so sein würde wie vorher. Dies war ein schockierendes, aber auch erleichterndes Ereignis, denn endlich hatte mein Leiden einen Namen.
Welche Symptome hatten Sie und welche haben Sie heute?
Meine Symptome begannen mit Schwellungen an Beinen und Armen, begleitet von sehr starken Schmerzen. Ich bekam immer größere Probleme, Treppen zu steigen, da es sich anfühlt, als wenn man bei jeder Stufe gegen einen Widerstand ankämpft. Die Diagnose wurde als Lipödem im Stadium zwei eingestuft, was bedeutet, dass es sich bereits sichtbar und fühlbar entwickelt hatte. Heute, nach verschiedenen Therapieansätzen und meinem Expertenstatus im Selbstmanagement, sind meine Symptome besser unter Kontrolle, aber sie sind immer noch ein sehr präsenter, eigentlich täglicher und auch bestimmender Teil meines Lebens.
Welche Therapien oder Anwendungen haben Sie ausprobiert?
Ich habe im Laufe der Jahre schon vieles ausprobiert, darunter Manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie und Liposuktionen. Jede dieser Therapien hat ihre eigenen Herausforderungen, aber sie haben alle zu einer Besserung meiner Symptome, meiner Lebensqualität und auch dem Verständnis meiner Erkrankung beigetragen.
Außerdem habe ich mich auch meiner Ernährungstherapie gewidmet. Am besten ging es mir, als ich mich ketogen ernährt habe. Dies ist zwar sehr herausfordernd, aber dafür auch wahnsinnig effektiv gewesen. Ich war so ziemlich schmerzfrei. Irgendwann habe ich nach einer Pause nicht mehr in die Ernährungsart zurückgefunden und widme mich nun der antientzündlichen Ernährung (Mittelmeerkost). Es ist nicht ganz perfekt, aber dafür zurzeit für mich am besten umsetzbar.
Des Weiteren begab ich mich nach der Armdiagnose in eine Psychotherapie, die für mich einen sehr wichtigen und spürbaren Effekt hatte – bis heute, acht Jahre später.
Einige Patientinnen sind nach einer Liposuktion (Fettabsaugung) weitgehend symptomfrei. Sie haben schon mehrere OPs hinter sich. Was hat sich dadurch bei Ihnen verbessert?
Nach meinen Liposuktionen erlebte ich eine deutliche Reduktion der Schmerzen. Aber ich habe auch gelernt, dass der lang anhaltende Erfolg solcher Eingriffe von vielen individuellen Faktoren abhängt, einschließlich der chirurgischen Erfahrungswerte, des Umfangs der Fettentfernung und des persönlichen Heilungsprozesses jedes Einzelnen. Denn klar kann man eine unbestimmte Zeit deutlich an Lebensqualität gewinnen und die Schmerzen deutlich reduzieren. Jedoch ist die Therapie nach diesen Eingriffen nicht abgeschlossen, sondern muss noch stärker betrieben werden. Es gilt nämlich zu verhindern, dass eine Umverteilung des Lipödems stattfindet und andere Fettzellen im Körper davon betroffen werden, wie zum Beispiel der Unterbauch, das Gesicht, der Rücken et cetera.
Die genetische Veranlagung zum Lipödem trägt man auch nach operativen Eingriffen in sich, es ist also nicht garantiert, wie das Leben danach verläuft. Eine starke Hormonveränderung kann zum Beispiel einen Schub auslösen.
Und doch ist es unheimlich wichtig, die Liposuktionen zu haben und mithilfe der Operationen den Patientinnen eine Erleichterung zu verschaffen. Es bleibt daher ein Unding, dass sie – bis auf einen sehr kleinen Prozentsatz – nicht von der Krankenkasse übernommen werden.
Sie tragen Kompression und sind auch Kompressionsmodel. Wozu genau dient eigentlich Kompressionswäsche?
Kompressionsversorgungen spielen eine wesentliche Rolle in der Behandlung von Lipödem-Schmerzen. Sie helfen durch den Druck von außen, den Lymphfluss zu fördern, Schmerzen zu lindern und Schwellungen zu reduzieren. Kompression kann das Lipödem nicht verringern, jedoch ist man dank ihr oft deutlich belastbarer.
Als Kompressionsmodel und Healthfluencerin kann ich zeigen, dass diese Hilfsmittel nicht nur funktionell, sondern auch stilvoll sein können. Sie sind keine Feinde, sondern wichtige Bestandteile der Schmerz- und vor allem Eigentherapie. Denn die modische Auseinandersetzung mit Kompression kann maßgeblich zum Wohlbefinden beitragen und beeinflusst das Mindset und Körpergefühl, mit dem man durch den Alltag geht.
Viele Trägerinnen finden ihre Kompression zu unbequem, vor allem an kalten und heißen Tagen. Können Sie hier Tipps geben?
An heißen Tagen und nach dem Schwimmbad kann Babypuder das Anziehen der Kompressionsstrümpfe erleichtern und Hautirritationen reduzieren. Säubere die Silikonbeschichtung des Haftbandes mehrmals am Tag, um kleine Infektionen durch den Schweiß unter dem Haftband zu vermeiden. Im Winter helfen Thermosohlen, Stricksocken, die bis zum Knie gehen, und strapazierfähige Materialien gegen die Kälte. Fingerlose Handschuhmodelle sind praktisch, da man trotz Kompressionshandschuhen flexibel bleibt. Für tiefergehende Tipps und Anleitungen empfehle ich, in meinem Buch nachzuschlagen, in dem man weitere hilfreiche Ratschläge zum Selbstmanagement findet.
Wie kann man Kompression modisch schön gestalten?
Um Kompression modisch zu gestalten, empfehle ich, auf Passformen und Schnitte, die zu der eigenen Körperform passen, wie Kimono-Ärmel oder weite oder weiche Hosen, zurückzugreifen. Es ist auch hilfreich, den Figur- und Farbtyp zu kennen, um intuitiv Kleidung zu wählen, die einem wirklich gefällt und steht. Wer nicht auf farbige Kompression verzichten möchte, jedoch Angst hat, den ganzen Kleiderschrank darauf abzustimmen (was übrigens gar nicht wirklich notwendig ist), dann kann man die meisten Casual-Looks auch mit Accessoires in der Farbe der Kompression perfektionieren. Es braucht manchmal nur den passenden Nagellack und schon wirkt ein Outfit ganz anders und vor allem durchdacht.
Sie führen heute einen erfolgreichen Blog zu diesem Thema, inzwischen sogar beruflich. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Meine Reise zur Healthfluencerin und zum Blog begann als eine Art Selbsttherapie, als ich anfing, mich modisch passend zu meiner Kompression zu kleiden. Dies half mir, mit meiner Diagnose umzugehen und stärkte mein Selbstbewusstsein. Der Blog „Lipödem Mode“ war mein Start in die Öffentlichkeit, um meine Erfahrungen und Erkenntnisse zu teilen und anderen Betroffenen Mut zu machen. Mir ist es das wichtigste Anliegen, im Gegensatz zu Social Media alle Inhalte googlebar zu machen. Mein Engagement geht über den Blog hinaus – ich halte Vorträge, teile Wissen und Lebensfreude und betreibe einen Podcast. Ziel ist es, Bewusstsein zu schaffen und eine unterstützende Gemeinschaft aufzubauen.
Bekommen Sie viele Nachrichten von anderen Frauen?
Ich bekomme tagtäglich viele Nachrichten, da die Sorgen und Nöte von Betroffenen oft sehr individuell sind und daher auch sehr persönliche Hilfe von mir ersucht wird. Mal sind es Tipps zu einem Problem, auf das sie keine Antwort finden, mal ist es die Suche nach einem professionellen Sanitätshaus oder einem Arzt, der sie ernst nimmt.
Finden Sie, dass das Thema immer noch ein Tabu ist?
Das Thema Lipödem bleibt oft ein Tabu, was zu Verunsicherung und mangelndem Verständnis führt. Die Enttabuisierung des Lipödems erfordert ein offenes Gespräch, insbesondere mit medizinischen Fachkräften, um das Bewusstsein und die Diagnosefähigkeit zu steigern. Patienten sind nicht verpflichtet, ihre Diagnose zu teilen und können selbst entscheiden, was sie preisgeben möchten. Durch sachliche Erklärungen bei Anfragen zur Kompression kann effektiv aufgeklärt werden, ohne unangenehme Situationen zu schaffen. Diese Strategie trägt dazu bei, das Wissen über Lipödem zu erweitern und fördert somit die Akzeptanz und das Verständnis für die Krankheit.
Welche Tipps würden Sie anderen Betroffenen geben?
Ich habe ja quasi schon ein ganzes Buch mit vielen Tipps und Ratschlägen verfasst, daher könnte ich hier stundenlang weiterreden.
Ein Tipp zum Beispiel speziell für das Reisen ist: Wenn man die Kompressionen im Urlaub waschen muss, hilft es, wenn man die nasse Kompression in ein Handtuch rollt und sich dann mit den Knien daraufsetzt, dann geht das Wasser schneller raus und sie trocknen besser.
Allgemein sollte man sich jeden Tag dazu entscheiden, glücklich zu sein. Denn Glück ist eine bewusste Entscheidung und es kommt nicht von alleine, sondern man muss dafür arbeiten.