Beim Wandern, Mountainbiken oder Skifahren in größeren Höhen können Ungeübte schnell üble Begleiterscheinungen bekommen. Anzeichen einer Höhenkrankheit sind Kopfschmerzen, Atemnot und Sehstörungen. Dr. Peter Paal gibt Tipps für Urlauber mit Sehnsucht nach guter Bergluft.
Herr Dr. Paal, was passiert bei Sauerstoffmangel im Körper?
Grundsätzlich würden die Zellen bei Sauerstoffmangel zu Schaden kommen. Wir haben einen Funktions- und einen Strukturstoffwechsel. Durch die Anpassungsprozesse schaffen wir es, in größeren Höhen den Sauerstoffmangel auszugleichen, sodass es auf Zellebene keine Rolle mehr spielt und unser Stoffwechsel intakt erhalten bleibt. Wenn es zu Fehlfunktionen kommt, sprechen wir von der Höhenkrankheit und schwerwiegenderen Begleiterkrankungen wie Hirn- oder Lungenödem. Für den menschlichen Körper ist es ab circa 5.500 Höhenmetern nicht mehr möglich, sich langfristig anzupassen, ohne dass der Körper physiologisch Schaden nimmt.
Wie können wir verhindern, höhenkrank zu werden?
Durch zu schnelles Aufsteigen werden viele Wanderinnen und Wanderer krank. Es trifft vor allem junge und fitte Menschen. Sie steigen zu schnell auf, da sie einfach mehr Kraft haben und im Vergleich zu Älteren weniger Erfahrung. Auch, wenn Ältere oder Menschen mit Atemwegserkrankungen generell mehr Zeit zur Anpassung benötigen, haben sie doch die Erfahrung oder Vorsicht, die sie zu einem langsameren Tempo führt. Neben dem Aufsteigen kann die Höhenkrankheit auch geballt durch das Fliegen oder das Nutzen von Seilbahnen auf exponierte Höhen eintreten. Allgemeine Symptome sind erst einmal schlechter Schlaf, Kopfschmerzen, wenig Appetit am nächsten Morgen und leichte Atemnot. In höheren Lagen können die Kopfschmerzen schnell massiv werden und Wassereinlagerungen im Körper entstehen. Wenn dann noch Gangunsicherheit, Sehstörung, Atemnot und Übelkeit hinzukommen, können das Anzeichen für potenziell tödliche Hirn- oder Lungenödeme sein. Da sollte schnell abgestiegen oder Hilfe geholt werden.
Ab welcher Höhe können Anzeichen der Höhenkrankheit auftreten?
Das ist sehr individuell. Milde Fälle sind schon bei Personen zu beobachten, die aus dem Flachland wie Hamburg oder Köln für eine Tagestour auf 2.000 Höhenmeter aufsteigen und über Nacht auf einer Hütte bleiben. Milde Formen der Höhenkrankheit sind leichter: wenig erholsamer Schlaf, geringer Appetit und körperliche Abgeschlagenheit. Die Symptome gehen in der Regel wieder weg, sobald man absteigt, sodass es für uns Mediziner nicht alarmierend ist. Generell geht es irgendwo zwischen 2.500 und 3.500 Höhenmeter los, dass es auch gefährlich werden kann. Solche Fälle sehen wir am häufigsten in den Westalpen. Eine erfolgreiche Anpassung bedeutet, dass man circa 300 bis 400 Höhenmeter am Tag aufsteigt und dies angepasst an den eigenen Gesundheitszustand. Es ist ratsam, vorher einen Check-up beim Sportmediziner durchzuführen. Denn auch genetische Faktoren bedingen Symptome, die wir ohne Untersuchung nicht wissen können.
Kopfschmerzen treten bei vielen Wanderinnen und Wanderern vor allem im Sommer durch andere Faktoren auf. Lässt sich die Art der Kopfschmerzen unterscheiden?
Einen Unterschied kann man nicht mit Sicherheit ausmachen, doch werden die Kopfschmerzen als drückend frontal und seitlich an den Schläfen beschrieben. Ein weiteres Warnzeichen ist es, wenn die Kopfschmerzen über Nacht noch stärker geworden sind und Sehstörungen, Gangunsicherheit und Bewusstseinsstörungen auftreten.
Wie können sich Sportlerinnen und Sportler aus dem Flachland auf eine Tagestour vorbereiten?
Natürlich helfen hier die körperliche Fitness und das angepasste Aufsteigen. Von null auf 5.000 empfiehlt sich nicht. Es sollte auch nicht an Zeit gespart werden, die der Körper zur Anpassung braucht. Auch bei wenig Erfahrung oder schwer einzuschätzendem Terrain sollte ein Tourguide hinzugenommen werden, um auch ein sicheres Erleben und Freude am Berg zu haben. Für erfahrene Bergsteigerinnen und Bergsteiger ist Höhentraining leicht umzusetzen nach dem Motto „Train high, sleep low“. Bei größeren Touren außerhalb Europas, zum Beispiel am Kilimandscharo, sollte man besonders auf seriöse Anbieter setzen und immer im Hinterkopf haben, dass dort die Rettung nicht so schnell stattfinden kann. Eine gute Höhenadaption entscheidet darüber, ob wir Freude am Berg haben und die Zeit genießen können.
Die neuesten Trends sind das Mountainbiken oder E-Mountainbiken in den Bergen. Verändern sich da die Vorzeichen und Grenzen?
Das Mountainbiken hat in erster Linie andere Risikofaktoren. Auch hier rate ich zu einem Tourguide, wenn die Erfahrung noch nicht vorhanden ist. Beim E-Mountainbiken sehe ich erst einmal den positiven Effekt, dass auch ältere Menschen oder Menschen mit weniger Fitness weiterkommen und sie dadurch mehr Freude an Bewegung haben.
Im Netz werden E-Bike-Touren im Hochgebirge als spektakulär und anspruchsvoll mit insgesamt 10.000 Höhenmetern oder mehr bezeichnet. Wünschen Sie sich dort Hinweise für die Gesundheit und Sicherheit der Sportlerinnen und Sportler?
Es wäre schon viel gewonnen, wenn auch kleinere Touren so beworben werden. Viele müssen sich an die E-Bikes gewöhnen, sich selbst einschätzen lernen und da sollten gleichermaßen leichte, mittlere oder schwere Touren zu finden sein. Viele Touren haben felsige Trails und andere herausfordernde Passagen, da ist nicht nur die körperliche Fitness gefragt, sondern vor allem technisches Können. Wenig Erfahrung macht unsicher, erhöht die Sturzgefahr, und Überforderung macht einfach keinen Spaß. Auch hier sind Tourguides eine gute Sache, die für ein gutes Gruppenerlebnis sorgen.
Viele Menschen mit Vorerkrankungen gehen auch in die Berge. Sie sind beispielweise herzkrank oder haben Asthma. Wie können sie optimal vorbereitet aufsteigen?
Wenn Sie gut eingestellt sind, sollte das in der Regel bis in die mittleren Höhen kein Problem sein. Hilfreich sind da zum Beispiel eine Pulsuhr oder Smart Watches. Asthmatiker tun sich in der Höhe auch manchmal leichter, weil weniger Allergene vorhanden sind. Wichtig ist, dass man sich selbst gut kennt und die Belastung den eigenen Möglichkeiten anpasst und die Therapie weiterhin einnimmt. Generell ist der Höhenaufenthalt bis 2.500 Höhenmeter gut möglich. In den Bergen zu sein, ist in der Regel gut für unseren Körper. Der Blutdruck sinkt, die Körperfettmasse nimmt ab und wir fühlen uns im Kopf und Körper einfach besser. Es ist ein bisschen so wie eine Jungbrunnenkur, wenn wir uns bis in die mittleren Höhen bewegen.
Manchmal ist es einfach schlechtes Timing, und man geht doch mit einem Infekt in die Berge. Wie überzeugen Sie uns, zu Hause zu bleiben?
(lacht) Ein Infekt kann sich immer verschlimmern, und im Nachhinein fällt man sicherlich länger aus. Auch können Laien nicht voraussehen, ob nicht durch die Anstrengung mit Infekt eine Herzmuskelentzündung im Anschluss folgen wird. Für größere Touren sind immer Reiserücktrittsversicherungen zu empfehlen. Schlussendlich ist es nicht gut für die Gruppe krank mitzugehen, das ist schon sehr egoistisch gedacht. Die Gruppe kann mitunter dadurch in Gefahren geraten, die bei nur gesunden Teilnehmenden nicht entstanden wären.
Wir machen es unseren Freunden und uns auch einfach leichter, wenn wir gemeinsam fit in die Berge gehen und keine anderen Dinge im Kopf haben, richtig?
Ja, auch ist eine gute Work-Life-Balance sehr wichtig. Der „Weekend Warrior“, der unter der Woche täglich zehn bis zwölf Stunden arbeitet und am Wochenende noch in den Bergen auf Hochleistung unterwegs ist, führt keine gesunde Lebensweise. Da sehen wir, dass dies auf Dauer nicht gut ist. Viele Unfälle passieren beim Abstieg, wenn die Leute nicht mehr konzentriert sind.
In der aktuellen Statistik des österreichischen Kuratoriums für alpine Sicherheit treten vor allem Herzinfarkte beim Aufstieg auf. Wie ist das zu erklären?
Die plötzlichen Herzinfarkte entstehen bei Belastungsspitzen, also im Sommer beim Aufstieg während einer Wanderung oder dem Mountainbiken und im Wintersport beim Aufsteigen während einer Skitour oder beim Langlaufen, aber auch bei der Abfahrt beim Skifahren und Snowboarden. Durch die Belastung entsteht ein hoher Sauerstoffbedarf im Herzmuskel bei gleichzeitig zu niedrigem Sauerstoffangebot. Der hohe Blutfluss bricht Fettpolster auf, die in den Gefäßen sind. Das Fett kann dann die Gefäße verstopfen und führt zu einem Herzinfarkt und möglichen tödlichen Herzrhythmusstörungen. Als vorbeugende Maßnahme sind hier auch wieder ein gesunder Lebensstil und regelmäßige Gesundheits-Check-ups anzuraten.