Vor Kurzem glänzte sie als Oppenheimers Frau Kitty in dem fulminanten Biopic über den Vater der Atombombe. Jetzt spielt sie in der Netflix-Satire „Pain Hustlers“ eine Powerfrau auf Abwegen. Egal in welcher Rolle – Emily Blunt ist immer ein Ereignis!
Als ehrgeizige Assistentin in der „Der Teufel trägt Prada“ (2006) wurde Emily Blunt (rechts) bekannt
Alles begann mit „Der Teufel trägt Prada“ (2006). In dieser scharfsinnigen Satire über die New Yorker Modewelt spielte Emily Blunt die ehrgeizige Assistentin der zynischen Chefin eines Modemagazins, gespielt von Meryl Streep. Ihr Plan, die ahnungslose Praktikantin – gespielt von Anne Hathaway – auszustechen und mit der Chefin zur Fashion Week nach Paris zu fahren, wird leider von einer starken Erkältung zunichte gemacht. Wie es Emily Blunt – trotz roter Rotznase – gelingt, ihre Würde zu bewahren und der großen Meryl Streep Paroli zu bieten, ist immer noch ein Highlight des Films. Emily Blunt erinnert sich: „In ‚Der Teufel trägt Prada‘ an der Seite von Meryl Streep spielen zu dürfen war für mich eine echte Feuertaufe. Zu Beginn der Dreharbeiten war ich wahnsinnig aufgeregt. Ich hatte zwar schon in meiner Heimat England in ein paar Fernsehfilmen und Miniserien mitgespielt, aber noch nie in einer großen Hollywood-Produktion mit Starbesetzung. Zum Glück habe ich meine Nervosität in den Griff bekommen und alles wurde gut. Und als Meryl mich dann auch noch vor allen lobte, bin ich vor Scham fast in den Boden versunken. Ich kenne keine Schauspielerin in meinem Alter, die Meryl nicht bewundert und verehrt.“ Diese Rolle, für die Emily Blunt auch als beste Nebendarstellerin für den Golden Globe nominiert wurde, war für die damals 23-jährige Britin die Eintrittskarte nach Hollywood.
„Ich war nie nur die Freundin des Helden“
Emily Blunt nutzte die Gunst der Stunde und spielte in den nächsten zehn Jahren in Hollywood-Filmen an der Seite großer Stars wie Tom Hanks und Julia Roberts („Der Krieg des Charlie Wilson“), Anthony Hopkins („Wolfman“), Benicio Del Toro („Sicario“), Ewan McGregor („Lachsfischen im Jemen“), Matt Damon („Der Plan“) und Tom Cruise („Edge of Tomorrow“). „Ich hatte das große Glück, dass ich in sehr unterschiedlichen Filmen immer wieder neue Frauenfiguren darstellen konnte. Das hat mich davor bewahrt, in eine bestimmt Schublade gesteckt zu werden. Ich war also nie nur die Freundin des männlichen Helden, sondern konnte – gerade bei Actionfilmen – auch immer sehr nachdrücklich mitmischen. Das war eine tolle Filmschule! Ich habe dabei sehr viel gelernt.“
Ihren großen Erfolg hat sich Emily Blunt durch harte Arbeit und eiserne Disziplin ermöglicht – und hatte, wie sie selbst sagt, auch großes Glück mit ihren Filmpartnern: „Ich bin damals ja sehr schnell von London nach Los Angeles gezogen, um dort zu leben und Filme zu machen. Anfangs habe ich schon etwas gefremdelt. Aber dann habe ich schnell Kollegen gefunden, die mich sehr herzlich aufgenommen haben. Mit Anne Hathaway, die ich in ‚Der Teufel trägt Prada‘ ja bis aufs Blut quälen durfte, bin ich zum Beispiel eng befreundet. Und ich kenne niemanden, der Benicio del Toro nicht in sein Herz schließt. Anthony Hopkins war wie ein Vater zu mir. Und Tom Cruise schickt mir heute noch jede Weihnachten einen Kuchen“, meint sie lachend.
Die Tochter eines Anwalts und einer Lehrerin wurde 1983 in London geboren und wuchs zusammen mit drei Geschwistern auch dort auf. Sie ging auf eine kleine, aber feine Privatschule, war ein lebenslustiges Mädchen, das sich fürs Ballett und Cello-Spielen interessierte. Aber sie hatte ein Handicap: Sie stotterte. Emily Blunt erinnert sich: „Ja, ich habe gestottert – und wie! Dabei war ich alles andere als zurückgeblieben. Im Gegenteil. Ich hatte so viele Gedanken in meinem Kopf, die ich der Welt unbedingt mitteilen wollte. Und vor lauter Aufregung habe ich dann gestottert. Das ging so, bis ich zwölf war. Da hat mir eine Lehrerin geraten, ich sollte doch beim Sprechen so tun, als wäre ich eine andere Person mit einer anderen Stimme. Das hat tatsächlich gewirkt – und mein Stottern verschwand.“
Ob das der Kick war, den sie brauchte, um sich für die Schauspielerei zu interessieren? „Darauf will ich mich nicht festlegen, unterbewusst vielleicht. Aber die Entscheidung, mit der Schauspielerei mein Geld zu verdienen, kam langsam und viel später. Und hatte sehr viel mit Glück zu tun.“ Glück war auch im Spiel, als sie noch während ihrer Schulzeit mit 17 Jahren von einem Agenten entdeckt wurde. Ihr Debüt als Schauspielerin gab sie dann mit 18 Jahren in dem Theaterstück „The Royal Family“ an der Seite von Judi Dench.
Esprit gepaart mit schwarzem Humor
Heute, mit 40 Jahren, ist Emily Blunt der größte britische Filmstar ihrer Generation. Längst hat sie Kolleginnen wie Keira Knightley oder Carey Mulligan hinter sich gelassen und ist in die Fußstampfen von Kate Winslet oder Rachel Weisz getreten. „Wenn ich zurückblicke, kommt es mir manchmal vor wie ein Traum. Ich habe mir zwar immer gewünscht, dass ich von der Schauspielerei leben kann, aber dass meine Karriere so schnell so viel Fahrt aufgenommen hat – und das ausgerechnet in Hollywood! –, da muss ich mich schon manchmal selber kneifen, ob ich das nicht alles träume.“ Nach einer längeren Beziehung mit dem kanadischen Sänger Michael Bublé hat sie in Hollywood auch ihr privates Glück gefunden. Seit 2010 ist sie mit dem amerikanischen Schauspieler John Krasinski verheiratet. „John ist ein ganz wunderbarer Mann, der mich immer wieder aufs Neue zu überraschen versteht. Wir haben dieselbe Art von Humor und passen auch sonst sehr gut zueinander“, schwärmt sie. Das Paar hat zwei Töchter: Hazel, 9 und Violet, 7.
John Krasinski führte auch bei dem Horrorfilm „A quiet place 1+2“ (2018/2020) Regie, einem gemeinsamen Projekt, das sie mit viel Herzblut und wenig Geld auf die Beine stellten. John und Emily spielten außerdem auch die Hauptrollen. In den vergangenen Monaten hat sich Emily Blunt ganz bewusst, nicht zuletzt bedingt durch die Pandemie, aus dem Filmbusiness zurückgezogen, um sich ganz ihrer Familie zu widmen. „Da bin ich in der Rolle als Mutter so richtig aufgegangen“, sagt sie, und ihre blauen Augen leuchten. „Ich habe meine Töchter morgens geweckt, ihnen Frühstück gemacht und sie zur Schule gebracht. Und wenn ich sie am Nachmittag wieder dort abholte und sah, wie sie mich plötzlich in dem ganze Gewusel erkannten und freudig auf mich zurannten, bin ich vor Glück fast geschmolzen.“
Diese Herzenswärme strahlt Emily Blunt auch im persönlichen Gespräch aus. Das hat aber nichts mit oberflächlicher Nettigkeit zu tun. Man spürt, dass man einer selbstbewussten und selbstbestimmten Frau gegenübersitzt, die, wenn sie es für angebracht hält, auch sehr scharfzüngig sein kann und einen rabenschwarzen Humor aufblitzen lässt. „Emily ist von einer beeindruckenden Präsenz. Sie ist intelligent und voller Esprit. Was will man als Regisseur mehr?“, meint ihr Landsmann Christopher Nolan. Der holte Emily Blunt Anfang des Jahres für seinen Film „Oppenheimer“ wieder vor die Kamera. Ein echter Gewinn für den Film. Denn sie spielt Oppenheimers Frau Kitty als faszinierend starke Frau, nonkonformistisch, exzentrisch und immer mit einem Martini-Cocktail in der Hand. Eine Oscarnominierung als beste Nebendarstellerin dürfte ihr so gut wie sicher sein. „Kitty war ja selbst eine Wissenschaftlerin und hat ihren brillanten Geist nicht am Bügelbrett verkommen lassen. Allerdings war sie eine schreckliche Mutter und Hausfrau. Diese Rolle hat mich total aus meiner persönlichen Komfortzone herausgeholt. Und für solche Herausforderungen bin ich immer sehr dankbar.“
„Dann verschieben sich die Prioritäten“
Auch in ihrem aktuellen Film „Pain Hustlers“ (zu sehen bei Netflix) spielt Emily Blunt eine Powerfrau, freischwebend zwischen Erin Brockovich und Leonardo DiCaprio als Einpeitscher in „The Wolf of Wall Street“. Sie ist Liza, die sich mehr schlecht als recht in einer Tabledance-Bar über Wasser hält. Dort begegnet sie dem windigen Pharma-Vertreter Pete (Chris Evans), der für die Firma des Billionärs Jack Peel (Andy Garcia) arbeitet, die allerdings kurz vor der Pleite steht. Liza und Pete kommen ins Gespräch und finden sich sympathisch. Als Pete ihr den Vorschlag macht, es doch einmal als Pharmavertreterin zu versuchen, sagt die alleinerziehende Mutter, die längst keinen Bock mehr darauf hat, sich an der Stange zu räkeln, kurzerhand zu. Und zur absoluten Überraschung aller hat Liz tatsächlich großen Erfolg damit, ein bestimmtes Schmerzmittel an den Mann beziehungsweise an die Ärzte zu bringen. Bald scheffeln alle Beteiligten Millionen. Allerdings hat die Wunderpille gewisse Nebenwirkungen. Diese äußerst unterhaltsame Satire nimmt einmal mehr die in den USA grassierende Opioid-Krise aufs Korn. Und schließt an Serien wie „Dopesick“ und „Painkiller“ an. Das große Plus von „Pain Hustlers“ (der Film basiert auf dem echten Fall des Pharma-Unternehmens Insys) ist die fantastische Besetzung. Wie Chris Evans und Emily Blunt sich die Bälle zuwerfen, ist wirklich eine Schau.
Auch in Zukunft will Emily Blunt ihr Berufs- und Privatleben weiterhin so gut parallel laufen lassen. „Wenn man älter wird, verschieben sich die Prioritäten ganz einfach zugunsten der Privatsphäre. Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht auch künftig voll und ganz für Projekte einsetze, die ich für wichtig halte. Und das ist gar nicht mal so schwer. Denn John und ich sind schon lange ein eingespieltes Team. Wir unterstützen uns gegenseitig, wo wir nur können.“ Darauf angesprochen, wie sie sich für Familie und Beruf fit hält, meint sie lächelnd: „Natürlich ist es in meinem Beruf wichtig, dass ich ganz passabel aussehe. Ich habe einen Personal Trainer, mit dem ich dreimal die Woche diverse Übungen mache. Außerdem mache ich auch noch Yoga und Pilates. Und natürlich achte ich, schon der Kinder wegen, auch auf gesunde Ernährung. Aber man sollte es nicht übertreiben. Wenn mir mal danach ist, einen Cheeseburger mit Pommes zu essen, oder mal einen Cocktail zu viel zu trinken, dann tue ich das mit Wonne und ohne schlechtes Gewissen. Denn das gehört doch auch zu den Freuden des Lebens!“