Die Diskussion über ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD hat nach den jüngsten Veröffentlichungen über Treffen und Pläne der Partei Fahrt aufgenommen. Der Weg ist mühsam und langwierig, der Ausgang ungewiss.
Dass zumindest Teile der AfD „gesichert rechtsextrem“ sind, haben Verfassungsämter für drei ostdeutsche Landesverbände und Landesverbände der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ bereits festgestellt. Gleichzeitig sehen Umfragen die AfD im Osten weit vor allen anderen Parteien, mit Zustimmung von über dreißig Prozent. Dass die Partei wenig von Demokratie, Menschenwürde und anderen Grundrechten hält, scheint ihre Anhänger ebenso wenig zu stören wie die Tatsache, dass typische Wähler der Partei die größten Nachteile erleiden würden, wenn die AfD ihr Programm umsetzen könnte.
Gefährdung der Demokratie
Bereits im vergangenen Jahr hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW das Wahlprogramm der AfD mit den Interessen ihrer Wähler verglichen. „Würde sich die AfD-Politik durchsetzen, käme es zu einer Umverteilung von Einkommen und sozialen Leistungen von AfD-Wähler*innen hin zu den Wähler*innen anderer Parteien“, schreibt das DIW in seiner Studie. So lehnt die Partei die Erhöhung des Bürgergelds ab und fordert die Abschaffung von Subventionen. Zusammen mit Union und FDP hat sie im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages auch gegen die Steuerermäßigungen für Agrardiesel gestimmt. Jetzt protestiert sie in angeblicher Solidarität mit den Bauern dagegen.
Auf der Internetseite afd-verbot.de hat die Künstlergruppe „Zentrum für politische Schönheit“ mehr als 2.000 Belege für die verfassungs- und demokratiefeindliche Haltung der AfD, ihrer Funktionäre und vieler ihrer Anhänger gesammelt. Zitiert sind dort Äußerungen wie „Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote, Frauen, Kinder, mir egal…“ oder „Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer im Land, dass sich ein Holocaust mal wieder lohnen würde.“
Vor diesem Hintergrund und zusätzlich den jüngsten Recherchen zu einem Treffen, bei dem es um sogenannte „Re-Migrationspläne“ ging, wird die Forderung nach einem Verbotsverfahren immer drängender.
Nur das Bundesverfassungsgericht darf feststellen, dass eine Partei verfassungswidrig ist. Erst dann ist sie verboten. Verfassungswidrig ist eine Partei, wenn sie „nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.“ So steht es in Artikel 21 des Grundgesetzes.
Bisher hat das Bundesverfassungsgericht zwei Parteien verboten: 1956 die Kommunistische Partei KPD und 1952 die „Sozialistische Reichspartei“. Der Versuch, die NPD zu verbieten, ist zweimal gescheitert.
2017 stellte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zwar fest, dass die „NPD ein auf Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept vertritt“. Aber die Partei sei zu unbedeutend, als dass sie eine Chance auf Verwirklichung ihrer Pläne hätte. Das sieht bei der AfD aktuellen Umfragen vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Herbst zufolge deutlich anders aus.
Inhaltlich hat das BVerfG in mehreren Urteilen hohe Anforderungen an ein Parteiverbot aufgestellt. Es reiche nicht, dass die Partei Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und andere Elemente der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ ablehne. Verboten werden dürfe sie nur, wenn sie diese Ordnung nachweislich aktiv bekämpfe und dabei auch erfolgreich sein könne. Weniger streng sind die Anforderungen nach Artikel 21 Absatz 3 Grundgesetz. Nach dieser Regel bekommt eine Partei keine staatlichen Zuschüsse, wenn sie „nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen“. Spenden an solche Parteien kann man nach einer entsprechenden Feststellung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr von der Steuer absetzen.
Die AfD erkennt die Grundrechte nur für Menschen an, die sie nach ihrem völkischen Weltbild als „deutsch“ akzeptiert. Zuwanderer lehnt sie ab. Das Deutsche Institut für Menschenrechte nimmt in einem Rechtsgutachten deshalb an, dass das Bundesverfassungsgericht die AfD nach einem entsprechenden Antrag verbieten würde.
Verwirkung von Grundrechten
Neben diesen Verfahren können Bundesrat, Bundestag oder Bundesregierung nach Artikel 18 des Grundgesetzes beim Bundesverfassungsgericht die „Grundrechtsverwirkung“ beantragen. Das Gericht kann feststellen, dass eine Person Grundrechte, die sie „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht“ hat, verwirkt.
So fordert aktuell eine Petition der Bürgerrechtsorganisation Campact, dass Björn Höcke einige Grundrechte zumindest vorübergehend entzogen werden. Höcke führt den offiziell aufgelösten „Flügel“ und den Landesverband Thüringen der AfD. Diesen hat der Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass Höcke wegen seiner ultrarechten Propaganda zum Beispiel die Wählbarkeit und die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter verliert, dürfte er nicht mehr auf Wahllisten kandidieren.
Politisch gibt es Argumente für und gegen ein AfD-Verbot (s. Info-Kasten). Formal ist das Verfahren klar geregelt: Bundesrat, Bundesregierung oder Bundestag stellen beim Bundesverfassungsgericht einen Verbotsantrag, das Gericht prüft den Antrag auf Zulässigkeit und „hinreichende Begründung“. Nach einer mündlichen Verhandlung entscheidet das Oberste Gericht. Notwendig ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit des entscheidenden Senats. Falls festgestellt, dass die Partei verfassungswidrig ist, wird diese aufgelöst und ihr Vermögen eingezogen, Die Weiterführung oder Neugründung einer so verbotenen Partei steht unter Strafe. Abgeordnete dieser Partei verlieren ihr Mandat.