Die Filmemacherin Sofia Coppola spricht mit uns über Elvis und Priscilla, das Aufwachsen im „Goldenen Käfig“, wie sie ihre eigene Handschrift gefunden hat und über Graceland als Sehnsuchtsort.

Mrs. Sofia Coppola, wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Memoiren von Priscilla Presley zu verfilmen?
Ein Freund von mir hat mir ihr Buch „Elvis & Me“ empfohlen. Als ich während der Corona-Pandemie Covid hatte und für längere Zeit von der Welt isoliert war, hatte ich ja viel Zeit zu lesen. Das Buch ist zwar schon 1985 erschienen, doch damals nicht so richtig beachtet worden. Aber mich hat es sofort gepackt. Priscilla hatte für mich immer das Image einer Frau, die den glamourösen und perfekten amerikanischen Lebensstil verkörperte. Ich war sehr überrascht und tief bewegt davon, welche Kämpfe sie an der Seite von Elvis ausfechten musste und wie sie sich schließlich aus dem goldenen Käfig selbst befreit hat. Das hat mich wirklich sehr fasziniert.
Priscilla hatte Elvis Ende der 1950er-Jahre in Deutschland kennengelernt, wo ihr Stiefvater als US-Luftwaffenoffizier zusammen mit seiner Familie stationiert war und Elvis seinen Wehrdienst ableistete. Da war sie gerade einmal 14 – und Elvis zehn Jahre älter als sie und schon ein Superstar …
… und natürlich war der Backfisch Priscilla von seinem Charme und Charisma extrem beeindruckt. Mit ihm erlebte sie ihre erste große Liebe. Später, als sie auf die High-School ging, hat er sie regelmäßig zu sich auf sein Anwesen Graceland in Memphis eingeladen, wo die wildesten Partys stattfanden. Man kann also sagen, dass Priscilla in einem sehr seltsamen Umfeld zur Frau gereift ist. Und auch das konnte ich absolut nachfühlen.
Sie spielen darauf an, dass Sie sich als kleine Tochter des großen Regisseurs Francis Ford Coppola mitunter am Set von „Apocalypse Now“ auf den Philippinen wiederfanden?
(Lacht) Ja, auch. Und es stimmt schon, dass auch ich in einem sehr außergewöhnlichen Umfeld aufgewachsen bin. Ich bin als Kind viel mit meinen Eltern herumgereist. Wir hatten auch oft sehr illustre Gäste aus Hollywood oder der Musikszene zu Gast. Aber trotzdem kann man meine Lebensgeschichte nicht mit der von Priscilla vergleichen. Ich bin ganz sicher nicht – wie sie – in einem goldenen Käfig aufgewachsen.
Sie haben aus „Priscilla“ kein Biopic gemacht, sondern haben eine Coming-of-Age-Story mit Einblicken in eine oft sehr toxische Beziehung verbunden. Fiel es Ihnen schwer, das richtig zu gewichten?
Ich musste da natürlich sehr behutsam vorgehen. Aber mich hat schon immer interessiert, wie sich Männer eine Trophy-Frau an die Seite stellen und sie dann sehr seltsam behandeln – oder gar zu unterdrücken versuchen. Auch deshalb war ich sehr beeindruckt von Priscillas Stärke und Durchsetzungsvermögen. Sie hat Elvis mit 21 Jahren geheiratet und sich mit 27 Jahren scheiden lassen. Und zwar von einem sehr mächtigen und einflussreichen Mann, ohne selbst ein Einkommen zu haben. Und das in den frühen 70er-Jahren. Das war damals alles andere als einfach.

Sie haben bei dem Film sehr eng mit Priscilla Presley zusammengearbeitet. Sicher um die Fakten, die Stimmung und die Looks richtig einordnen zu können. Aber hat Sie so viel Nähe nicht auch in Ihrer kreativen Arbeit beschnitten?
Es war schon ein schmaler Grat, auf dem ich mich da bewegt habe. Einerseits wollte ich natürlich meine Sicht der Dinge, meine Vision erzählen. Andererseits fühlte ich auch eine große Verantwortung gegenüber Priscilla. Es war mir sehr wichtig, ihre Geschichte stimmig und authentisch zu erzählen. Sie hat mir aber viel Freiraum gegeben, das zu machen, was ich wollte und wie ich wollte. Sie sagte mir zu Beginn unserer Zusammenarbeit, wie sehr sie meine Arbeit respektiert und mir absolut vertraut, dass ich ihre Geschichte mit der richtigen Sensibilität erzählen würde. Als sie dann den fertigen Film sah, war sie sehr bewegt und sagte, dass ich genau den richtigen Ton getroffen hätte. Da war ich natürlich sehr erleichtert.
Eine Stärke des Films ist, dass Sie sich mit Ihrer persönlichen Wertung zurückhalten. So können sich die Zuschauer selbst eine Meinung bilden. Aber haben Sie sich nicht doch ein bisschen davor gedrückt, die dunkle Seite von Elvis mehr herauszustellen?
Der Film hätte sicher viel dunkler sein können. Aber ich glaube, er zeigt schon auch die dunklen Seiten von Elvis – und zwar in dem Maße, in dem sie für die Geschichte wichtig und relevant sind. Ich wollte ihn sicher nicht zum Buhmann machen. Ich habe versucht, diese ganz spezielle Ambiguität den ganzen Film über in der Schwebe zu halten. Damit sich jeder Zuschauer selbst einen Reim darauf machen kann. Um nichts in der Welt würde ich verraten, was ich denke. Abgesehen davon lag mein Fokus ja immer auf Priscillas Sicht der Dinge, wie sie die Beziehung zu Elvis erlebt und empfunden hat. Ich habe die Geschichte also durch ihre Augen erzählt. Und Priscilla sagte mir immer wieder, dass sie Elvis sehr geliebt hat. Elvis war die große Liebe ihres Lebens.
Ihre Filme haben immer eine ganz besondere Ästhetik. Steht der Look des Films am Anfang Ihrer Überlegungen? Oder der Ton? Wie konzipieren Sie denn Ihre Filme?
Ich komme ja von der Fotografie und bin schon deshalb sehr offen für Images und Bilder. Die Bildhaftigkeit, die visuelle Form eines Films ist mir also sehr wichtig. Darüber mache ich mir immer sehr viele Gedanken bei der Vorbereitung. Wie soll der Film aussehen? Welche Farben benutze ich, welche Atmosphäre, welche Emotionen will ich erzeugen? Außerdem ist mir auch die Musik, die ich im Film verwende, immer sehr wichtig. Die Ästhetik eines Films ist für mich also der Dreh- und Angelpunkt. Das alles hilft mir enorm dabei, die Geschichte so authentisch wie möglich zu erzählen.
Sie haben sehr früh Ihren eigenen, oft sehr intim wirkenden Stil gefunden. Liegt das in Ihrem Wesen begründet?

Ich glaube schon. Es war mir sehr wichtig, sehr schnell eine eigene Handschrift zu haben. Und die formt ja bekanntlich das Leben. Ich war immer offen für andere Menschen und Dinge und habe mich dadurch sicher auch beeinflussen lassen. Außerdem habe ich schon immer sehr viel gelesen, Musik gehört und mich für Kunst interessiert. Auch das viele Reisen – zuerst im Schlepptau meiner Eltern und dann alleine oder mit Freunden – hat mich sicher sehr geprägt.
Was ist denn Ihre seelische Grundtönung?
Süße Melancholie. Ich glaube, ich bin gern melancholisch. Und ich bin sehr schüchtern. Ich öffne mich nur sehr engen Freunden wirklich.
Woher rührt denn Ihre Melancholie?
Vielleicht weil ich weiß, dass alles einmal ein Ende hat. Nichts ist ewig. Ein Beispiel: Meine Mutter hat einen wunderschönen Garten, in dem ich mich sehr gerne aufhalte. Aber auch da verblühen Blumen und Pflanzen beginnen zu welken…
Beschreiben Sie sich bitte als Regisseurin.
Ich komme extrem gut vorbereitet ans Set und freue mich auf die Zusammenarbeit mit Cast und Crew. Mir ist wichtig, dass die Atmosphäre sehr herzlich ist. Ich bin jemand, der beim Drehen nie herumschreit, denn das würde das Betriebsklima sehr schnell vergiften. Ich versuche auch, nie in Hektik zu verfallen. Mir liegt sehr viel daran, dass sich alle am Set wohlfühlen, besonders die Schauspieler. Denn die sollen ja den ganzen Dreh über offen, verletzbar und sensibel bleiben, weil das ihrem Spiel zugutekommt.

Sie haben ein besonderes Händchen dafür, junge Schauspielerinnen anzuleiten. Und etwas ganz Besonderes aus ihnen herauszuholen, was sie in anderen Filmen noch nicht zeigen konnten. Wie zum Beispiel bei Kirsten Dunst, Scarlett Johansson, Elle Fanning und jetzt bei Cailee Spaeny, die Priscilla spielt.
Ich habe sehr lange nach der geeigneten Schauspielerin für diese Rolle gesucht. Immerhin musste sie Priscilla im Alter von 14 bis 28 Jahren darstellen. Und Cailee hat diese Aufgabe ganz fantastisch gemeistert. Das war wirklich eine sehr große Herausforderung für sie. Denn da wir einen sehr engen Drehplan einzuhalten hatten, musste Cailee am Vormittag als 14-Jährige die Schulbank drücken und sich am Nachmittag, als inzwischen verheiratete Ehefrau, mit Elvis auf dem Doppelbett räkeln. Ihr Zusammenspiel mit Jacob Elrodi als Elvis hatte wirklich etwas Magisches. Keine Frage: Es ist Cailee, die den Film trägt. Auch die echte Priscilla war von ihr ganz und gar begeistert.
Sie haben mal gesagt, dass Sie Arthouse-Movies für Teenager machen wollen. War das schon von Anfang an Ihr Plan, als Sie mit dem Filmemachen begonnen haben?
Ja, das war es wirklich, das mich als junge Frau dazu antrieb, Filme zu machen. Ich wollte Filme mit Qualität und Inhalt machen, mit lebensechten Figuren, die etwas zu erzählen hatten, etwas, das uns alle und vielleicht gerade auch junge Menschen angeht. Ich wollte tiefgründige und schöne Filme machen. Im Gegensatz zu diesen billigen, hirnlosen Teenie-Komödien. Und ich mochte schon immer Geschichten, die von außen wie ein Traum aussehen und von innen die krude Realität zeigen.
So wie zum Beispiel Graceland …
… das von außen – vor allem in den 60er Jahren – wie das Paradies aussah. Das war der mythische Sehnsuchtsort einer ganzen Generation. Aber was dort hinter den Mauern ablief war eine ganz andere Geschichte …