Steigende Mieten, zu wenige Wohnungen – das hat nicht nur Auswirkungen auf den Geldbeutel der Menschen, sondern auch auf den Staatssäckel. Das Bauministerium will nun mit einer Zinsverbilligung nachsteuern.

Die Ampel sprach von 400.000 Wohnungen pro Jahr, 100.000 davon Sozialwohnungen. Laut Statistischem Bundesamt wurden bis November 2023 jedoch nur 238.500 Baugenehmigungen deutschlandweit erteilt, ein Rückgang von 25,9 Prozent verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Alarmierende Zahlen, die vor allem Menschen mit geringem Einkommen treffen: Es fehlt immer mehr bezahlbarer Wohnraum.
Bis 2030 fehlen zwei Millionen Wohnungen
Ein Bündnis aus Mieterbund, Baugewerkschaft sowie Sozial- und Branchenverbänden hat daher deutlich mehr Wohnungen für Menschen mit kleinem Einkommen gefordert, mahnte die Schaffung von mehr als 910.000 Sozialwohnungen an und berief sich dabei auf eine Studie des Pestel-Instituts in Hannover. Die Studie zählte Ende 2022 rund 1,088 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland. Das Bündnis „Soziales Wohnen“ geht davon aus, dass bundesweit eine Aufstockung auf einen Bestand von zwei Millionen Sozialwohnungen bis zum Jahr 2030 nötig wäre – dann sei in etwa der Stand aus dem Jahr 2007 erreicht, heißt es. Besonders viele Sozialwohnungen fehlen laut Studie – in absoluten Zahlen – in Baden-Württemberg (Lücke: rund 206 000 Wohnungen), Bayern (rund 195 000), Berlin (rund 131 000) und Niedersachsen (rund 109 000). Im Saarland sind nahezu alle Sozialwohnungen vom Markt verschwunden, es fehlen dadurch zirka 13.000 laut Studie. Ein geplantes Wohnraumfördergesetz soll diese Zahl bis 2027 um 5.000 verringern.
Das Bündnis forderte, Bund und Länder sollten umgehend ein Sondervermögen in Höhe von 50 Milliarden Euro für die Förderung von sozialem Wohnraum bereitstellen. Nur so könne es gelingen, dem Ampel-Ziel von 100 000 neuen Sozialwohnungen im Jahr ein Stück näher zu kommen – bislang seien im Durchschnitt seit 2017 rund 24.000 neue Sozialwohnungen im Jahr entstanden. Zudem sprach sich das Bündnis für einen verminderten Mehrwertsteuersatz von künftig sieben statt 19 Prozent beim Neubau von Sozialwohnungen aus.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sagte in der ARD, es sei in den vergangenen zwei Jahrzehnten viel zu wenig Geld in Sozialwohnungen investiert worden. „Das rächt sich jetzt. Seit 2021 haben wir da den Schalter umgelegt. Aber es braucht natürlich auch eine gewisse Zeit, bis diese Förderung dann auch tatsächlich auf der Baustelle ankommt und in einer fertigen Wohnung endet.“ Das geforderte Sondervermögen lehnt sie laut Mitteilung ab. „Der Bau von Sozialwohnungen ist eine Kernaufgabe des Staates und gehört auch in den ordentlichen Haushalt.“ Schlechte Rahmenbedingungen wie Inflation und steigende Zinsen sowie Fachkräftemangel im Handwerk beeinträchtigen die Zahl fertiggestellter Wohnungen zusätzlich.
Die Mieten sind bei Sozialwohnungen staatlich reguliert. Wohnen dürfen dort nur Menschen, bei denen die Behörden einen besonderen Bedarf sehen, weil sie kleine Einkommen haben. Nach einer bestimmten Zeit können die Wohnungen aber normal am Markt vermietet werden. Weil seit langer Zeit nicht genug neue Sozialwohnungen nachkamen, nahm ihre Zahl unterm Strich in den vergangenen Jahren stetig ab.
Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Robert Feiger, wirft dem Staat ein Missmanagement beim Umgang mit sozialem Wohnraum vor. „Er zahlt lieber – oft viel zu hohe – Mieten an die Vermieter, anstatt intensiv in den Bau von Sozialwohnungen zu investieren“, sagte Feiger. Damit schnellten die Sozialausgaben des Staates nach oben. Gewinner seien die Vermieter, die immer höhere Mieten auf dem Markt durchsetzen könnten. Gemeint sind Bürgergeld-Empfänger, bei denen der Staat in der Regel die Kosten der Wohnung übernimmt. Wer ein zu geringes Einkommen hat, kann Wohngeld beantragen.
10.000 Jobs stehen auf der Kippe
Nach den Haushaltsberatungen der Ampel stehen nun für die Jahre 2024 und 2025 jeweils eine Milliarde Euro Förderung für das „untere und mittlere Preissegment“ bereit, so Bauministerin Gleywitz. Ein abschließendes Konzept gibt es für die Gelder noch nicht, geplant ist jedoch, die Zinsen zu verbilligen. Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, zeigte sich erleichtert. Billigere Zinsen waren die zentrale Forderung der Wohnungswirtschaft gewesen. „Die Ampel hat sich bewegt“, so GdW-Präsident Gedaschko. „In der derzeitigen Wohnungsbaukrise sind eine Milliarde Euro für den bezahlbaren Neubau genau das richtige Signal. Wir brauchen eine Zinssubvention, damit der nahezu komplett eingestellte Wohnungsbau endlich wieder aufgenommen werden kann. Dabei ist auch die vorgesehene Flächen- und Baukostenbegrenzung leistbar und umsetzbar.“

Dennoch droht bereits das nächste Problem: Ausgehend von bröckelnden Neubauzahlen kriselt es nun in der Baubranche. Die Rede ist von 10.000 Jobs, die in Deutschland in diesem Jahr in Gefahr sein könnten. Laut „Financial Times“ stehe Deutschland im europäischen Vergleich gar vor einem „Baukollaps“, einer Spirale aus hohen Zinsen und Materialkosten, geringer Bautätigkeit und verringerter Auftragslage und dem folgenden unvermeidlichen Jobabbau. Eine Zinsbeihilfe für Wohnungen im unteren Drittel des Mietspiegels, wie vom Bauministerium geplant, könnte hier zumindest das Schlimmste verhindern. Dies bestätigt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie: „Gute Signale in Krisenzeiten sind hoffentlich doppelt wirksam“, so Müller. Die Ministerin habe die Ampel von einem Zinsverbilligungsprogramm für den Wohnungsbau überzeugt, das sei ein gutes Signal. „Wir schauen uns jetzt genau an, wie das neue Programm ausgestaltet wird. Wichtig ist, dass die Baukosten nicht durch unnötig hohe Anforderungen an das Gebäude in die Höhe getrieben werden.“ Gemeint sind hier Auflagen zur Energieeffizienz von Gebäuden. Hier reiche aus Sicht des Bauverbandes der Standard EH55 maximal aus, wenn gleichzeitig klimafreundlich Energie und Wärme genutzt werden kann.
Bislang rechnet das Ifo-Institut mit der Fertigstellung von 225.000 Wohnungen in diesem Jahr, geschätzt 45.000 weniger als 2023. Allzu rasch wird die Krise in der Baubranche, und damit nachfolgend die Krise auf dem Wohnungsmarkt in Deutschland, nicht verschwinden.