Kanada 1929: Ein eleganter Zug verbindet die kanadischen Städte Toronto und Vancouver, die Ostküste mit der Westküste. Vier Tage, vier Nächte. Mit an Bord ist in jedem Waggon ein eigener Schlafwagendiener, der die Fahrgäste zu betreuen hat und ihren Launen ausgesetzt ist. Einer davon ist der Schwarze Baxter.
„Der Schlafwagendiener“ ist ein atemloser Roman, getragen von einer Unruhe, die sich auf die Lesenden überträgt. Baxter, der aufmerksame Schlafwagendiener, leidet unter Schlafdefizit, denn kaum ist eine Fahrt beendet, muss er auch schon auf den nächsten Zug springen. Er braucht das Geld, will studieren und Zahnarzt werden. Wegen seiner homosexuellen Veranlagung muss er zusätzlich auf der Hut sein, weil sie ihm jederzeit zum Verhängnis werden könnte.
Die kontinuierlich geschilderten Tätigkeiten der Reisenden während der Zugfahrt werden von Baxters Ruhelosigkeit kontrastiert. Halbsatz folgt auf Halbsatz, ständige Momentaufnahmen einer bunten Gesellschaft, die ihre herablassende Behandlung der Schlafwagendiener eint. Dieses literarische Railroadmovie mit seiner exzentrischen Belegschaft erinnert ein wenig an „Mord im Orientexpress“, nur ohne Verbrechen, dafür mit der bösartigen Abwertung des Personals. Baxter, der von den Reisenden so wie seine Kollegen nur „George“ gerufen wird, torkelt zwischen Sekundenschlaf und Erfüllung fremder Wünsche dahin. Dabei lebt er in permanenter Angst, jemand könnte sich beschweren, ihm Strafpunkte bescheren, dann wäre es aus mit dem Traum vom Studium.
Dann gerät der Zug in eine Schlammlawine in den Rocky Mountains und hängt dort tagelang fest. Baxters Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Doch es gibt im Zug einen Menschen, der ihn als seinesgleichen wahrnimmt: die kleine Esme, die ihre Mutter verloren hat und mit der Großmutter zum Vater reist.
Suzette Mayr setzt mit diesem Buch dem ausgebeuteten Berufsstand der kanadischen Schlafwagendiener ein Denkmal.