Auch beim Sieg von Hertha BSC in Fürth sorgen Fanproteste für eine Unterbrechung. Drohen am Freitag gegen Magdeburg im Olympiastadion noch größere Tumulte?

Fans des Hamburger SV, die zum Gastspiel ihrer Mannschaft bei Hertha BSC Anfang Februar mit dem Zug angereist waren und darauf spekuliert hatten, den letzten ICE zurück in die Hansestadt ab Bahnhof Spandau zu erwischen, gerieten ins Dilemma. Schließlich war es am Samstagabend schon durch Tennisballwürfe aus dem eigenen Block in der ersten Halbzeit zu einer kurzen Unterbrechung gekommen – im zweiten Durchgang allerdings übertrafen die Hertha-Fans aus der Ostkurve diese nochmal bei weitem und sorgten für eine Zwangspause von über 30 Minuten. So hatte sich nach der Entscheidung zur Fortsetzung der Partie die Rückfahrt im Zug erledigt – oder man musste den Spielort vorzeitig verlassen und hätte ein nach Wiederbeginn (in diesem Fall der Wiederbeginn nach der irregulären Unterbrechung des Spiels und nicht nach der Halbzeitpause) noch ereignisreiches Spiel verpasst.
Spielunterbrechung von über 30 Minuten
Auffällig dabei war, wie sich Spieler und Verantwortliche der Berliner nach Abpfiff mit Kritik an dieser Form des Fanprotests zurückhielten. „Darauf möchte ich nicht eingehen, das ist Sache der Fans“, antwortete etwa Stürmer Haris Tabakovic auf die Form des Widerstands gegen den Einstieg eines Investors in der Deutschen Fußball-Liga (DFL). „Ich glaube, dass beide Seiten aufeinander zugehen sollten“, versuchte sich auch Fabian Reese in Diplomatie. Sogar an der Vereinsspitze äußerte Tom E. Herrich grundsätzlich „totales Verständnis für die Kritik, sie ist völlig legitim“. Jedoch merkte der Geschäftsführer von Hertha BSC auch an: „Das ging mir deutlich zu lang – und nicht nur mir.“ Ähnlich formulierte es Pal Dardai, der als Vereinsikone vergeblich zur Ostkurve geschickt worden war, um zu vermitteln. Herthas Trainer beurteilte den Protest als in Ordnung und erklärte: „Wir haben verstanden.“ Auf der anderen Seite hatte der Ungar aber natürlich auch das große Ganze im Blick – und so erwähnte er Nachteile in sportlicher sowie finanzieller Sicht. „So eine Unterbrechung kostet Energie“, erklärte Dardai zu den Vorfällen beim dritten Spiel seines Teams binnen acht Tagen. Außerdem betonte er angesichts der zu erwartenden hohen Geldstrafe für den finanziell nach wie vor nicht sonderlich stabil aufgestellten Verein: „Wir brauchen jeden Cent.“ Besonders schwierig zu akzeptieren ist solch eine Strafe angesichts der Tatsache, dass Hertha BSC ja auch auf Wunsch der Anhänger im Dezember gegen Verhandlungen mit potenziellen Investoren gestimmt hatte. Verein und Fanszene sind auf diesem Gebiet quasi unter der Führung des im Januar unerwartet früh verstorbenen Kay Bernstein – Herthas Präsident war selbst bekanntlich ein Gegner der fortschreitenden Kommerzialisierung des Profifußballs – diesbezüglich zu einer der führenden kritischen Stimmen geworden. Die organisierten Ultras hatten den Spielern nach Abpfiff der Partie gegen den Hamburger SV sogar noch die Gründe für die „besonders lange, besonders anstrengende Protestform“ erklärt. In einer später auch veröffentlichten Stellungnahme der „Harlekins ’98“ hieß es: „An kurze Proteste und kurze Unterbrechungen hat man sich scheinbar schnell gewöhnt in Deutschland“ – und weiter: „Ihr habt den Protest einer freien und lebendigen Fankurve gesehen: Wir bestimmen selber, wie lange ein Protest dauern darf.“ Beim Heimspiel gegen den 1. FC Magdeburg, der seinerseits mit 15.000–20.000 Anhängern in der Hauptstadt erwartet wird, könnte es so zu weiteren intensiven Störungen kommen. Diese dürften für den Fall weitere Kosten durch erneute, verschärfte Geldstrafen verursachen – von einem eventuellen Zuschauerausschluss für Teile des Olympiastadions noch gar nicht zu reden. Selbst Geisterspiele und Punktabzüge gäbe der Strafenkatalog der DFL als Ultima Ratio her – doch werden es die Verantwortlichen der Liga wohl nicht darauf anlegen, um keine vollständige Eskalation des Konflikts auszulösen. Dennoch: Was passiert, wenn ein Schiedsrichter doch einmal eine Partie wirklich abbricht?
Mit vielen Ausfällen gegen Magdeburg

Mit dem 2:1-Sieg bei der SpVgg Greuther Fürth – bei dem es auch eine elfminütige Unterbrechung durch Fanproteste gab – hat die „Alte Dame“ am vergangenen Sonntag schonmal drei wichtige Zähler gesammelt. Die ersten im Jahr 2024 nach zwei Liganiederlagen und dem Aus im DFB-Pokal. Somit war der durchaus nicht erwartbare Sieg bei der immerhin zweitbesten Heimmannschaft auch ein Zeichen gegen den befürchteten Abwärtstrend bei den Berlinern. Ausgerechnet Verteidiger Marc Kempf sprang dabei mit zwei Kopfballtoren nach Standardsituationen in die Bresche, nachdem sich die Stürmer Tabakovic (Knieprobleme) und Smail Prevljak (Magen-Darm-Virus) abgemeldet hatten. Doch Kempf zog sich beim zweiten Treffer auch noch eine Knöchelverletzung zu und wird gegen Magdeburg ebenso fehlen wie Tabakovic und auch Florian Niederlechner. Der 33-Jährige – gerade erst nach einer Sperre von zwei Partien gegen den HSV zurückgekehrt – handelte sich in Fürth in der Nachspielzeit noch eine Gelb-Rote Karte ein und muss so am Freitagabend erneut aussetzen. Immerhin kehrt dann mit Toni Leistner, der wegen der fünften Gelben Karte gegen die Kleeblätter fehlte, auch ein Innenverteidiger wieder zurück. Nach Kempfs Ausscheiden am Sonntag hatte Trainer Dardai jedenfalls den 18-jährigen Debütanten Tim Hoffmann ins kalte Wasser werfen müssen, weil Ersatzkandidat Linus Gechter durch Magen-Darm-Probleme ebenfalls aus dem Verkehr gezogen war.
Die Personalsituation bei Hertha BSC bleibt also weiterhin angespannt – und ob Gechter beziehungsweise Prevljak schon wieder im Heimspiel am Freitag einsatzbereit sind, ist noch unklar. Da war es in diesem Zusammenhang schon eine sehr positive Erkenntnis, dass Fabian Reese nach seiner mehrwöchigen Pause zum Jahreswechsel beim Auswärtssieg über neunzig Minuten durchhielt. Die Magdeburger dürften dabei nicht nur wegen der zahlreichen Unterstützung durch ihren Anhang im Olympiastadion mit breiter Brust aufkreuzen – auch der 1:0-Sieg gegen Tabellenführer FC St. Pauli gibt der Mannschaft von Trainer Christian Titz sicher Auftrieb im Kampf um den Klassenerhalt. In guter Erinnerung haben wird man an der Elbe auch noch das Hinspiel gegen Hertha BSC – damals hatte der FCM, im ersten Pflichtspiel der beiden Mannschaften gegeneinander überhaupt, trotz viermaligen Rückstands am Ende mit 6:4 die Oberhand behalten.