Hansi Flicks Name tauchte in den Medien nach seiner Entlassung beim DFB kaum noch auf – bis jetzt. Angeblich scheint der FC Barcelona Interesse zu bekunden. Doch würde das passen?
Harmonischer konnte ein Anfang kaum sein: Als Hansi Flick am 1. August 2021 seinen Job als Bundestrainer antrat, hielten das alle für eine gute Entscheidung. Der DFB, Experten, Journalisten, Fans – niemand hatte den geringsten Zweifel daran, dass Flick nach dem quälend langen Ende der Ära Löw der richtige Mann ist. Schließlich gewann Flick mit dem FC Bayern sechs Titel in einer Saison und das, obwohl die gleiche Mannschaft unter Vorgänger Niko Kovač erheblich strauchelte. Ebenfalls hatte Flick großen Anteil daran, dass Deutschland 2014 Weltmeister wurde. Er schien prädestiniert für diesen Job als Nationaltrainer. Hätte eine Marketingagentur – unter Oliver Bierhoff schien der DFB dort Stammgast zu sein – einen perfekten und passenden Trainer für diese Situation entwerfen sollen, wäre wahrscheinlich Flick dabei herausgekommen.
Von Beginn an zum Scheitern verurteilt
Flick galt beim DFB und beim damaligen Sportdirektor Oliver Bierhoff als geradezu berufen, die deutsche Nationalelf nach der verkorksten Weltmeisterschaft in Russland 2018 (Aus nach der Vorrunde) und der enttäuschenden Europameisterschaft 2021 (Aus im Achtelfinale) wieder in eine glorreiche Zukunft zu führen. Dass diese Beziehung direkt zum Scheitern verurteilt war, konnte und wollte wohl niemand sehen. Denn die ersten Ergebnisse der WM-Qualifikation waren durchaus erfolgreich, zumindest auf den ersten Blick. Es gab Siege gegen Liechtenstein, Armenien, Island, Rumänien und Nordmazedonien – auf den zweiten Blick waren diese Gegner kein Maßstab. Erste Zweifel kamen aber auf, als die ersten härteren Gegner auf die DFB-Elf warteten. Gegen die Niederlande, Italien, England und Ungarn gelangen nur Unentschieden. Bis auf einen 5:2-Sieg gegen ein schwaches Italien in der Nation League gelang der deutschen Nationalelf danach kein Sieg gegen einen nennenswerten Gegner. Das ging so bis zur WM in Katar Ende 2022. Es zeigten sich damals die gleichen Probleme wie heute: die Abwehrschwäche, mangelnde Torgefahr, zahlreiche individuelle Fehler und keine Lösungen für das Mittelfeld (mit oder ohne Gündogan?).Schon vor der WM deutete sich an, dass Flick offenbar Schwierigkeiten hatte, seine Vorstellungen von Fußball mit dieser Mannschaft umzusetzen. Gleichzeitig vertröstete Flick immer wieder auf die Zukunft. Und alle glaubten ihm. Wie kann ein Trainer, der mit dem FC Bayern sechs Titel in einer Saison holt, falschliegen? Doch spätestens die WM in Katar zeigte: Flick war am Ende mit seinem Job überfordert. Die Diskussionen um die Regenbogen-Binde machten es ihm gleichzeitig noch schwerer, eine Linie zu finden.
Dass er kaum Unterstützung von einer schwachen DFB-Führung erfuhr, verschärfte die Situation. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass Flick sich besonders im ersten Gruppenspiel gegen Japan vercoachte, als er bei einer 1:0-Führung Gündogan herausnahm und stattdessen Goretzka brachte. In der Folge brach das Spiel der deutschen Elf bekanntermaßen zusammen und Deutschland verlor. Katar endete in der Katastrophe. Die Amazon-Doku „All or Nothing“, die so eindringliche wie bedrückende Bilder aus dem Teamhotel mitten in der Wüste liefert, macht deutlich, wie Flick die Mannschaft verlor. Und nicht in der Lage war gegenzusteuern. Die Bilder bestätigen das, was man schon immer ahnte. Irgendetwas war in der Wüste gewaltig schiefgelaufen. Doch nach dem Debakel in Katar zehrte Flick erneut von dem Kredit, den er beim DFB wie auch in den Medien genoss. Noch immer hielt sich die Mär: Alles wird gut. Flick selbst betonte immer wieder, wie talentiert seine Nationalspieler seien. Doch die Experimente im Frühjahr 2023, als er die Mannschaft wild durcheinander würfelte, zeigten: Flick hatte jegliches Gespür für richtige Entscheidungen und für die Situation verloren. Statt die Mannschaft durch personelle Konstanz und eine klare Spielidee zu stabilisieren, experimentierte er wie ein irr gewordener Wissenschaftler, der all die Substanzen in seinem Labor nicht mehr unter Kontrolle hat.
Statt Wege aus der schweren Krise aufzuzeigen, verschlimmerte er sie. Es folgten nochmals Ankündigungen, nach dem Sommer und vor der Heim-EM 2024 werde alles besser. Aber die krachende Niederlage im Testspiel gegen Japan beförderte nur den traurigen Befund: Die deutsche Mannschaft läuft komplett aus dem Ruder. All die Schwächen dieses Bundestrainers wurden erneut brutal offengelegt. Der Versuch, durch harte Personalentscheidungen und die Ernennung eines neuen Kapitäns Stärke zu demonstrieren, war durchschaubar und wirkungslos. Flick war vor drei Jahren als Bayern-Trainer offenbar zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Als Nationaltrainer danach war er im Grunde immer überfordert. Jetzt soll angeblich der FC Barcelona ein Auge auf den ehemaligen Bundestrainer geworfen haben.
„Ich habe mit keinem Trainer gesprochen“
Denn der FC Barcelona ist seit dem angekündigten Abschied von Cheftrainer Xavi auf der Suche nach einem Nachfolger. Ein klares Dementi, dass Hansi Flick nicht beim FC Barcelona auf der Liste steht, um ab der kommenden Saison den FC Barcelona zu trainieren, sieht anders aus. „Sie sollten Deco fragen, ich habe mit keinem Trainer gesprochen„, antwortete Club-Präsident Joan Laporta im Gespräch mit „RAC1“ lediglich auf die Frage, ob er bereits Kontakt zum deutschen Coach hatte. Der Portugiese Deco ist beim FC Barcelona als Sportdirektor tätig. Laporta ließ derweil durchklingen, dass „die Möglichkeiten ziemlich begrenzt“ seien. Dann zeichnete er das gesuchte Profil: „Es muss ein Trainer mit einem starken Hintergrund sein, und es gibt bestimmte Bedingungen, die der neue Trainer akzeptieren muss, die nicht verhandelbar sind und die wir beibehalten wollen, wie unsere Jugendstruktur.“ Möglich sei, dass Barça auf eine interne Lösung setzt – und somit Rafael Márquez ab Sommer die Geschicke leitet. Der ehemalige Barcelona-Verteidiger trainiert derzeit die zweite Mannschaft der Katalanen. Zuletzt war der 44-Jährige in spanischen Medien bereits als kurzfristige Alternative gehandelt worden, sollten sich die Wege von Xavi und Barcelona schon vor dem Ablauf der Saison trennen.
Der Findungsprozess ist also noch gar nicht so weit fortgeschritten, wie berichtet. Barça hat angeblich bereits Kontakt mit Flick aufgenommen, der im Hintergrund gerade Spanisch lernen soll. Der 58-Jährige ist grundsätzlich angetan von Barças Interesse. Laut der Online-Zeitung „El Nacional“ hat der Club zudem bereits bei Julian Nagelsmann sein Interesse angemeldet. Der Bundestrainer, dessen Vertrag beim Deutschen Fußball-Bund bis nach der Europameisterschaft im Sommer datiert ist, gelte bei Laporta als „idealer Kandidat“. Schon 2021 soll sich der Barça-Boss um den 36-Jährigen bemüht haben, als dieser noch bei RB Leipzig unter Vertrag stand. Der FC Bayern schnappte dem spanischen Spitzenclub den Übungsleiter damals aber vor der Nase weg. Sollte Nagelsmann dem Club dieses Mal eine Zusage geben, würde er aufgrund seiner EM-Aktivität erst nach dem Beginn der Sommer-Vorbereitung zum Team stoßen. Die Barça-Bosse sind laut „El Nacional“ aber bereit, einen späteren Einstieg Nagelsmanns in Kauf zu nehmen.
Doch wer sich mit diesem Thema genauer auseinandersetzt, bemerkt: Gefühlt jeder Trainer in Europa, der schon einen Titel gewonnen hat, steht auf der Kandidatenliste oder wird zumindest in den Medien gehandelt. Hansi Flick hingegen macht aufgrund seiner Vergangenheit beim FC Bayern Sinn. Vor allem, wenn man an den 8:2-Sieg gegen den FC Barcelona vor drei Jahren denkt. Doch ist Flick der Richtige? In Bayern war er es, beim DFB mit Sicherheit nicht. Vielleicht liegt Hansi der Vereinsfußball mehr.