Die EU-Kommission plant ab dem Jahr 2025 ein weitreichendes Verbot von Amalgam in der zahnärztlichen Behandlung. Lediglich medizinische Notfälle werden von dieser Maßnahme ausgenommen.
Die Diskussionen um das sogenannte Dentalamalgam, eine weiche, leicht formbare Mischung aus verschiedenen metallischen Verbindungen, und damit um Zahnfüllungen aus Amalgam, beschäftigen Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie ihre Patientinnen und Patienten bereits seit Längerem. Schon 2013 hatten sich die Vereinten Nationen im „Minamata“-Übereinkommen darauf verständigt, die Emission von Quecksilber, das Bestandteil des Amalgams ist, in die Umwelt so weit wie möglich einzudämmen. Die Inhalte dieses Abkommens hatte das Europäische Parlament im Mai 2017 in der „Verordnung über Quecksilber“ übernommen. Neben Vorgaben zur allgemeinen Eindämmung von Quecksilberemissionen beinhaltete die Verordnung auch erstmalig Regelungen, die speziell Dentalamalgam betrafen.

Seit 2018 darf EU-weit aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes Amalgam bei Kindern unter 15 Jahren und bei stillenden Müttern nur noch in medizinischen Ausnahmefällen eingesetzt werden.
Neben gesundheitlichen Gründen führt die EU-Kommission aber auch immer wieder umweltpolitische Gründe für ein Verbot des quecksilberhaltigen Amalgams an, da Quecksilber die Umwelt stark belaste – allerdings weisen verschiedene Stellen in Deutschland regelmäßig darauf hin, dass hierzulande das Amalgam fachgerecht entsorgt werde und somit eine Umweltbelastung durch Amalgam ausgeschlossen werden könne.
Obwohl die Bundesregierung 2019 dafür plädierte, den Einsatz von Quecksilberamalgam weiter zu ermöglichen, verkündete die EU-Kommission nun, dieses mittels der „EU-Quecksilberverordnung“ von 2025 an verbieten zu wollen. Ausnahmen vom Verbot soll es nur für Fälle geben, in denen eine Amalgamverwendung wegen der spezifischen medizinischen Erfordernisse bei dem jeweiligen Patienten als zwingend notwendig angesehen wird. Darüber hinaus sollen ab diesem Zeitpunkt die Herstellung und die Ausfuhr von Dentalamalgam in der EU verboten werden.
„Wie die Weltgesundheitsorganisation WHO und die FDI als Sprecher aller nationalen Zahnärzteorganisationen unterstützen wir ausdrücklich ein Herunterfahren der Verwendung von Amalgam“, sagt Dr. Frank Wuchold, im Bundesvorstand des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) für Zukunftsfragen der Berufsausübung zuständig, „doch ein Verbot würde die zahnärztlichen Therapiemöglichkeiten zukünftig wesentlich beeinträchtigen.“
Betroffen wären insbesondere vulnerable Gruppen wie Pflegebedürftige und Patientinnen und Patienten mit Behinderungen, die oftmals keine hinreichende Zahnpflege betreiben könnten und bei denen die sonst standardmäßig zum Einsatz kommenden Komposit-Füllungen eine wesentlich geringere Lebensdauer hätten, aber auch Patienten mit einem stark reduzierten Speichelfluss. Für diese Patienten und Patientinnen hat Amalgam, im Übrigen das besterforschte Füllmaterial, etwa den Vorteil, dass es weniger anfällig für Sekundärkaries ist.
„Solange keine zuverlässige, weitgehend nebenwirkungsfreie und ebenso kostengünstige Alternative zum Quecksilberamalgam in der EU zugelassen wird, sollte es trotz rückläufigem Einsatz des Materials kein grundsätzliches Verbot geben. Kunststoffe sind, anders als dies die EU-Kommission jetzt feststellt, keineswegs immer eine adäquate Alternative“, betont Wuchold. Hinzu komme das Problem, dass Amalgam in medizinisch notwendigen Fällen weiterhin erlaubt sein soll, der Import und die Herstellung jedoch verboten werden sollen. Völlig unklar ist daher also, woher die Zahnärzte und Zahnärztinnen das Amalgam dann bekommen können. Im Übrigen gibt es günstige Alternativen wie etwa in Japan, wo eine Art „Ersatz-Amalgam“ ohne Quecksilber auf dem Markt ist – es wurde bisher jedoch noch nicht in der EU zugelassen. „Allerdings hat der Gesundheitsausschuss des EU-Parlaments im letzten Monat vorgeschlagen, die Karenz zum Auslaufen des Amalgams bis 2027 zu verlängern. Das wäre ein Zeitgewinn für die Zulassung eines neuen Materials“, hofft Wuchold.
Rund 44,9 Millionen Zahnfüllungen wurden im Jahr 2022 in Deutschland gelegt
Aber wie ist heute in Deutschland überhaupt der Stand der Dinge bei Zahnfüllungen? Seit Jahren geht die Zahl aller Füllungen stetig zurück und hat sich seit den 1990er-Jahren fast halbiert – ein deutlicher Hinweis auf die kontinuierliche Verbesserung der Mundgesundheit. Im Jahr 2022 wurden in Deutschland laut der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) insgesamt etwa 44,9 Millionen Zahnfüllungen gelegt. Nach den der KZBV vorliegenden Abrechnungsdaten wurden im Jahr 2021 rund 1,4 Millionen und im Jahr 2022 etwa eine Million Amalgamfüllungen neu gelegt. Dabei beträgt der Anteil der neu gelegten Amalgamfüllungen an allen Füllungen in Deutschland insgesamt rund 2,4 Prozent, wobei der Anteil in den neuen Bundesländern mit rund 5,8 Prozent höher liegt als in den alten Bundesländern mit circa 1,6 Prozent. Im Vorjahr hatte der Anteil in Deutschland noch bei 3,2 Prozent (alte Bundesländer 2,3 Prozent, neue Bundesländer 7,0 Prozent) gelegen.
„Die regional sehr unterschiedlichen Anteile könnten unter anderem auf die Altersstruktur der Bevölkerung, die Sozialisation und Haltung der Patienten zum Füllungswerkstoff Amalgam und der Anwendungspraxis der behandelnden Zahnärztin oder des behandelnden Zahnarztes zurückzuführen sein“, meint die KZBV. Somit lässt sich im Verlauf der Jahre 2021 und 2022 tendenziell ein weiterhin leichter Rückgang des Amalgamanteils bei neu gelegten Füllungen erkennen. Zur Zahl der noch im Mund befindlichen Amalgamfüllungen liegen nur Ergebnisse der DMS III (Deutsche Mundgesundheitsstudie der Bundesärztekammer, 1997) mit 58 Prozent, DMS IV (2005) mit 43 Prozent der gefüllten Flächen vor. In der DMS V (2013) wurde dieser Parameter allerdings nicht erhoben.

Doch welche Möglichkeiten der Zahnbehandlung gibt es überhaupt? Patienten und Patientinnen sowie Zahnärztinnen und Zahnärzte können bei Zahnfüllungen zwischen verschiedenen Materialien wählen, die in der zahnmedizinischen Versorgung anerkannt und erprobt sind. Grundsätzlich wird dabei zwischen direkten und indirekten Füllungsmaterialien unterschieden. Direkte Füllungen werden direkt in den Zahn eingebracht. Indirekte Füllungen (sogenannte Einlagefüllungen oder Inlays) werden nach Abdruck in der Praxis mittels technischer Verfahren direkt vor Ort oder in einem zahntechnischen Labor hergestellt und danach in den Zahn einzementiert oder geklebt. Für dauerhafte Füllungen im Seitenzahnbereich stehen Legierungen aus Edelmetall und nicht-metallische Werkstoffe aus Keramik und Kunststoff zur Verfügung. Im Frontzahnbereich übernehmen gesetzliche Kassen die Kosten für zahnfarbene Kunststofffüllungen aus Komposit. Zu den Frontzähnen zählen die Schneide- und Eckzähne des Ober- und Unterkiefers. Kompositfüllungen im Frontzahnbereich, die besonderen ästhetischen Ansprüchen der Patienten genügen sollen – etwa durch eine Farboptimierung – sind allerdings mit Mehrkosten verbunden, die die Patienten selbst tragen müssen.
Jeder Mensch hat im Schnitt 1,5 Mikrogramm Quecksilber in einem Liter Blut
Im Seitenzahnbereich werden von den gesetzlichen Krankenkassen im Regelfall die Kosten für Amalgam-Füllungen übernommen. Gerade bei der Restaurierung von Backenzähnen hat jedoch Amalgam durchaus seine Stärken. Versicherte einer gesetzlichen Krankenkasse haben in jedem Fall Anspruch auf eine Füllung, bei der sie keine Zuzahlung leisten müssen – welche Art von Füllung das nach dem Amalgam-Verbot sein wird, ist aber noch offen. Aufgrund des geringen Anteils der neu gelegten, hinzukommenden AmalgamFüllungen dürfte jedoch der Anteil der im Mund befindlichen Amalgam-Füllungen weiter deutlich gesunken sein. „Es wird geschätzt, dass im Jahr 2018 noch fünf bis zehn Prozent der in Deutschland insgesamt gelegten Füllungen aus Amalgam bestanden“, sagt ein KZBV-Sprecher. Damit liege Deutschland – was die Reduzierung des Amalgam-Einsatzes angeht – in der Spitzengruppe der EU-Länder. Für 2030 rechnen Fachleute darüber hinaus damit, dass der Anteil von Amalgam als Füllmaterial bei unter einem Prozent liegen könnte. „Für die Umweltbelastung spielt eine derart geringe Amalgam-Verwendung keine Rolle, eher die Entfernung bestehender Amalgam-Füllungen“, sagt Wuchold. Deshalb seien die Vorkehrungen zum sicheren Umgang mit Quecksilberamalgam bei der Entsorgung gemäß der seit 2017 gültigen EU-Verordnung in Deutschland zu 100 Prozent umgesetzt worden, so der Bundesvorstand des FVDZ.
Nun wird häufig auch argumentiert, dass Amalgam aus den Zahnfüllungen in den Körper gelange, sich dort anreichere und für gesundheitliche Schäden und Probleme verantwortlich sei. Das Spektrum an Krankheiten und Beschwerden, für das Amalgam verantwortlich sein soll, reicht von einfachen Beschwerden wie Kopfschmerzen bis zu schweren Krankheiten wie Krebs und Alzheimer. Tatsächlich hat durch Umwelteinflüsse jeder Mensch etwa 1,5 Mikrogramm Quecksilber im Blut. Richtig ist, dass die Plomben mit den Jahren einen Teil ihres Quecksilbers verlieren. Es löst sich langsam auf und gelangt so in den Körper. Durch fünf Amalgamfüllungen soll sich, so die Berechnungen, der Quecksilberwert im Blut in etwa verdoppeln. Damit liegt er aber immer noch deutlich unter dem Grenzwert von fünf Mikrogramm, der als unbedenklich gilt. Auch das Robert Koch-Institut sieht keine Belege dafür, dass kleinste Mengen Quecksilber die Entstehung von Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, ALS, Autismus, Multiple Sklerose oder Hormonstörungen fördern oder auslösen. Auch zahlreiche andere Studien haben keine Belege dafür erbracht, ein Restrisiko kann jedoch nie ausgeschlossen werden.
Jeder Mensch hat im Schnitt 1,5 Mikrogramm Quecksilber in einem Liter Blut

Gern wird, um die Ungefährlichkeit der durch Plomben aufgenommenen Quecksilbermengen zu betonen, ein Vergleich aus der Ernährung herangezogen. Beliebte Speisefische wie Thunfisch und Barsch können beispielsweise das 20- bis 40-Fache an Quecksilber enthalten wie eine Zahnfüllung aus Amalgam. Und auch bei Lachs und Dorade ist der Quecksilberwert deutlich erhöht. Generell wird häufig angeführt, dass die Aufnahme von Quecksilber durch eine Zahnfüllung in etwa der Größenordnung der Quecksilberbelastung durch die Nahrung entspräche.
Doch trotz aller Unbedenklichkeit kommt nun also bald das Aus. Dennoch werden sich noch bis circa 2060 Amalgam-Füllungen in den Mündern der Bundesbürger befinden, denn Amalgam weist in Langzeitstudien eine hohe Lebensdauer auf und Fachleute raten, eine intakte Füllung nicht unbedingt zu entfernen – obwohl das zumindest aus ästhetischen Gründen häufig von Vorteil wäre.