Auf Sardinien werden ganze Ferkel auf Holzspieße gesteckt. Der Brotauflauf ist eine verwunschene Suppe und krachiges Brot von Hause aus instagramabel. An den Küsten wiederum ist frisches und veredeltes Meeresgetier stark gefragt. Die Küche der Insel ist eine im besten Sinne nachhaltige „Cucina povera".
Fregola, Mirto, Pane Carasau. Und natürlich Pecorino Sardo. Das Namedropping zu Produkten und Gerichten funktioniert bei der sardischen ebenso wie bei vielen anderen italienischen Regionalküchen hervorragend. Die Stars der zweitgrößten Mittelmeerinsel kennen viele – und die Sarden sind stolz auf sie. Nichtsdestotrotz möchten auch Nicht-Sardinien-Kundige die typische Inselküche kennenlernen.
Ob Pasta, Likör, Brot oder Käse – manches ist in italienischen Geschäften, Feinkostabteilungen oder Restaurants hierzulande längst zu bekommen. Für anderes wiederum ist eine Reise auf die Insel unabdingbar. Porcheddu Sardo, das im Ganzen am Spieß gebratene Spanferkel, dürfte schwerlich in Deutschland auf einem Volksfest zu finden sein; von der Schwierigkeit, sardisches Brennholz fürs Aroma zu beziehen, ganz zu schweigen.
„In Sardinien ist Brot heilig"
Die sardische Küche ist historisch gesehen eine eher bodenständige, im besten Sinne „Cucina povera". Eine Küche armer Leute, die seit jeher überlegen mussten, wie sie ihre Nahrungsmittel am besten komplett nutzen. Sie kitzelt aus jedem Rest Brot oder Käse noch ein schmackhaftes Gericht heraus. Im Landesinneren wurde sie von Hirten und Viehzüchtern geprägt; gegrilltes oder geschmortes Fleisch spielt eine wichtige Rolle. An den Küsten dagegen stehen Fisch und Meeresfrüchte mehr im Fokus. Die Bottarga, der gepresste und getrocknete Rogen der Meeräsche, ist eine solche sardische Spezialität aus dem Meer. Sie wird klassisch scheibchenweise über Pasta mit Muscheln gehobelt. Die Bottarga hat einen intensiven Geschmack und wird, ähnlich wie gut gereifter Käse, sparsam verwendet.
Kulinarische Orientierungshilfe zur sardischen Küche gibt Giovanni Antonio Salaris in Berlin, Inhaber des Restaurants „Da Antonio". Er stammt aus dem Dorf Tresnuraghes nahe der Stadt Bosa in der Provinz Oristano. Salaris lebt und kocht seit 37 Jahren in der Stadt und führt seit 2016 sein eigenes, kleines sardisches Restaurant in Charlottenburg. „Unsere Küche ist uralt, einfach und voller Geschmack", sagt er. „Ich versuche sie so zu belassen wie sie ist." Seine teils recht fortgeschrittenen Gäste schätzen die Bottarga auf roh aufgeschnittenen Artischocken, die mit Olivenöl und Zitrone beträufelt werden. Artischockenanbau im großen Stil ist traditionell in der Gegend um Oristano verankert. Die Bottarga macht außerdem im „Da Antonio" mit frischem Stangensellerie auf Bruschetta-Scheiben eine gute Figur.
Für Einsteiger bietet sich das krachige Pane Carasau an. Das geröstete und extrem gut haltbare Fladenbrot ist so hauchdünn, dass die Food-Fotos für Instagram gleich hindurchfotografiert werden können. Pane Carasau wird als Vorspeise in Stücke gebrochen und einfach mit Schinken oder Käse belegt. Ein kleiner Guss Olivenöl darüber, fertig ist der Starter-Happen. Es kann sich aber auch in einen vollgültigen Hirtenimbiss verwandeln. Dann bekommt es eine Tomatensugo und Pecorino Sardo auf die Brot-Blätter sowie ein Spiegelei on top. Das Resultat: ein Pane Frattau, eine rustikale Kreuzung aus sardischer Lasagne und strammem Max.
Giovanni Antonio Salaris sagt: „In Sardinien ist Brot heilig." In der Brotsuppe Zuppa Gallurese, die streng genommen eher ein Auflauf ist, finden sich Scheiben sämtlicher Sorten geschichtet mit verschiedenen sardischen Käsen obenauf ein. Das Fleisch „von normalerweise alten Schafen", so Salaris, wird zum Kochen einer kräftigen Brühe verwendet, mit der die Zuppa Gallurese übergossen wird, bevor sie in den Ofen kommt. „Das Fleisch wird nur mit Salz gegessen." Ein anderer Name des Gerichts ist Zuppa Cuata – die versteckte Suppe. In Oristano ist eine Variante mit Salsiccia-Ragù beliebt, weiß Salaris.
Auch eingelegten Bratfisch können die Sarden: In Cagliari im Süden der Insel ist die Sa Burrida heimisch. Stücke von Pesce Gatto, dem Katzenhai, werden gebraten und in einem süß-sauren Sud mit Tomatensauce, Essig und Oliven eingelegt. In Oristano, etwas weiter nördlich gelegen, landet dagegen der Fisch zusammen mit Nüssen und Sultaninen in der Marinade. Dass sich auf der Insel Gamberoni, Spigola – Wolfsbarsch –, Brasse, Tintenfisch und Calamari aus dem Meer vor der Haustür auf Fischplatten wiederfinden, versteht sich von selbst. Kleine weiße Arselle oder die größeren Miesmuscheln – Cozze – dürfen sich darüber hinaus gern zu Spaghetti gesellen.
Der Pecorino Sardo ist ein Souvenir-Klassiker
Hört es sich so an, als ob Gemüse und Obst zu kurz kämen? Keineswegs. Auf Sardinien wächst an Land grüner Wildspargel mit intensivem Aroma. Im Meer dagegen sind Asparagi di Mare, „Meeresspargel" oder Queller, zu finden. Wer die Orangen aus der Gegend von Tortolì-Arbatax in der Provinz Ogliastra kennt, die im Winter und Frühling geerntet werden, wird sich ebenso am intensiv duftenden Orangenblütenhonig erfreuen. Gut verpackte Schmankerl wie Honig, Käse, Wurst oder Pasta eignen sich bestens als kulinarische Mitnehmsel.
Der in Manufakturen hergestellte Pecorino Sardo ist so ein Souvenir-Klassiker. Er ist weniger salzig als der römische oder sizilianische Käse von der Pecora, dem Schaf. Er wird entweder sehr jung und weich oder ganz alt und in sehr fester Konsistenz gegessen. Kenner achten auf die genaue Herkunft, so Giovanni Antonio Salaris: „Die Rasse der Schafe und die Meeresnähe beeinflussen den Geschmack der Gräser und des Käses." Einen Platz im Gepäck sollte immer auch eine Tüte Fregola finden. Die in einer zehntägigen Prozedur aus getrocknetem und geröstetem Hartweizengrieß hergestellten „Knöpfchen" haben mehr mit einem krümeligeren afrikanischen Couscous als mit einem schlotzigen Risotto zu tun.
Es gibt sie in verschiedenen Größen. Salaris bereitet gern grüne Fregola mit Spirulina-Alge zu, zu der ihn sein Neffe, ein Meeresbiologe aus Oristano, inspirierte. Die typisch sardische Pasta wird meist mit Garnelen, Venus- oder Miesmuscheln gegessen. „Ich probiere aber immer auch andere Kombinationen aus, zum Beispiel mit gefüllten Calamari", sagt Salaris. Darauf einen eisgekühlten Mirto, wie er auch im „Da Antonio" ausgeschenkt wird! So wie so ziemlich alles, was wächst, blüht und gedeiht auf Sardinien, werden Beeren, Blätter und Blüten des Myrtenstrauches in einen roten, süßen oder einen weißen und trockeneren Likör verwandelt, der sich hervorragend zum Abschluss eines sardischen Mahles eignet.