Mit Angst und Panik fing es an. Doch es dauerte, bis Peter Brill sich eingestehen konnte, dass er eine Depression hat und sich Hilfe suchte. Inzwischen hat er ein Buch über seinen Weg aus der Krankheit geschrieben.
Peter Brill sitzt im Café im Merziger Landratsamt und lächelt freundlich. Man sieht es in jedem Gesichtszug: Er hat es geschafft, seine Depression hinter sich zu lassen. Heute kann er anderen Ratschläge geben, mit der Krankheit umzugehen: „Denk an dich, achte auf dich, hol dir Hilfe, nimm dein Leben an, du bist einfach was Besonderes, was Wichtiges", sagt er. Bis er selbst zu dieser Erkenntnis kam, dauerte es aber viele Jahre. Der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung passierte an einem kalten Februartag im Jahr 2004. Da war Peter Brill alles zu viel geworden, also machte er sich auf den Weg. Sieben Kilometer von seinem Haus zur Klinik in Merzig. Über Felder und Wiesen, um bloß nicht von irgendwem erkannt zu werden. Denn das wäre eine Schmach gewesen, die er damals nicht verkraftet hätte. Es ist der klassische Weg, den Peter Brill ging: vom Verdrängen bis zur Erkenntnis, dass ihn nur noch professionelle Hilfe aus seinem Loch ziehen kann. Der Psychiater Martin Kaiser half ihm. Drei Tage blieb Peter Brill stationär im Krankenhaus. Unterstützung bekam er von seiner Frau und seinen beiden Kindern. „Der familiäre Zusammenhalt ist für einen Depressiven enorm wichtig", sagt er heute lächelnd. Lächeln, das tut Peter Brill ohnehin gern. Nichts ist heute mehr davon zu erkennen, welch schwierige Phase er einen großen Teil seines Lebens durchgemacht hatte. Schon 1986 fing es an. „Damals hatte ich eine Panikattacke", erzählt Brill. Weshalb? Daran kann er sich nicht mehr erinnern. Es folgten ein Nervenzusammenbruch, Angstattacken und ein langer, steiniger Weg. „Ich bin in diese Depression reingekommen und wusste das gar nicht, bis die Ärzte mir sagten, dass ich eine bipolare Störung hatte", erzählt Brill. Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt – das waren die Gemütszustände, die sich bei ihm rasant abwechselten. „Der Schritt, dass man krank ist, sich das einzugestehen, da braucht man lang für", sagt er. Der Kampf gegen die Depression sei ein doppelter. Einmal mit der Krankheit selbst, aber auch dagegen, dass die Mitmenschen sie entdecken. Die Angst, als Versager dazustehen, spielte eine große Rolle in Peter Brills Gedankengängen. Dabei, sagt er, sei die Depression eine Krankheit wie jede andere. Dennoch sind die Probleme für jeden einzelnen groß: „Man will es nicht wahrhaben, man versteckt es. Man findet eher noch etwas anderes. Aber eine Depression, das ist etwas, das man erst nachher zum Schluss erkennt, wenn der Leidensweg so stark ist, dass man sagt, jetzt brauche ich Hilfe und Schutz, jetzt ist das notwendig."
Diese Erkenntnis kam am Schicksalstag im Februar des Jahres 2004, als Peter Brill sich, wie oben beschrieben, in die Klinik schlich und drei Tage in stationärer Behandlung blieb. „Ich habe mich in einen geschützten Bereich begeben", erzählt er. „Dort habe ich Unterstützung bekommen, wieder eine Struktur zu haben." Nach der ersten stationären Aufnahme folgten weitere Aufenthalte in der Klinik. Einmal erneut stationär, dann auch in der Tagesklinik und ambulant. Das alles spielte sich im Zeitraum bis Juni 2012 ab. Im Jahr 2007 fand Peter Brill Halt im Glauben. „Das gab mir Kraft und die Möglichkeit, aus der Depression rauszukommen." Die übersinnliche Führung, die Peter Brill für sich auserkoren hatte, stärkte ihn auch im Glauben an seine eigenen Fähigkeiten. In dieser Zeit nahm er noch Tabletten, die ihm gegen die Depression helfen sollten. 2011 nahm er die letzte. „Ich hatte ja mein Konzept vom Kompass, das ich gelebt hatte. Das hat mir sehr geholfen", sagt er.
„Ich will meine Erfahrungen weitergeben"
Der Kompass, den Peter Brill während seiner Depression entwickelte, soll heute anderen helfen. Die Idee kam ihm, weil er einst bei der Bundeswehr war und sich dort mit Kompassen auseinandergesetzt hatte. „Ich hatte in meiner Verzweiflung zum Selbstschutz etwas Griffiges gesucht", sagt er. Bei beruflichen Fortbildungen hatte er immer wieder mit Schlüsselwörtern zu tun. Also zählte er eins und eins zusammen. Ein Kompass ist ein Wegweiser. Und dieser Wegweiser sollte ihn anhand von sieben Schlüsselwörtern aus der Depression führen: Selbst, Kraft, Ordnung, Menschen, Positiv, Anker und Sinn sind die Worte, die die Basis seines Konzepts bilden.
Das war das Medikament für Peter Brill. Sich selbst Kraft zu geben, das schaffte er durch unterschiedliche Tätigkeiten: „Ich bin zum Beispiel mal eine Stunde Laufen gegangen und habe festgestellt, dass ich dann seelisch klarer bin", sagt er. „Der Kopf ist klarer, man spürt einfach Kraft." Danach meldete er sich bei einem Chor an und machte eine Gesangsausbildung. Seit sieben Jahren ist er nun schon an der Musikschule. „Auch das hilft enorm, Wege aus der Depression zu finden. Weil es wichtig ist, seine Ruhe zu finden", erklärt er, „und der Klang kommt am besten, wenn man so richtig schön entspannt ist." Er lächelt. Solche und weitere Tipps, mit einer Depression fertig zu werden, hat er sich selbst zunutze gemacht und aufgeschrieben. In seinem Buch hat er insgesamt 30 Bereiche aufgegliedert. „Das Konzept lebe ich für mich, und ich gebe es in Selbsthilfegruppen weiter", sagt Brill. In klarer, verständlicher und positiver Sprache, großer Schrift und übersichtlichen Kapiteln hilft das Buch denjenigen, denen es schlecht geht, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Das Vorwort schrieb unter anderem der Psychiater Martin Kaiser, der einer der ersten war, die Peter Brill halfen und das Buch als wertvolle Unterstützung für Depressive empfiehlt. Bilder machte Brill mit seiner eigenen Kamera. So entstand ein liebevolles Selfmade-Werk, dem man anmerkt, dass es nicht da ist, um Gewinn zu erwirtschaften, sondern tatsächlich entwickelt wurde, um anderen Menschen zu helfen. „Ich will damit einfach meine Erfahrungen weitergeben, damit auch andere den Weg aus der Depression schaffen", sagt Brill. „Jeder Mensch ist etwas Besonderes, etwas Einzigartiges. Und das sollte man sich immer wieder klarmachen." Rückmeldungen hat Peter Brill viele bekommen. „Auch von vielen Menschen, die sich mit dem Thema auskennen und sagen, es sei hilfreich", freut er sich. Seit der Veröffentlichung im vergangenen Jahr hat er 450 Exemplare verkauft. Ein alleiniges Heilmittel gegen Depressionen kann Peter Brills Kompass aber nicht sein. „Eine Depression verläuft bei jedem anders, weil sie immer verschiedene Ursachen und Auslöser hat", sagt er. „Es ist einfach so, dass man sich der Sache am Anfang gar nicht stellt, sondern meint, man würde so durchkommen. Nachher erkennt man dann, dass man Hilfe braucht und sich helfen lassen muss." Wichtig sei deshalb auch, als Angehöriger oder Freund stets die Augen offen zu halten, wenn jemand den Anschein macht, als stimme etwas nicht. Füreinander da zu sein, sei entscheidend. So, wie es Peter Brills Arbeitgeber tat, als er dem damals in stationärer Behandlung befindlichen Mitarbeiter die Stelle ohne zu zögern freihielt.
Merkt man bei einem engen Freund oder Familienmitglied, dass etwas nicht stimmt, sollte man auf den Punkt achten, an dem „jemand auf positive Dinge nicht mehr reagiert, keine Freude mehr hat, wenn er nicht mehr mitgeht zu anderen, müde und abgekämpft ist", sagt Peter Brill. Dann müsse man sagen: „Mir ist etwas aufgefallen, können wir darüber reden? Ich würde dir gern helfen." An einen depressiven Menschen heranzukommen, sei aber nicht einfach. Sich öffnen, das müsse der Betroffene schon selbst. Peter Brill tat es. Heute ist er zufrieden mit seinem Leben. „Meine Depression hat schon sehr lang gedauert", sagt er. „Man geht da Schritt für Schritt mutig einen Weg. Aber man hat immer ein Ziel vor Augen: die Gesundheit."