In der Erfolgsserie „Babylon Berlin" bezirzte sie mit tiefer Stimme und androgynem Erscheinungsbild. Nun geht Severija Janusauskaite, Sängerin des Erfolgssongs „Zu Asche, zu Staub", auf Deutschlandtour. Im Gepäck die Kostüme der saarländischen Designerin Laura Theiss.
Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel bei dem Severija Janusauskaite eine widerspenstige Strähne ihrer in Wasserwellen gelegten Haare bändigt, dann klopft es auch schon an der Garderobentür. Die Big Band sei bereit, das Konzert beginne in wenigen Minuten. Leichten Schrittes folgt die zarte Schauspielerin aus der deutschen Erfolgsserie „Babylon Berlin" den Bodenmarkierungen Richtung Bühne. Roter Lippenstift, hohe Schuhe und ein feines, transparentes Strickleid mit kleinen gehäkelten Blumen, weiblich und verführerisch. Nichts erinnert mehr an die Rolle der Geheimagentin Swetlana Sorokina, die mit Zylinder, Fliege und einem Dandy-Schnurrbart verkleidet mit ihrem Song „Zu Asche, Zu Staub" die Gäste des Nachtclubs Moka Efti in ihren Bann gezogen hat. Diese androgyne Sexualität ihrer Serienrolle streift Janusauskaite gänzlich ab. An diesem Abend in der Centralstation Darmstadt zeigt Janusauskaite in Begleitung des Moka Efti Orchestra dem Publikum eine ganz neue Facette: sich selbst. Das hat die litauische Schauspielerin und Sängerin mitunter auch Designerin und Wahlsaarländerin Laura Theiss zu verdanken. „Ich wollte einen natürlichen, offenen Look, der mich dem Publikum als Person näherbringt", erzählt Janusauskaite. „Und dann tauchte plötzlich Laura in meinem Leben auf und transportierte mit ihren Designer-Kreationen genau dieses Gefühl." Für die Schauspielerin grenzte diese Begegnung fast schon an ein Wunder. „Man könnte meinen, dass wir uns schon ewig kennen würden. Dabei ist unser Kennenlernen gar nicht so lange her", verrät sie mit einem Lächeln.
Tatsächlich begann die Freundschaft der beiden Litauerinnen vor rund einem Jahr, mit der Ausstrahlung der Serie „Babylon Berlin ". Die teuerste deutsche Kriminalserie der Gegenwart – die Kosten für die Produktion dieser Hommage an das Ende der 20er-Jahre beliefen sich auf satte 40 Millionen Euro – und zog Millionen Zuschauer vor die Fernseher. Auch Laura Theiss ließ an jenen Abenden die Stricknadel in ihrem Atelier liegen und folgte mit Spannung dem Protagonisten der Serie, Kommissar Gereon Rath bei seinen Ermittlungen im Berliner Untergrund. Beim musikalischen Auftritt der russischen Geheimagentin Swetlana Sorokina, verkörpert von Severija Janusauskaite, stockte der Designerin der Atem. „Ihre melancholisch hypnotische Stimme und dieser besondere Song ‚Zu Asche, zu Staub‘ mit seinen Höhen und Tiefen sorgten bei mir für einen richtigen Gänsehautmoment", schildert Laura Theiss ihren ersten Eindruck vom Titelsong der Serie. „Ich war so fasziniert von ihrer Stimme, der Verfremdung mit der sie einzelne Wörter ausgesprochen hat und ihrer Rolle behafteten Unnahbarkeit."
„Natürlicher offener Look"
Doch, dass es tatsächlich Severija war, die ich auf meinem Bildschirm gesehen habe – das fiel mir erst am Ende auf", gibt sie ehrlich zu. Erst beim Abspann liest Theiss den Namen, mit dem sie so viele Filme aus ihrer Heimat verbindet. Für die in Homburg wohnhafte Designerin ein sehr emotionaler Moment. „Und dann hatte ich plötzlich diesen Impuls, ihr zu schreiben und meine Glückwünsche auszurichten." Die beiden Frauen kommen schnell ins Gespräch und stellen fest, dass sie in Vilnius viele gemeinsame Bekannte haben. „Als ich dann gehört habe, dass sie mit dem Moka Efti Orchestra auf Deutschlandtour geht und dafür gern ein Kleid aus meiner Kollektion anziehen würde, sagte ich sofort zu."
Doch mit der Freude kamen auch die ersten Hindernisse. Gesucht wurde ein Look von klassischer Eleganz mit einem Hauch der Goldenen Zwanziger, der den zarten Körperbau der Sängerin unterstreichen sollte und trotzdem so robust ist, um die zahlreichen Shows, die die Big Band auf ihrem Spielplan hat, zu überstehen. „Es war eine ganz neue Aufgabenstellung, die ich so noch nie zu bewältigen hatte", erzählt Theiss. Zwar hatte die amerikanische Sängerin Anastacia schon mal eine Kreation der Homburger Designerin bei einem Shooting getragen, „allerdings war ihr Look nur für Fotos ausgelegt, also kein Bühnenoutfit." Um die Aufgabe erfolgreich meistern zu können, griff Laura Theiss auf ihre Erfahrungen beim Saarbrücker Staatstheater zurück. Für die Ballett-Aufführung „Wings" aus dem Jahre 2012 fertigte sie schon Kostüme für die Tänzer an, so wie auch für die Tanzaufführung „Shadow" aus dem Jahr 2013. Auch in dieser Saison kam das Theater ohne Theiss’ Kostüme nicht aus. Für das Ballett „Spiegelungen" kreierte die Designerin aufwendige Kimonos. Optisch täuschend echt unterscheiden sich die Kostüme von ihren Originalvorlagen in einem wichtigen Punkt: Ihrer Bewegungsfreiheit. „Die Kostüme sollen unterstützen, aber nicht einengen", sagt Theiss. So sollte es auch für Severija Janusauskaite werden.
Eine weitere Herausforderung war der Stil der Sängerin. In der Serie begeistert sie die Zuschauer in einer Art Travestie-Rolle. „Als sie im Film den Song auf der Bühne des Berliner Clubs performt, trägt sie einen Herrenanzug und einen Zylinder", betont Laura Theiss. Um diese Verknüpfung im Kopf der deutschen Zuschauer zu lösen, geht die Designerin in eine entgegengesetzte Richtung. Sie zeigt die Schauspielerin und Sängerin sehr weiblich, nahbar und stark zugleich, „so wie sie eigentlich auch ist und wofür sie so in meiner Heimat bewundert wird". Die Bewunderung erstreckt sich nicht nur über Litauen. Auch in Russland zählt Severija Janusauskaite spätestens seit ihrer Rolle in dem Film „Star" von 2014 – dabei spielt sie eine von ihrem Oligarchen-Ehemann verlassene Frau –
zur führende Riege der weiblichen Schauspieler. Die russischen Zeitungen lobten ihre Wandelbarkeit, „und genau diese Wandelbarkeit sollte auch bei ihrer Konzertreihe zum Vorschein treten." Dafür entwarf Theiss nicht nur ein Kleid. Sie widmete ihr „Inspiration", wie die Designerin ihre neue Herbst/Winter Kollektion „P43" betitelt. „Als ich an den Kleidern gearbeitet habe, entwickelte ich sie mit dem Gedanken an Severija", gibt Laura Theiss lächelnd zu. „Als ich ihre Entwürfe dann zugeschickt bekommen habe, konnte ich mich zunächst gar nicht für ein bestimmtes Kleid entscheiden", erzählt Janusauskaite. „Sie traf einfach genau meinen Geschmack."
Hommage an die 20er-Jahre
So wie auch die Atmosphäre der Konzertreihe. Angelehnt an die ausgelassene Stimmung der Goldenen Zwanziger schaffen auch die 14 Musiker des Moka Efti Orchestras eine musikalische Erinnerung an längst vergangene Zeiten. Dabei wirkt die Show keinesfalls wie eine Kopie der 20er-Jahre-Partys, vielmehr ist es eine moderne, heitere Interpretation mit Severija Janusauskaite im Zentrum des Trubels. Als die zarte Sängerin die Bühne der Centralstation in Darmstadt betritt, rastet das Publikum regelrecht aus. Die Menschen jubeln, tanzen und klatschen im Takt der Musik und richten die Augen auf die blonde Sängerin aus Litauen. Die sie dann vielleicht zum ersten Mal so sehen, wie sie wirklich ist.