Seit sechs Wochen hat die SPD nun eine Doppelspitze. Die strampelt sich leidlich ab, bekommt aber keinen Fuß auf den Boden. Und bei der CDU reibt sich Annegret Kramp-Karrenbauer zwischen Parteivorsitz und Ministeramt auf. Klausurtagungen sollen Klarheit schaffen.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kann ein Wort nicht mehr hören: „Deutschlandtrend". Die regelmäßige Umfrage der ARD. Die erste in diesem Jahr war für die SPD wenig erfreulich, Lars Klingbeil hatte sechs Wochen nach dem Wahl-Parteitag mehr erwartet. 13 Prozent der Deutschen würden SPD wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahlen wären. Den Generalsekretär wird kaum trösten, dass immer der kontinuierliche Trend nach unten gestoppt scheint, auch wenn 13 Prozent für eine einst stolze Volkspartei traurig sind. Richtiggehend alarmiert sein dürfte man in der Parteizentrale aber über ein andere Zahl: 57 Prozent der Befragten kennen Saskia Esken nicht. Die frisch gekürte Co-Parteivorsitzende der SPD ist weit mehr als der Hälfte der Deutschen überhaupt kein Begriff. Der Wert für den anderen Vorsitzenden, Norbert Walter-Borjans wurde nicht abgefragt, obwohl beide zusammen die erste SPD-Doppelspitze bilden.
Dass es mit dem Bekanntheitsgrad der beiden für die zukünftige Öffentlichkeitsarbeit der SPD noch haarig wird, wurde schon auf dem Parteitag deutlich. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis sprach in ihre Wahl-Laudatio für die beiden von „Walter und Eskia", ohne selbst den Lapsus zu bemerken. Ein Gutteil der Delegierten übrigens auch nicht. Seitdem spötteln nicht nur wohlmeinende Genossen gern über die neue Führung „Walter und Eskia".
Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans fehlt es nicht nur an der nötigen Autorität in den eigenen Reihen, sie ist schlicht nicht vorhanden. Zwar haben die beiden ihr gemeinsames Büro im Willy-Brandt-Haus eingerichtet, aber hausintern ist Generalsekretär Lars Klingbeil für alle der Hauptansprechpartner. In der SPD-Führung ist er jetzt beinahe der Dienstälteste, obwohl selbst erst seit gut zwei Jahren im Amt ist. Am längsten vertraut mit der Parteizentrale der SPD sind Hubertus Heil, langjähriger Generalsekretär und heutiger Arbeitsminister und Schatzmeister Dieter Nietan. Aber die beiden haben Besseres zu tun, als sich um das Klein-Klein der Parteiarbeit zu kümmern. Bleibt also nur Lars Klingbeil. Der hatte bereits Ende Dezember quasi im Namen der Partei klargestellt: „Wir machen jetzt weiter. Diese Regierung ist bis zum Jahr 2021 gewählt." Damit standen die beiden Co-Vorsitzenden Walter-Borjans und Esken" dann endgültig im sozialdemokratischen Regen. Schließlich wollten die beiden alles zumindest noch mal jetzt im Januar auf den Prüfstand stellen, nachdem sie bereits im Vorfeld des Parteitages von ihrem angekündigten Groko-Ausstieg abrücken mussten. Doch auf der Klausur der SPD-Bundestagsfraktion Mitte des Monats wurde klar, dass nicht die Co-Vorsitzenden Esken und Walter-Borjans die inhaltlichen Vorgaben machen. Neben dem Generalsekretär gibt Rolf Mützenich, der Chef der Bundestagsfraktion, den Ton an. Der 60-jährige Kölner ist ein echter Charme-bolzen. Mützenich attestierte dem Co-Vorsitzenden Walter-Borjans, er sei ein „erfahrener Landes- und Kommunalpolitiker, der sich auch mit Bundespolitik befasst hat". Mehr Geringschätzigkeit geht wohl kaum. Die Doppelspitze weiß jetzt zumindest, wo der sozialdemokratische Macht-Hammer hängt: beim Generalsekretär und dem Fraktionschef im Bundestag. Nun versuchen die beiden Vorsitzenden irgendwie immer mal wieder irgendein Themengebiet zu bespielen. Nicht immer glücklich. Nach dem Silvester-Polizeieinsatz in Leipzig-Connewitz kritisierte Esken die Polizei. Die wiederum wehrte sich mit dem Hinweis, dass „Frau Esken nicht dabei war". Saskia Esken entschuldigte sich und ruderte zurück. Von der Forderung nach sofortigen 12 Euro Mindestlohn sind die beiden ebenfalls schon abgerückt, wie vom Klassenziel: 30 Prozent bei der nächsten Bundestagswahl für die SPD. Das wurde weit nach unten relativiert. Letzter Höhepunkt der parteiinternen Geringschätzung: Die Parteiführung ist für den Bürgerschaftswahlkampf in Hamburg im Februar „nicht eingeplant". Also eigentlich ausgeladen. Denn Peter Tschentscher will einen „Bürgerschaftswahlkampf mit reinen Hamburger Themen".
SPD-Doppelspitze noch nicht im Tritt
Diesbezüglich wird Annegret Kramp-Karrenbauer von den Ihrigen im Bürgerschaftswahlkampf schon besser behandelt. Nicht nur die CDU-Chefin ist gefragt, sondern die gesamte CDU-Spitze ist am dritten Januar-Wochenende in der Hansestadt zur Klausur angerückt. Gleichzeitig sollte dies auch der Weckruf für die heiße Phase des Bürgerschaftswahlkampfes sein. Was für die CDU auch dringend nötig ist. In den Umfragen ist sie weit abgeschlagen, mit einem Spitzenkandidaten, den kaum einer kennt: Marcus Weinberg. Doch nun bekommt der 52-Jährige, seit sechs Jahren familienpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Wahlkampfunterstützung von seiner Parteichefin. Doch auch Annegret Kramp-Karrenbauer hat Akzeptanzprobleme, was mit ihrem etwas sehr holprigen Start als Parteivorsitzende, übrigens in Hamburg vor gut einem Jahr, seinen Anfang nahm.
Mittlerweile ist die Vorsitzende gleichzeitig auch als Verteidigungsministerin in Regierungsverantwortung eingetreten, was die Sache nicht einfacher macht. Vor allem, da die 57-Jährige genau das ursprünglich nicht wollte: Parteiführung und Ministeramt. Aus gutem Grund, wie sich Anfang Januar gezeigt hat. Luftschläge der US Air Force gegen hochrangige iranische Militärs, Raketenangriffe auf internationale Militärstützpunkte im Irak. Deutsche Soldaten in Lebensgefahr. Von der Verteidigungsministerin ist vier Tage wenig zu vernehmen. Sie ist zur CSU-Klausur auf Kloster Seeon im Chiemgau, in ihrer Funktion als Parteichefin. Für nicht wenige in der CDU völlig unverständlich. Die Welt am Rand eines kriegerischen Flächenbrandes und die Verteidigungsministerin macht Parteipolitik in Oberbayern. Wozu hat sie Generalsekretär Paul Ziemiak? Genau diese Problematik hat die heutige CDU-Chefin Kramp-Karenbauer bereits im FORUM-Interview nach ihrer Wahl zur Generalsekretärin im Februar 2018 skizziert. Nun versucht sie die Quadratur des Kreises.
Derweil mahnt CSU-Chef Söder eine dringende Verjüngung des Bundeskabinetts an, um „Aufbruchstimmung" zu erzeugen. Das war natürlich ein freundlicher Tiefschlag in die politische Magengrube seines Vorgängers, Innenministers Horst Seehofer, der mit 70 Jahren der älteste im derzeitigen Kabinett Merkel ist. Anstelle diesen „wohlmeinenden Vorschlag" des bayerischen Ministerpräsidenten zu ignorieren, stieg Kramp-Karrenbauer darauf ein. „Markus Söder hat jetzt von einer Kabinettsumbildung gesprochen, ich spreche von einem Zukunftsteam". Das lässt alles ziemlich offen. Im politischen Berlin kam das als Zustimmung für eine Kabinettsumbildung an. Daraufhin stellte sich in der Großen Koalition die Frage, wer denn nun eigentlich die Regierungschefin ist. Sprecher Seibert musste klarstellen: „Die Bundeskanzlerin arbeitet mit allen Ministerinnen, mit allen Ministern gut und gerne zusammen". Da war Kramp-Karrenbauer auf der Suche nach ihrer Rolle wohl doch etwas übers Ziel hinausgeschossen. Auch für sie geht es ebenfalls um Autorität in den eigenen Reihen, die sie tatsächlich nicht uneingeschränkt hat. Junge Union und Werteunion belegen dies immer wieder gern aufs Neue, indem sie ungefragt dazwischenfunken.
AKK zwischen Partei und Ministerium
Unterm Strich geht es für Union und SPD vor allem um eines: Beide Parteien haben die Kanzlerkandidatenfragen nicht ansatzweise geklärt. Und so lange die Umfragen so sind, wie sie derzeit sind, verspürt auch niemand große Lust nach vorgezogenen Neuwahlen.