Familie Carrier führt in Voellerdingen das Biolädle „Les Vergers d’Arlette". Hier werden nur eigene Produkte aus besten Zutaten verkauft.
Ich bin mal wieder im Krummen Elsass unterwegs. Mein Freund Michael Weber, der mit der „Brasserie" die älteste Kneipe am St. Johanner Markt betreibt, erzählte mir vor Kurzem, er würde in dem kleinen Ort Voellerdingen gerne Brot kaufen. Das steht heute aber nicht auf dem Zettel. So entdeckte ich aber diesen Ort und den Bioladen „Les Vergers d’Arlette" der Familie Carrier. Losgefahren in Saarbrücken, kam ich dann über Saargemünd, Sarralbe, Keskastel nach Voellerdingen. Ein kleines Dorf, an einem Freitagmorgen ist kein Mensch auf der Straße. Hier scheint der Hund begraben. Vielleicht sagen sich hier auch Hase und Igel gute Nacht.
Die Biobewegung stieg im Elsass in den vergangenen Jahren rasant an. So gab es 2007 noch 289 Biohöfe. 2017 waren es dann schon 733. Und gleich, welche Statistik ich mir anschaue, ob unter den Rubriken Futter, Getreide, Wein, Gemüse oder Obstbäume, die Statistik zwischen den Jahren 2007 und 2017 zeigt steil nach oben. Doch nicht nur die Produktion stieg stetig an, auch Biomärkte, Bioläden und selbst große Biosupermärkte wuchsen in den vorigen Jahren wie Pilze aus dem Boden.
Als wir am „Biolädle", so nennen alle hier den Laden der Familie Carrier, vorfahren, sehen wir einen großen Wagen mit der Aufschrift: Les Vergers d’Arlette, Produits de l’agriculture biologique. Darunter das Emblem von Demeter. Also Demeter ist für mich schon etwas anderes als die Biolabel der Europäischen Union. Diese nehme ich nicht besonders ernst. Manchmal denke ich, diese sind nur gemacht, um die Menschen zu beruhigen, die im Discounter oder Supermarkt einkaufen. Bio ist für mich, wenn etwa Demeter oder Bioland auf einem Produkt steht. Aber Bio ist für mich nicht, wenn EU-Beamte das beschließen.
Der Hausherr erwartet uns schon. Ab 1994 sind sie in das Biogeschäft eingestiegen, höre ich. Gérard Carrier erzählt von den Anfängen: „Les Vergers bedeutet ‚die Obstgärten‘. Wir wollten zuerst ein Grundstück kaufen, mit Obstbäumen für die Familie. Zunächst kauften wir etwa einen Hektar, voll gepflanzt mit Obstbäumen. Das hat für die Familie mehr als gereicht."
Sie stellten fest, dass ihre Obstbäume eine hervorragende Qualität lieferten. Vor allem die Äpfel hatten es Monsieur Carrier angetan. Er zeigt mir eine alte, kleine Obstpresse, die in der Ecke steht. Damit hatte er angefangen. Nach drei, vier Jahren kaufte Carrier weitere Bäume dazu. Und es wurde immer mehr. Heute verfügt er über einen Baumbestand von etwa zwölf Hektar. Schon bald brauchte er eine größere Obstpresse, um seinen Saft herzustellen. Die kaufte er sich auch. Deshalb steht die alte, kleine Obstpresse schon Jahrzehnte in der Ecke.
Die Obstbäume liefern eine Top-Qualität
Heute produziert er alles Mögliche. Natürlich Säfte mit Äpfeln, Zwetschgen, Mirabellen, Birnen und Holunder, wenn genügend von dem jeweiligen Obst da ist. Er macht auch warmen Apfelsaft mit Sternanis. Er brennt zudem Liköre, Edelbrände, stellt Essig her, vor allem Apfelessig, und auch Cidre. Dazu kommen dann noch Sirup und Konfitüren. Alles, was man aus Früchten machen kann, wird hier verarbeitet und verkauft.
Dazu braut der Biolandwirt auch Bier. Grundlage ist für ihn das Dinkelbier. Da er ja nicht dem Deutschen Reinheitsgebot unterliegt, braut er so manches seiner Biere auch mit Früchten. Etwa mit Zwetschgen, Äpfeln, Mirabellen und Löwenzahn. Alles in Demeter-Qualität!
Er hat, bis auf eine Ausnahme – Weine eines befreundeten elsässischen Winzers – nur noch seine eigenen Produkte hier im Laden. Das war mal anders, lief aber nicht richtig. Am Anfang hatte er viele unterschiedliche Bioprodukte im Biolädle. „Doch", sagt er etwas traurig, „unser Dorf ist zu klein. Niemand kam. Wir aßen mit der Familie sechs Monate Wurst und Geiskäs selber. Da hatte ich bald genug davon!" Er hatte auch Bioschokolade und Bionudeln, doch es lief einfach nicht.
Eigentlich ist er nicht als Biobauer geboren. Er erzählte mir, dass er lange Zeit sein Geld anders verdient hatte. Nach dem Militär arbeitete er bei der Post und der Telekom. Denn eigentlich ist er von Beruf Buchhalter. Auch im Justizministerium war er tätig. Doch zwei Träume hatte er: Er wollte Bioprodukte und Obstbäume haben. Der Name „Les Vergers d’Arlette" bedeutet die Obstbäume von Arlette. Arlette heißt seine Frau mit Vornamen. Anfangs machten sie nur Apfelsaft. Doch das hat sich heute grundlegend geändert. Lächelnd erzählt er, er könne nicht all seine Produkte auf seinen Anhänger laden. Das seien zu viele.
Von Beruf ist Carrier eigentlich Buchhalter
Wir erkunden die weiteren Räume des Hauses. Hier wartet an jeder Ecke eine positive Überraschung. Hinter dem Verkaufsraum geht es nämlich in verschiedene Bereiche, zuerst in die Bierbrauerei. Danach zeigt er uns, wie und wo er seine Edelbrände herstellt. Er zeigt uns, wo das Bier gekocht wird, den Gärtank und die Filteranlage. Er produziert untergäriges Bier. Damit bezeichnet man jenes, das unter zwölf Grad gärt. So ein Gärvorgang dauert bei ihm zwischen vier und sechs Tage.
Nach dem Gärprozess füllt er seine Biere in Flaschen ab. Mit Dinkel läuft der ganz normale Brauvorgang. Danach macht er seine Spezialbiere. Auch Waldmeister gehört dazu. Er erzählt: „Die Biere mit Früchten werden in der ersten Gärung mit Fruchtsaft gemacht. Dann verwandelt sich der Zucker in Alkohol. Da bleibt ein kleiner Geschmack. Bei der zweiten Gärung kommt noch etwas Eau de vie dazu. Keine Aromastoffe, alles ganz natürlich!" Wir gehen in den nächsten Raum. Hier brennt er Hochprozentiges. Er zeigt mir einen uralten Brennofen und erklärt, dass dieser mindestens 60 Jahre alt sei. Das einzige, was er an dieser Antiquität verändert hat: Er brennt mit Gas. Alle Früchte brennt er –
Äpfel, Himbeeren, Kirschen, Schlehen, Mispeln, Birnen und Quitten. Und immer in zwei Schritten.
Bei unserem Besuch ist er gerade dabei, einen Kirschschnaps zu brennen. Ein Durchgang ist bereits vollzogen, ein zweiter folgt. Hier gibt es nur Doppelbrand, die Himbeere brennt er sogar dreimal. An diesem Morgen dominiert der Kirschgeruch und verfolgt uns eine ganze Weile.
Carriers Arbeit ist erfolgreich, er wurde für seine Brennkunst bereits mehrere Male ausgezeichnet. In Frankfurt bei einer bedeutenden Messe beispielsweise. Für seinen Williams bekam er 2019 Gold. In diesem Jahr, auch in Frankfurt, wurde sein Waldmeisterlikör ebenfalls mit Gold ausgezeichnet. Für sein Himbeerdestillat bekam er sogar „großes Gold". Die Rangfolge ist Bronze, Silber, Gold und großes Gold. Auch national machte er 2019 auf sich aufmerksam. Da gab es bei einem Concours in Lyon für die Mirabelle Silber.
Für mich ist es immer wieder spannend und lehrreich, was man bei uns quasi vor der Haustüre so alles entdecken kann. Es sind nur wenige Kilometer von Saarbrücken bis hierher. Und bei „Les Vergers d’Arlette" hat man viele Möglichkeiten, tolle und vor allem sehr gesunde Lebensmittel zu entdecken. In Demeter-Qualität, ohne Chemie und Aromenzusätze. Einfach natürlich und gut. So, wie es sein muss.