Mehr als 175 Museen gibt es in Berlin, die Einblick in Geschichte und Wissenschaft geben, herausragende Kunstschätze präsentieren oder sich ziemlich skurrilen Themen widmen. Wir stellen in lockerer Reihenfolge einige „Stars aus der zweiten Reihe" vor.
Dabei geht es um die Beziehungen zwischen Berlin und den Alliierten, um Architekturzeichnungen und -entwürfe und um die Kunst des Marionettenspiels.
Ein Kapitel Berliner Geschichte
Jörg T. kann sich noch genau daran erinnern, dass er als Jugendlicher im Quartier der US Army in das Kino „Outpost" wollte. Doch nur amerikanischen Armeeangehörigen war der Besuch des 1953 erbauten Kinos erlaubt, sie konnten jedoch eine Begleitung mitnehmen. Und so kam auch Jörg T. als Begleiter eines amerikanischen Soldaten ab und zu in die begehrten Filmvorführungen – mit Leihschlips, denn auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Anzugsordnung wurde besonders geachtet. Nach Abzug der Alliierten, seit 1994, beherbergt das Kino das Alliiertenmuseum Berlin.
Imposant steht ein Flugzeug an einem eigentlich unüblichen Platz in der Clayallee in Berlin-Dahlem. Die Propellermaschine Hastings TG 503, die größte Transportmaschine 1948 zur Zeit der Berliner Luftbrücke, ist eines der unübersehbaren Exponate des Museums. Das auf rund 5.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche Berliner Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentiert. Der erste Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit der Zeit der Besatzung durch die vier Siegermächte USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion – im zweiten Teil geht es um die Zeit des Kalten Krieges mit den Konflikten und Auseinandersetzungen zwischen Ost und West.
Besucher werden in der ehemaligen Eingangshalle des Kinos „Outpost" mit einem großformatigen Foto zurück in die Nachkriegszeit versetzt. Die Aufnahme vom 4. Juli 1945 zeigt Berliner Kinder und Frauen, die am Straßenrand stehen und auf die kommenden britischen Soldaten warten. Die gehörten zusammen mit den Amerikanern, Sowjets und Franzosen zu den Alliierten, die vier Mächte hatten den Krieg gegen das nationalsozialistische Deutschland gewonnen. Gesichter auf dem Foto zeigen durchaus Skepsis und Bedenken, und Pop-up-Fenster auf dem Foto stellen die Fragen, die einigen der Menschen auf dem Foto wohl durch den Kopf gingen. Doch einige Jahre später ist der Argwohn der Westberliner gegenüber den westlichen Alliierten verflogen. Und als am 24. Juni 1948 die sowjetischen Truppen alle Zufahrtswege nach Westberlin blockierten, wurden die drei Siegermächte zu den Beschützern der Westberliner Bevölkerung, oft sogar zu Freunden. Dieses wichtige Kapitel der Geschichte zeigt das Museum in seiner Dauerausstellung „Wie aus Feinden Freunde wurden".
Denn durch die Blockade ging nichts mehr auf dem Landweg. Transporte mit lebenswichtigen Gütern konnten West-berlin nur noch durch die Luft erreichen. Ein Originaldokument veranschaulicht die detaillierte Koordinierung der Luftbrücke „Standard Operating Procedures, Airlift Task Force" von 1948 zwischen den Flughäfen Fassberg und Berlin-Gatow durch General Lucius D. Clay.
Gezeigt werden Care-Pakete, die Westberlin über den Luftweg erreichten. Gepackt von amerikanischen Familien, die die Westberliner Bevölkerung mit Lebensmitteln unterstützen. „Es kam auch schon mal vor, dass sich zum Beispiel ein rosarotes Negligé in einem Paket befand, als „lebensnotwendig" von der Absenderin eingestuft", so erzählt es Referentin Janke Küster bei einer Führung.
Speziell die Kinder erhielten aus der Luft Süßigkeiten, initiiert durch den Piloten Gail Halvorsen, der als erster Pilot kleine Mini-Fallschirme mit Süßigkeiten über Tempelhof abwarf. Insgesamt landeten dadurch etwa 20 Tonnen Süßigkeiten bei den Berliner Kindern. Und so gingen die „süßen Flugzeuge" als „Rosinenbomber" in die Geschichte ein.
Ein großes Originalplakat ruft auf: „Kohle nach Berlin", denn auch die Stromversorgung war blockiert. Mit vorwiegend Kohletransporten kam auch die in der Außenanlage des Museums stehende Hastings zum Einsatz. Die problematische Energieversorgung sicherte man mit einem Kraftwerksbau „aus der Luft". Kraftwerksteile und Baustoffe mit einem Gesamtgewicht von fast 1.500 Tonnen wurden in über 500 spektakulären Flügen nach Berlin-Spandau geflogen. Es entstand das Kohlekraftwerk Spandau, das in einem Modell zu sehen ist.
In dem zweiten Teil der Ausstellung, in der auf dem Areal des Museums befindlichen Nicholson-Gedenkbibliothek, steht die Zeit der Alliierten von 1951 bis 1994 im Fokus. Eine Zeit, besonders gekennzeichnet durch den Kalten Krieg: Spionagetunnel und Währungsunion, Berlin-Besuche von John. F. Kennedy und Ronald Reagan, Mauerbau und Mauerfall sind dabei die historisch bedeutsamen Ereignisse.
Das Leben der rund 6.000 amerikanischen, 3.500 britischen und 3.000 französischen Soldaten in Berlin wird in Foto-Dokumentationen und Videos gezeigt. Insgesamt waren für die Alliierten zwischen 1945 und 1994 rund 250.000 Zivilbeschäftigte tätig – local nationals. Es waren all diese Menschen, die auch den Alltag Westberlins bereicherten. Beiderseitige Annäherung war für die Alliierten und die Westberliner in dieser Zeit wichtig und so blieben nach dem Abzug der Alliierten in Berlin auch das Deutsch-Französische Volksfest und das Musikfest „Tattoo" beliebte und gut besuchte Veranstaltungen.
Vor der Pandemie kamen pro Jahr etwa 70.000 Besucher in das Museum nach Dahlem. Ein Umzug nach Tempelhof – dort soll es eine weit größere Ausstellungsfläche geben – ist bereits geplant. Der genaue Zeitpunkt des Wechsels steht aber noch nicht endgültig fest, sagt Museumsdirektor Jürgen Lillteicher. Das Stück Berliner Mauer, der Checkpoint Charlie-Kontrollposten, ein französischer Militärzugwagen sowie die Hastings TG 503 werden am neuen Standort in Berlin-Tempelhof, im Flugzeughangar 7, dann nicht mehr wie bisher im Freien neben dem ehemaligen Kino „Outpost" stehen.
Alliiertenmuseum
Clayallee 135, 14195 Berlin
Spezielles Kleinod
Mitten in Berlin im Prenzlauer Berg scheint es, als hätten sich vier Beton-Würfel auf einer Grundfläche von acht mal zwölf Metern übereinandergestapelt. Das Bauwerk umschließt einen kleinen Schatz, ein Museum über eine allgemein weniger beachtete Kunstform. In unserem digitalen Zeitalter werden Architekturentwürfe überwiegend am Computer konstruiert. Aber Sergei Tchoban, leidenschaftlicher Sammler von traditionellen Architekturzeichnungen, gründete 2009 die Sergei Tchoban Foundation und baute 2013 das Museum für Architekturzeichnung in Berlin. „Es ist das erste Museum weltweit, das sich ausschließlich der Kunst der architektonischen Handzeichnung widmet", erklärt Nadejda Bartels, die Direktorin des Museums. „Wir präsentieren hier nicht nur Teile der eigenen Sammlung, sondern auch Ausstellungen in Zusammenarbeit mit internationalen Museen." Dazu gehören Kooperationen mit Häusern auf der ganzen Welt – zum Beispiel mit dem ältesten Architekturmuseum der Welt, dem Sir John Soane’s Museum in London, der Staatlichen Tretjakow-Galerie, Moskau, oder der Albertina in Wien. In den Ausstellungen präsentiert das Museum der Öffentlichkeit Originalzeichnungen und -skizzen, da geht es mal um US-amerikanische Architekten und Architekturzeichner des 20. und 21. Jahrhunderts, dann wieder um Skizzenbücher von zehn Architekten der Moderne wie Hans Poelzig, Le Corbusier und Adolfo Natalini. Seit der Eröffnung des Museums im Juni 2013 waren hier schon die großen Namen der internationalen Architekturwelt in Einzelausstellungen zu sehen: darunter Alexander Brodsky, Peter Cook, Hans Poelzig und Lebbeus Woods. Die Techniken sind dabei genauso vielfältig wie die Themen – die Ansichten, Skizzen, Perspektiven, Grundrisse und Architekturfantasien entstehen als Zeichnungen mit Bleistift, Kohle, Pastellkreide oder als Collage in Mischtechnik.
Prominent erscheint in der aktuellen Ausstellung „Stalins Architekt: Aufstieg und Fall von Boris Iofan" die Zeichnung des „Palast der Sowjets" in Moskau von Iofan. Der „Hofarchitekt" Stalins entwarf den bekannten Palast als sein bedeutendstes Architekturobjekt, das Gebäude, das höher als die Freiheitsstatue in New York werden sollte, wurde zwar nie fertiggestellt, dafür aber Pavillon der UdSSR auf der Weltausstellung 1937 in Paris.
„Unser Museum, so klein es ist mit seiner Gesamtfläche von etwa 400 Quadratmetern, wurde nach modernsten energetischen, klima- und brandschutztechnischen Parametern gebaut. Wir haben bautechnisch konsequent berücksichtigt, dass kein UV-Licht die Exponate in der Ausstellung oder Feuchtigkeit im Depot die Zeichnungen beeinträchtigen", so Nadejda Bartels. Gestalterisch greift das Museum immer wieder das Thema Architekturzeichnungen auf, ob bei der Wandvertäfelung im Foyer, im Treppenhaus, bei den Türbeschlägen oder bei den Reliefs der Außenfassade, die abstrahierte Architekturzeichnungen darstellen.
Museum für Architekturzeichnung,
Christinenstraße 18a, 10119 Berlin
Aktuelle Ausstellung: „Stalins Architekt. Aufstieg und Fall von Boris Iofan", bis 15. Mai 2022
An Fäden zum Leben erweckt
Im Puppentheater-Museum in Berlin-Neukölln atmet man nach den langen Phasen der Schließung und strikten Corona-Regeln auf und hofft, dass sich die Plätze vor den kleinen Theaterbühnen wieder öfter füllen, mit Kita-Gruppen, Schulklassen und Familien.
„Es war schwer für uns, die Pandemie durchzumachen. Unser Haus lebt von den Live-Situationen. Oft erleben Kinder bei uns den ersten Theaterkontakt", erzählt Elke Bremer. Sie ist für die Leitung des Trägervereins Puppentheater-Museum tätig. „In unserem umfangreichen Puppentheater-Programm spielen wir bereits für Kinder ab zwei Jahren." Wechselnde Künstler treten mit charmant aufgearbeiteten Märchenklassikern und neuen Stücken vor maximal 50 Zuschauerinnen und Zuschauern auf. „Vor der Aufführung lernen die Kinder die verschiedensten Puppen und Marionetten aus unserer historischen Sammlung kennen", unterstreicht Elke Bremer. Während der Pandemie hatten die Mitarbeiter des Museums viel Zeit, weil es kaum Aufführungen gab, und so haben sie eine neue Ausstellung konzipiert.
In den Vitrinen, nach Themengruppen geordnet, stehen und hängen die unterschiedlichsten Figuren. Zu Beginn Teufel, Dämonen oder sizilianische Ritter aus der „Opera die Papi". Diese Marionetten sind bis zu 25 Klogramm schwer. Im Themenbereich der 1920er- und 1930er-Jahre präsentieren sich Fred Astaire, Ginger Rogers und Charlie Chaplin als Marionetten. Das Marionetten-Theater Mole aus Berlin feierte mit ihnen große Erfolge im Friedrichstadtpalast und Wintergarten, auch zur Pausenunterhaltung.
Die hier präsentierte Sammlung stammt aus dem Nachlass des Gründers des Puppentheater-Museums, Nikolaus Hein. Seit seinem Tod weiß der Trägerverein noch nicht genau, wie die Erben mit dem Sammlungsbestand umgehen werden. Aber inzwischen erreichen den Verein Spenden und Schenkungen, die eine Sammlung der unterschiedlichsten Puppen und Marionetten wachsen lassen.
Da thront er, der große Paradekasper, in einer Vitrine mit verschiedenen anderen Handpuppen aus Vergangenheit und Neuzeit. Die Köpfe der Figuren schnitzten die Künstler nach Wunsch der Puppenspieler, zumeist aus Lindenholz, und auch die Kostüme wurden eigenhändig entworfen und geschneidert. Und dann sind da noch die Kreuze, an denen die Fäden für die Glieder der Puppen befestigt werden. Jede einzelne Figur ist ein Unikat, bemerkenswert und außerordentlich sehenswert. Einige der ausgestellten Marionetten spielten schon vor über 100 Jahren Geschichten aus dem Alltag, Märchen oder Klassiker auf öffentlichen Plätzen und in Sälen das Repertoire ihrer fahrenden Spielerfamilien. Heute, im zeitgenössischen Figurentheater, kommen auch politische oder Umweltthemen auf die Bühne. Aktuelle gesellschaftliche Themen griff zum Beispiel die Künstlerin Natalie Harder bereits in den 60er-Jahren auf. Sie verwendete weggeworfene Materialen, stellte daraus Puppen her und kreierte ein pädagogisch-therapeutisches Puppenspiel.
Der 1934 geborenen Berlinerin ist in der Galerie im ersten Obergeschoss eine Sonderausstellung zu ihrem Lebenswerk gewidmet. Neue Ideen und Stücke umsetzen, mehr Gastspiele und eine hybride Nutzung der Räumlichkeiten des Museums, so definiert der Verein seine Ziele für die Zukunft. Bei der Umsetzung werden Handpuppe Blasius, der Hausmeister, und Marionette Pinocchio helfen, denn mit ihnen dürfen die Besucherkinder das Puppenspiel selbst ausprobieren.
Puppentheater-Museum
Karl-Marx-Straße 135, 12043 Berlin