Der 43-jährige Geigenbauer Stefan Rehms aus Markneukirchen hat sich weltweit einen exzellenten Ruf erarbeitet. Das Handwerk wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Doch er treibt es zur Perfektion und wird zu einem der besten seiner Zunft.
Auch ein Stradivari hat mal klein angefangen“, sagt Stefan Rehms und grinst übers ganze Gesicht. Ernst fügt er hinzu: „Mein größter Traum ist es, dass irgendwann Musiker meine Instrumente genauso verehren wie seine.“ So verrückt das klingt, er ist überzeugt, dass man mit Können und Leidenschaft fast alles erreichen kann. Beides hat der 43-jährige Geigenbauer aus Markneukirchen im sächsischen Vogtland reichlich.
Wenngleich der Hansdampf in allen Gassen ursprünglich Sozialarbeiter werden wollte, so war ihm seine Berufung doch schon in die Wiege gelegt worden. Nicht nur, weil er in einem Ort aufwuchs, der seit Jahrhunderten vom Instrumentenbau lebt. „Mein liebster Spielplatz war das Holzlager der Musikinstrumentenmanufaktur, in der meine Eltern arbeiteten“, erzählt er. Als es dann 1995 ernsthaft an die Berufswahl ging, war er längst mit dem Virus infiziert. Spätestens nach dem Probetag bei seinem späteren Lehrmeister Jörg Wunderlich wusste Stefan sicher, dass er Geigenbauer werden wollte.
„Ich tanzte schon immer gern aus der Reihe“
„Wunderlich war ein strenger Chef. Jeden Arbeitsschritt ließ er mich so lange wiederholen, bis ich ihn im Schlaf beherrschte. Wie oft hatte ich Blasen an den Fingern, was habe ich ihn verflucht. Doch heute bin ich ihm unendlich dankbar“, sagt Stefan Rehms. „Wie stolz war ich auf meine erste komplett selbst gebaute Geige, mein Gesellenstück – ein Modell von Giuseppe Guarneri, dem neben Stradivari bekanntesten Geigenbauer des 17. Jahrhunderts. „Da alle anderen Lehrlinge ein Stradivari-Modell bauten, entschied ich mich für ihn. Ich tanzte eben schon immer gern ein bisschen aus der Reihe.“
In den zwei Jahren, die er nach der Gesellenprüfung noch bei seinem Meister blieb, lernte er auch Studenten des Studiengangs Musikinstrumentenbau Markneukirchen der Fachhochschule Zwickau kennen. An dieser deutschlandweit einzigartigen Ausbildungsstätte perfektionieren in einem vierjährigen Studium begabte Zupf- und Streichinstrumentenbauer aus der ganzen Welt ihre handwerklichen Fertigkeiten. Dabei erwerben sie umfangreiche Kenntnisse, die sie zum Bau hochwertiger, künstlerisch gestalteter Musikinstrumente befähigen. Was die Studenten erzählten, gefiel dem ehrgeizigen jungen Mann. Dort wollte er auch studieren.
„Brauchst du denn das, du bist doch von hier?“, fragten ihn viele der alteingesessenen Markneukirchener Instrumentenbauer. Das Talent des jungen Geigenbauers war auch den Mitgliedern der Aufnahmekommission der Fachhochschule nicht verborgen geblieben, und so wurde Stefan als einziger seines Jahrgangs ohne Eignungsprüfung immatrikuliert. Er enttäuschte nicht, beendete 2004 sein Studium als Jahrgangsbester und bekam gleich einen Honorarvertrag als Dozent. Parallel zum Studium machte Stefan Rehms seine Meisterausbildung, 2007 wurde er in den Meisterprüfungsausschuss der Handwerkskammer berufen. Ein paar Jahre arbeitete er noch als Angestellter in einer Markneukirchener Manufaktur, bevor er sich 2012 für die Selbstständigkeit entschied.
In seiner knapp 60 Quadratmeter großen Werkstatt entstehen aus jahrzehntelang abgelagertem Holz Geigen, Bratschen und Celli. Gerade arbeitet er an einer Violine. „Es ist schon ein fantastisches Gefühl, ein Stück Holz mit den eigenen Händen in ein wunderschönes Instrument zu verwandeln“, schwärmt er, während er mit einem winzigen Hobel Span für Span von dem 200 Jahre alten Bergahorn abnimmt, der einmal der Geigenboden wird. Nicht zu viel und nicht zu wenig, sonst klingt das Instrument später nicht optimal. Die Decke wird er aus Fichte arbeiten, das Griffbrett aus Ebenholz, ein selbst entwickelter Öllack vollendet das Werk nach etwa 200 Arbeitsstunden. Für ein Cello braucht er bis zu 14 Monate. Jedes Instrument ist ein Unikat nach den Wünschen der Kunden. Stefan Rehms’ Ruf als Instrumentenbauer hat sich inzwischen weit über die Landesgrenzen herumgesprochen, Wartezeiten von mindestens einem Jahr sind normal. Rund 100 Geigen, Celli und Bratschen hat er schon gebaut. Wenn man ihn fragt, was sie auszeichnen, so macht er es kurz: „Penibel gebaute Instrumente mit Seele“. Kein Wunder also, dass Musiker aus aller Welt an seine Tür klopfen.
Rehms fungiert auch als Mentor und Dozent
Längst kann Rehms seine „Babys“ loslassen, was ihm anfangs sehr schwerfiel. Sogar sein Meisterstück hat er letztlich hergegeben: an eine begabte junge Violinistin aus Hongkong. „Als sie das Instrument anspielte, wusste ich, dass sich zwei gefunden hatten“, erinnert er sich noch gut. „Irgendwann einmal möchte ich meine Meistergeige in einem Konzert in Hongkong hören.“
Mit gleicher Leidenschaft wie dem Neubau widmet er sich Reparaturen von Streichinstrumenten, vorrangig aus dem 17. und 18. Jahrhundert. „Das ist schon was ganz Besonderes. Man fragt sich, welche Geschichte hinter dem Instrument steckt“, erzählt er. Wie die von dem 2,30 Meter großen Kontrabass aus der Dresdner Frauenkirche, der 1942 nach Markneukirchen ausgelagert wurde. Vor einigen Jahren nun sollte das von Holzwürmern zerfressene Instrument aus dem Jahr 1695 endlich restauriert werden. Rehms gewann die Ausschreibung und machte sich voller Ehrfurcht an die Arbeit. Heute kann man die „Dicke Berta“, wie der Kontrabass genannt wird, im Musikinstrumentenmuseum in Markneukirchen bewundern.
Auch hoffnungslose Fälle gibt er so schnell nicht auf. Wie beispielsweise eine Geige, die das Elbehochwasser 2013 in alle Einzelteile zerlegt hatte. Rehms reparierte sie kostenlos, jetzt klingt sie wieder, als sei ihr nichts geschehen. Genau wie die Violine, die ein Auto überrollt oder eine andere, die den Sturz aus der dritten Etage nicht heil überlebt hatte.
Vor wenigen Monaten stellte der Geigenbauer erstmals eine Gesellin ein. Bald allerdings ist er wieder allein in seiner Werkstatt, denn die junge begabte Frau beginnt im Herbst dieses Jahres ein Studium an seiner einstigen Fachhochschule. Stefan Rehms wird dann ihr Dozent und Mentor sein.