Fine Dining ist auch in der griechischen Küche längst kein Fremdwort mehr. Küchenchefs nehmen traditionelle Gerichte und Produkte und setzen diese modern in Szene.
Tzatziki, Souvlaki, Gyros, Moussaka und Bauernsalat – typische griechische Gerichte, die jeder Urlauber aus „seiner“ Strand-Taverne kennt. Und auch in griechischen Restaurants hierzulande stehen die Klassiker hoch im Kurs. Auch für Dimitris Pamporis, einen der bekanntesten Köche Griechenlands und Küchenchef der Restaurants „Bubo“ und „Treehouse“ im „Ekies All Senses Resort“ auf Chalkidiki, der auch schon im berühmten „Hangar 7“ in Salzburg gekocht hat, sind diese Gerichte „Inbegriff der griechischen Urlaubsküche“. Das aber ist nur die eine Seite der kulinarischen Medaille. Die griechische Küche ist längst auch in der Moderne angekommen, bedient das Casual- und Fine-Dining, hat inzwischen Sterne vom Michelin eingeheimst.
„Unser Gemüse, unser Fisch, unser Olivenöl, unser Joghurt und unsere Weine sind die Basis hervorragender Produktküchen“, schwärmt Pamporis über die Produkte seiner Heimat, die aus einem griechischen Salat eine Gourmetwelt machen können.
Der Auberginen-Kartoffel-Hackfleisch-Auflauf Moussaka steht für eine sehr zeitgenössische griechische Küche, wie sie Dimitris Pamporis kocht, wenn er etwa aus der Béchamel-Sauce einen Espuma kreiert und das Fleisch als Tatar einbindet. „Tzatziki habe ich schon als Dessert zubereitet, auch für deutsche Chefköche auf einem Festival in Düsseldorf – natürlich ohne Knoblauch“, zeigt er die Vielfalt der modernen griechischen Fine-Dining-Küche, die er im Falle des Klassikers Tzatziki auch als „Tzatziki-Buttermilch“ mit Shrimps Tatar als Amuse-Bouche ausspielt.
Food-Festival auf Chalkidiki
Danach, wie etwa im vergangenen Jahr auf dem „Sani Gourmet“-Festival, ein Salat mit regionalen Krebsen aus Pieria, Sellerie, Kamille und Eisenkraut. Dazu, wie Pamporis empfiehlt – trotz der großartigen Weine des Landes, die Liebhaber unbedingt entdecken sollten – ein Glas Bier. Passend, erfrischend und als Spannungsmoment typisch für den Spitzenkoch, der die griechische Küche derzeit auf ihrem Höhepunkt sieht. „Unsere Küche hat sich durch die Krisen der vergangenen Jahre gewandelt. Wir waren gezwungen, lokale Produkte und Zutaten wiederzuentdecken, die wir vorher vernachlässigt hatten“, nennt er einen Grund.
Pamporis kocht regelmäßig auf Griechenlands bedeutendstem Food-Festival, wo seit 2006 jeden Sommer die griechische Koch-Elite und internationale Gastköche im Sani Resort auf Chalkidiki zusammenkommen. In diesem Jahr vom 7. Juli bis zum 12. August, unter anderem mit dem französischen Drei-Sterne-Koch Christian Le Squer und den spanischen „Koch-Zwillingen“ Sergio und Javier Torres, deren Restaurant „Cocina Hermanos Torres“ in Barcelona ebenfalls mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde.
Aber nicht nur Tzatziki, auch andere traditionelle Speisen setzen griechische Top-Küchenchefs modern um. So ist bei Joannis Malathounis, dessen Restaurant „Malathounis“ bei Stuttgart seit 2014 ununterbrochen vom bekannten Restaurantführer Michelin mit einem Stern ausgezeichnet wird, das griechische Element häufig Basis seiner Gerichte. Mit viel Kreativität werden hier gut bekannte griechische Zutaten und Zubereitungsarten geschmackvoll kombiniert und präsentiert. Einen Bauernsalat gibt es bei Malathounis schon mal statt mit Tomaten mit gekochtem Kohlrabi, Karotten und Sellerie, angemacht mit Essig und Zitrone und getoppt mit einem Feta-Eis.
Skordalia etwa ist regelmäßig Bestandteil seines Menüs. Das Kartoffelpüree, das mit Olivenöl, Zitrone und Knoblauch verfeinert wird, ist in Griechenland unverzichtbarer Bestandteil der Mezes, kleiner Speisen und Dips, die vorab oder als Begleitung zu alkoholischen Getränken serviert werden. Bei Malathounis steht Skordalia etwa als Gang mit Lachsforelle, Gewürz-Aubergine, Büsumer Krabben, Lachskaviar, Paprikaknospen und Ayran auf der Karte, oder auch geröstete Kerbelwurzel, Gemüseravioli, Skordalia und Minze.
Wie in Griechenland üblich, verzichtet der Küchenchef auf Sahne und Butter und setzt auf Olivenöl. Natürlich versucht Malathounis, der im Übrigen als Alleinkoch in der Küche seines Sterne-Restaurants steht, wo es nur geht, griechische Produkte zu verwenden. Olivenöl, Kalamata-Oliven, griechischer Joghurt und Kirschen stellen kein Problem dar, aber bei anderen Produkten würde es schon schwierig, sagt der Wahl-Stuttgarter.
„Ich versuche auch immer Gerichte einzubauen, die man so teilweise selbst in Griechenland nur noch schwer bekommt“, erklärt der Sternekoch. Ein aktuelles Beispiel sind seine traditionellen Ziegenmilchnudeln, die selbst in Hellas nur noch selten zu finden sind. Sie werden auf dem Teller modern begleitet von Morcheln, Sellerie, Retsina-Sauce, Kamille und Haselnuss. Den griechischen geharzten Wein Retsina als Basis für eine Sauce oder einen Schaum zu verwenden, ist auch so eine von Malathounis Spezialitäten.
Apropos Ziege. In Tasos Mantis Athener Sterne-Restaurant „Soil“ ist sie mit Apromitiko-Bohnen aus Limnos und wildem Knoblauch Bestandteil des großen Tasting-Menüs.
Filippou betreibt Manufaktur
Joannis Malathounis ist zwar der einzige griechische Sternekoch in Deutschland, aber nicht im deutschsprachigen Raum. Im Zentrum von Wien steht Konstantin Filippou am Herd seines gleichnamigen Restaurants. Der 1980 in Graz geborene Sohn einer Österreicherin und eines Griechen kann sich sogar mit zwei Michelin-Sternen schmücken und wurde bereits 2016 vom Gault-Millau als Koch des Jahres ausgezeichnet. „Mein ganzes gastronomisches Leben und Denken ist beeinflusst von den Eindrücken meiner Kindheit, als ich jeden Sommer in Griechenland verbracht habe“, erzählt Filippou. „Meine Eltern fuhren durchaus weit, um in guten Restaurants zu essen. Nicht unbedingt Fine-Dining, aber etwa für die besten Langoustinos. Auch zu Hause wurde viel gekocht, und ich saß auf der Anrichte und habe zugeschaut.“
Filippous kreative Küche ist stark auf Fisch und Meeresfrüchte fokussiert, aber auch Gemüse spielt aus der Tradition eine wichtige Rolle. Die bodenständig-bäuerliche griechische Küche komme durchaus ohne Fleisch und Fisch aus und sei stark vegetarisch und vegan geprägt, sagt Filippou. „Ich persönlich arbeite etwa gerne mit Fava, der Platterbse aus Santorin. Da ist schon so manches elaborierte Gericht entstanden aus einer Zutat, die eher bäuerlichen Ursprung hat. Meine Gäste lieben es“, sagt der Sternekoch.
Fava, das klassische Platterbsenpüree, ist in ganz Griechenland in verschiedenen Varianten etwa mit karamellisierten Zwiebeln beliebt. Der Athener Sternekoch Lefteris Lazarou serviert es in seinem Restaurant „Varoulko“ geräuchert zu einem Oktopus-Carpaccio – Oktopus und Fava, das ist derzeit ein echtes „Trend-Gericht“. „Die zeitgenössische griechische Küche ist eine Küche, die den Respekt vor der Tradition mit der Leidenschaft für die Innovation vereint. Wir haben eine Fülle von frischen Zutaten zur Verfügung, und wir sind immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, um sie zu präsentieren“, erläutert der Altmeister unter den griechischen Spitzenköchen.
Filippou vertreibt das Fava, ebenso wie Taramasalata, Moussaka, Stifado, aber auch Wolfsbarsch im Salzteig über seine Manufaktur „Mama Konstantina“ – Konstantina gibt es wirklich, sie ist eine Freundin der Familie aus Kalamata, eine Köchin und mache, so sagt Filippou, dass beste Olivenöl. Mit seiner Manufaktur möchte der Spitzenkoch den ursprünglichen Geschmack Griechenlands vermitteln. Die griechische Küche werde oftmals noch unterschätzt.
„Niemand hätte gedacht, dass man zum Beispiel aus der skandinavischen Küche Fine-Dining machen kann – und sehen Sie sich an, was dort passiert ist in den vergangenen zehn, 15 Jahren. Somit ist die griechische Küche selbstverständlich auch eine Hochküche. Sie braucht passionierte Köche und passionierte Esser“, ist der Wiener Zwei-Sternekoch überzeugt. Da gilt es nur noch, Fans der griechischen Urlaubsküche diese ebenso existente, aber für die meisten wohl neue Küche entdecken und erschmecken zu lassen.