Vor einem Jahr hat Stephan Toscani Partei- und Fraktionsvorsitz der CDU Saar übernommen. Sein erklärtes Ziel: die Partei nach der Wahlniederlage in der Opposition neu aufstellen. Sein Credo: unterscheidbar sein. Sein Plan: die Kommunalwahl im nächsten Jahr als erste Etappe und ein neues Leitbild der Partei zur nächsten Landtagswahl.
Herr Toscani, der erste Saarlandtrend ein Jahr nach der Wahl zeigt die CDU praktisch beim gleichen Ergebnis wie am Wahlabend. Kein weiterer Abwärtstrend, aber auch kein Aufschwung in der Opposition. Wie bewerten Sie es?
Wir haben uns stabilisiert. Wir haben von Anfang an gewusst: Das wird ein Marathonlauf mit verschiedenen Etappen. Dazu braucht man einen langen Atem. Und genau den habe ich, den haben wir.
Die Partei hat die Wahl intensiv mit der Basis analysiert. Was machen Sie jetzt daraus?
Es geht darum, die Lehren aus den Analysen unserer Basiskonferenzen zu ziehen. Ich bin angetreten, um die Partei zu einer Mitmachpartei zu entwickeln. Ich will Entscheidungsfindungen von unten nach oben, die Parteigliederungen und Vereinigungen mitnehmen. Das geht nicht bei jeder Entscheidung im Tagesgeschäft, wohl aber bei grundlegenden Fragen zur Ausrichtung der CDU Saar. Die erste Gelegenheit kam bereits im September, als die Landesregierung ihren Drei-Milliarden-Schuldenfonds vorgeschlagen hat. Wir haben uns ganz bewusst die Zeit genommen, um einen eigenen Vorschlag zu erarbeiten. Wir haben unseren Gegenvorschlag nicht im kleinen Kreis, sondern mit der Breite der Partei entwickelt – auf zwei kleinen Parteitagen. Das war für mich ein erster Lackmustest dafür, unsere Positionen bei wichtigen Fragen auf breite Füße zu stellen.
Kulturwechsel in einer Partei nach einer so langen Regierungszeit – kann das in kurzer Zeit gelingen, ist das nicht eigentlich ein Generationenprojekt?
(lacht) Es gab und gibt ein großes Bedürfnis in der Partei nach mehr Mitsprache. Das ist ein Gefühl, das in den letzten Jahren stärker wurde; bedingt sicher auch durch die Art, wie einige Entscheidungen auf Bundesebene der CDU getroffen wurden. Diesen Wunsch aufzunehmen, bringt auch mehr Dynamik in die CDU Saar. Deshalb packen wir das gerne und entschlossen zusammen an.
Wie haben Sie sich den angesprochenen Marathonlauf eingeteilt?
Eine wichtige Etappe wird die Kommunalwahl im nächsten Jahr, mit der zusammen auch einige Direktwahlen von Bürgermeistern und Landräten stattfinden. Das wird ein Zwischenstand. Es kommt darauf an, den Wählerinnen und Wählern unterscheidbare Alternativen anzubieten. Auch das war im Übrigen ein Ergebnis der Analysen nach den verlorenen Wahlen im Land wie im Bund: Wir müssen wieder unterscheidbar sein. Der Weg dorthin führt über unseren Landesparteitag Ende des Jahres. Nächste Etappe nach der Kommunalwahl ist dann die Erarbeitung eines Leitbildes der CDU Saar für die Landtagswahl. Dabei nutzen wir neue Formate der Parteiarbeit. Das hat mit Thementischen begonnen, ab Juni bearbeiten wir jetzt einzelne Themen intensiv in sogenannten „Debattenateliers“. Die SPD-Landesregierung hat kein Leitbild für das Land. Wir als CDU wollen ein solches entwickeln, insofern ist das ein anspruchsvoller Prozess.
Wird das eine neue CDU Saar?
Es wird eine weiterentwickelte CDU Saar sein: Eine engagierte Partei, die sich inhaltlich weiterentwickelt hat, die unterscheidbar ist und die durch die stärkere Einbindung der Parteibasis breiter gefestigt ist.
Das Thema Kommunen haben Sie bereits früh angesprochen, Kritiker sagen, Sie machen das nur mit Blick auf die Kommunalwahlen, dazu Haushalt, Transformation, Energie; andere Themen stehen dabei ziemlich im Hintergrund.
Es gibt in der Politik zu bestimmten Zeiten bestimmte Prioritäten. Das ist derzeit die Frage, wie wir die Klimaziele erreichen, ohne dass es zu massivem Verlust von Arbeitsplätzen und zur sozialen Spaltung kommt. Für ein Industrieland wie das Saarland eine zentrale Frage. Hinzu kommt die Frage, wie wir den Klimawandel schaffen, ohne dass der gesellschaftliche Zusammenhalt leidet. Ein wichtiges Thema ist derzeit das Gebäude-Energie-Gesetz und die Wärmewende. Wie die Ampel in Berlin diese Themen angeht, das ist für mich Politik mit der Brechstange. Viele Menschen machen sich große Sorgen. Wir als CDU sind nicht einfach nur dagegen, sondern stehen für einen Wettbewerb der Ideen. Wir machen eigene, bessere Vorschläge. Auch mit Blick auf die Kommunen, deren Lage sich durch die Flüchtlingskrise noch verschärft hat. Es kommen weitere Faktoren hinzu: Weil die kommunale Infrastruktur vielerorts in keinem guten Zustand ist, muss die Landespolitik Antworten geben. Auch dazu haben wir eigene, konstruktive Vorschläge gemacht, etwa eine Investitionsoffensive zur Sanierung von Grundschulen. Aber auch für die Umsetzung von G9 oder für eine bessere Kinderbetreuung.
Die CDU ist sowohl im Land als auch im Bund in der Opposition. Das heißt, Sie können viele Vorschläge vorlegen, aber keine Erfolge. Wie geht eine lange regierungsgewohnte Partei damit um?
Das ist schon eine Herausforderung, denn es ist schwieriger, mit den eigenen Vorschlägen medial durchzudringen. Wir haben die Zusammenarbeit mit unseren Bundestagsabgeordneten, aber auch mit unseren kommunalen Mandatsträgern intensiviert. Zusammen haben wir unsere neue Rolle angenommen. Uns ist bewusst, dass wir die Potenziale und Ideen, die es in der CDU im Land wie im Bund gibt, noch besser heben müssen. Unser Anspruch ist es, die Regierung von morgen zu sein. Das wollen wir überzeugend nach außen tragen.
Kommunalwahl als Lackmustest: Welche Ziele setzen Sie sich?
Zuerst einmal wollen wir gute, überzeugende Kandidatinnen und Kandidaten für die Räte und für die Direktwahlen präsentieren. Zum anderen kommt es darauf an, eigene Vorschläge zur Verbesserung der Lage unserer Städte und Gemeinden zu entwickeln. Die Landesregierung macht erkennbar zu wenig, um die Kommunen zu unterstützen, damit Hallen, Sportanlagen, Dorfgemeinschaftshäuser, Bürgerhäuser, Kitas oder Grundschulen in einen besseren Zustand versetzt werden. Unsere Städte und Gemeinden sind finanziell schwach. Sie haben in der Zeit von 2010 bis 2020 erheblich zur Konsolidierung des Landeshaushalts beigetragen. Das hätte ohne die Solidarität der Kommunen nicht funktioniert. Es war ein Versprechen der Landespolitik, dass nach der Konsolidierung der Landesfinanzen die Kommunen wieder stärker profitieren. Mit dem Saarlandpakt hat die CDU-geführte Landesregierung einen ersten wichtigen Schritt gemacht. Doch dabei darf es nicht bleiben. Außer einem neuen Gutachten hat die Landesregierung bislang aber noch nichts getan, dabei haben wir eigentlich weniger ein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.
Würden Sie eine Zielmarke für die Kommunalwahl setzen?
Wir wollen zeigen, dass die CDU an der SPD dran bleibt. Ein rotes Saarland, wie bei der Bundes- und bei der Landtagswahl, soll es nicht mehr geben. Auch bei den Direktwahlen wollen wir gute Ergebnisse erzielen. Für eine Partei in der Opposition ist es noch wichtiger, dass es auch in den Städten und Gemeinden Führungspersönlichkeiten gibt, die zeigen, dass die CDU die richtige Wahl ist.
Spielt dabei eine Rolle, wie sich die Mitbewerber aufstellen?
Jede Partei arbeitet und kämpft im Wahlkampf für sich. Mir ist aber wichtig, dass wir unter den demokratischen Parteien anschlussfähig sind und dass wir in einzelnen Gemeinden auch mit Partnern in eine Gestaltungsrolle kommen. Weil es bei den Kommunalwahlen keine 5-Prozent-Hürde gibt, ist die Wahrscheinlichkeit einer bunteren Parteienlandschaft gegeben. Insofern kommt es bei der Mehrheitsfindung auch auf Bündnis- und Anschlussfähigkeit der CDU an.
Die Kommunalwahlen finden gleichzeitig mit den Europawahlen statt. Dass die CDU Saar bekannte und prominente Abgeordnete in Brüssel und Straßburg hatte, ist schon etwas her. Welche Bedeutung hat die Europawahl für Sie?
Als europäisches Bundesland natürlich eine große! Unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine geht es um die Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit der Europäischen Union. Es wird auch darum gehen, wie wir im Wettbewerb der Systeme unser europäisches Lebensmodell, den european way of life, in die Zukunft tragen. Wir haben in Europa ein attraktives Lebensmodell: ein Leben in Freiheit und Frieden, mit einem relativen Wohlstand, der verbunden ist mit sozialer Absicherung und dem Ziel, ökologische Standards einzuhalten. Wie machen wir dieses Lebensmodell wetterfest in einer unsicheren, schwierigen geopolitischen Welt? Europa muss bei den großen Fragen enger zusammenarbeiten und schneller gemeinsame Antworten geben. Ich blicke dabei mit gewisser Sorge auf die Präsidentschaftswahl in den USA im November nächsten Jahres. Wir haben unter Trump schon einmal erlebt, dass die transatlantische Partnerschaft, wie sie über Jahrzehnte für uns selbstverständlich war, plötzlich infrage stand. Dass die CDU Saar einen Sitz im Europäischen Parlament hat, ist für uns traditionell schwieriger als für andere CDU-Landesverbände, weil die Union in Deutschland keine Bundesliste hat. Es ist aber nicht unmöglich, und deshalb kämpfen wir dafür.
Mit einem Blick weiter auf die nächste Landtagswahl: Wer wird der Herausforderer für Anke Rehlinger?
Eine Entscheidung über die Spitzenkandidatur steht so schnell nicht an. Aber ich habe den Vorsitz von Partei und Fraktion übernommen mit dem Ziel, die CDU Saar zu neuer Stärke zu führen und auch eine klare personelle Alternative zu bieten. Für die Wahl 2027 werden wir die Frage in der CDU Saar zu gegebener Zeit entscheiden. Ich bin jedenfalls fest davon überzeugt, dass es den Saarländerinnen und Saarländern und dem Saarland insgesamt besser geht, wenn die CDU regiert, als wenn sie nicht regiert.