Ein symbolischer Scheck über 2,6 Milliarden Euro für Grünen Stahl von der Saar. Ein Minister, der vehement fordert: „Man muss das Spiel auch gewinnen wollen“. Und die nächsten Etappen beim großen Umbau zum CO2-neutralen Industriestandort.
Wenn ein Minister anreist, um symbolisch einen Förderscheck zu überreichen, gehört es fast schon zur Jobbeschreibung, das eigene Verdienst um die gute Sache, die da gefördert werden soll, besonders zu betonen. Und je höher die Summe auf dem Scheck, desto mehr. Beim Besuch von Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck im Saarland Ende Januar klang aber alles etwas anders. Am Ende war sogar die Rede von Demut. Und das bei einem Scheck, auf dem in schlichter Schrift „2,6 Mrd. Euro“ zu lesen war.
Das ist auch in Zeiten, in denen selbst Nachrichtenprofis schon mal Millionen- und Milliarden-Beträge, gelegentlich sogar die Billion, etwas wild durcheinander werfen, eine stolze Summe. Die bislang größte Fördersumme des Bundes für ein Einzelunternehmen, worauf die saarländische Landesregierung hinweist.
„Her mit der Zukunft“
Folglich war es auch für Minister Habeck kein Routinetermin. Eher Anlass für ein paar grundsätzliche Bemerkungen: über das Saarland, und warum er im kleinsten Flächenland der Republik viel Vorbildhaftes ausgemacht hat.
Mit der Fördersumme (70 Prozent vom Bund, 30 Prozent vom Land) kann der Umbau der saarländischen Stahlindustrie zu grünem Stahl volle Fahrt aufnehmen. „Ein großes Projekt für ein Land, das auch erstmal das Geld dafür finden muss“, sagt Habeck und zeigt sich vor allem beeindruckt davon, „wie beherzt hier Wirtschafts- und Industriepolitik betrieben wird“, und wie das gelaufen ist, nämlich durch eine „direkte, geradlinige und faire Kommunikation. Was dort besprochen wurde, war kein Geschwätz“. Der Minister wird seine Vergleichsmaßstäbe haben, wenn er öffentlich zu einer solchen Einordnung kommt.
Verhandlungen über derartige Dimensionen sind gewiss nicht immer konfliktfrei. Offensichtlich sind aber die Beteiligten von saarländischer Seite mit einer klaren Linie aufgetreten. Und sie haben sich dabei auf etwas stützen können, was in Berlin zusätzlich besonderen Eindruck hinterlassen hat, nämlich „dass hier die Transformation gewollt wird“.
Da war offensichtlich einiges von dem zu spüren, was hierzulande wie ein Werbeslogan klingt: „Das Saarland kann Strukturwandel.“
Habeck konkretisiert diesen Eindruck, verweist darauf, „was wir an so vielen Stellen erleben, dass Veränderung mit Ängsten begleitet wird“, Eigentlich müsste man also damit rechnen, „dass Belegschaften, wenn so große Veränderungen anstehen, mehr auf der Bremse stehen oder verhindern wollen“. Das weiß auch Habeck zur Genüge, und stellt im Saarland fest: „Hier ist es umgekehrt, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer, vor allem aber die Belegschaften die Transformation einfordert. Dass die Gewerkschaften sagen: Her mit der Zukunft. Verändert die Produktionsweisen, damit wir eine Zukunft haben!“
Und diese Grundhaltung macht der Minister und Vizekanzler nicht nur im konkreten Fall der Stahlindustrie, sondern für das ganze Saarland aus. „Wenn wir das überall hätten, dass die Breite der Gesellschaft sich in einer relativen Geschlossenheit bekennt zu einer Gestaltung der Zukunft, dann wäre vielleicht auch viel Frustration, viel Zorn, viel Abkehr von demokratischen Entscheidungen nicht mehr zu Hause in Deutschland.“
Natürlich erfordert so etwas Mut, auch die Bereitschaft zu einem gewissen Risiko.
Ein solches ist Habeck offensichtlich bei seinem Besuch im vergangenen November selbst eingegangen, als er den jetzt überreichten Förderbescheid in Aussicht gestellt hat. In einer Phase, als nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vieles unsicher war. Worüber er jetzt auch „mit ein bisschen Demut“ aus dem Nähkästchen plaudern kann: Damals hätten ihm seine Mitarbeiter noch zu seinem Auftritt vor den Stahlarbeitern gesagt: „Gut gemacht, aber ganz schön dicke Töne gespuckt.“ Schließlich brauchte es für eine Maßnahme dieser Dimension auch das Okay aus Brüssel. Das kam kurz vor Weihnachten. „Man muss auch ins Risiko gehen, wenn man die Zukunft gestalten will. Das haben wir alle gemeinsam gemacht.“
Bis nun tatsächlich grüner Stahl Realität werden kann, sind noch jede Menge beachtlicher Aufgaben zu erledigen. Grüner Stahl braucht grünen Wasserstoff, und das in gewaltigen Mengen. „Die Gesetze sind gemacht, der Ausbau wird kommen“, sagt der Bundeswirtschaftsminister.
„Arbeiten dafür, dass es klappt“
Der Ausbau einer Wasserstoffinfrastruktur und der Umbau der Stahlindustrie sind untrennbar miteinander verbunden. „Grüner Wasserstoff wird der Energieträger der Zukunft sein. Wir müssen den Markt aufbauen, indem wir eine Infrastruktur schaffen, das Wasserstoffkernnetz. Wir müssen auch Leitmärkte schaffen, also Abnahme kreieren.“ Dabei würden Großabnehmer wie Saarstahl die „Brücke zum Wasserstoff beflügeln, den wir auch in anderen Industriebereichen brauchen“.
Auf die Frage, ob er glaube, dass das gelingen könne, hielt Habeck fast trotzig entgegen: „Was heißt glauben? Wir werden dafür arbeiten, dass es klappt. Ich bin der Letzte, der abstreiten würde, dass es große Herausforderungen sind. Aber wer wären wir denn, wenn wir nicht sagen würden, dass wir diese Herausforderungen annehmen wollen!“
Drei Tage später versammelte sich eine „Stahlallianz“ in der saarländischen Landesvertretung in Berlin. Elf Bundesländer mit Stahlstandorten waren vertreten, und Bundeswirtschaftsminister Habeck konnte fast nahtlos an seinen Besuch im Saarland anknüpfen. Die Dekarbonisierung der Stahlindustrie sei „entscheidend für eine erfolgreiche Transformation hin zu Klimaneutralität“, bekräftigte er erneut. Die Stahl-Länder wollen den „grünen“ Umbau der Industrie vorantreiben. Die Transformation sei „alternativlos“, sagte der saarländische Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD). Um sich aber erfolgreich mit klimaneutral produziertem Stahl auf den Weltmärkten zu behaupten, brauche es auch faire Wettbewerbsbedingungen. Konkret heißt das, politische Lösungen für international konkurrenzfähige Strompreise.
Das Thema bleibt ein Dauerbrenner. Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) kündigte bei dieser Gelegenheit einen „Stahlgipfel“ für Herbst an. Deutschland wolle Industrienation bleiben und mit der klimaneutralen Transformation nicht am Seitenrand stehen. Deshalb die Frage nach den Rahmenbedingungen: Bekanntermaßen unterstützen andere wie beispielsweise die USA ähnliche Ambitionen mit richtig viel Geld.