Darmstadt 98, der Hamburger SV und der 1. FC Heidenheim liefern sich einen spannenden Kampf um den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga. Der Abstand auf die Verfolger ist groß, auch wenn es Rückschläge gibt.
Es ist wieder richtig spannend im Aufstiegskampf zur Bundesliga. Nach dem Ende der beeindruckenden Serie mit 21 ungeschlagenen Spielen von Tabellenführer SV Darmstadt 98 mit dem 0:1 beim 1. FC Heidenheim ist vor zwei Wochen aus dem möglichen Alleingang der Hessen endgültig ein packender Dreikampf geworden. Der Hamburger SV und Heidenheim haben zu Darmstadt aufgeschlossen. Die Verfolger SC Paderborn, Fortuna Düsseldorf und 1. FC Kaiserslautern haben Punkte liegen lassen und den Abstand zu dem Spitzentrio abreißen lassen.
In der vorigen Saison gehörte das aktuelle Toptrio am 23. Spieltag zu einer Spitzengruppe von sechs Clubs, die vom damaligen Tabellenführer Werder Bremen bis zum Sechsten aus Heidenheim nur vier Punkte trennte. Aber weder Darmstadt noch dem HSV oder Heidenheim gelang am Ende der Aufstieg. „Wir haben jetzt ein Spiel verloren, aber weiter geht’s“, sagte der enttäuschte Darmstädter Trainer Torsten Lieberknecht nach der Niederlage durch das späte Tor des Heidenheimers Jan-Niklas Beste. Nach dieser unglücklichen Auswärtspleite erwartete er keinen Einbruch, sondern „eine gute Reaktion“, wie sie seine Mannschaft nach den Niederlagen am ersten Spieltag bei Jahn Regensburg (0:2) und im Pokal-Achtelfinale bei Eintracht Frankfurt (2:4) gezeigt habe. „Wenn man nach 21 Spielen das erste Mal verliert, weiß man, dass man vorher viel richtig gemacht hat und bei vielen Spielen nicht als Verlierer vom Platz gegangen ist“, betonte Lieberknecht. Doch am Wochenende gab es in Bielefeld gleich die nächste Pleite. Trotz des Dämpfers will auch der sportliche Leiter Carsten Wehlmann nicht von den Vorbereitungen für eine mögliche Bundesliga-Rückkehr abrücken. „Natürlich machen wir uns Gedanken über den Aufstieg. Aber als Darmstadt wäre es doch etwas vermessen, für irgendetwas anderes nicht zu planen“, sagte er.
Brechen die „Lilien“ doch noch ein?
Das sollte der Verein auch. Denn die Darmstädter haben verinnerlicht, dass sie ein Spitzenteam der Liga sind. Eine unerbittliche Verteidigungshaltung ist bei ihnen die Basis von allem. Und die meist gewählte Dreierkette gibt Trainer Torsten Lieberknecht die Gelegenheit, drei von seinen Innenverteidiger-„Türmen“ zu stellen. So bleiben die Räume für die Gegner eng und der Luftraum vor dem eigenen Tor weitestgehend geschlossen. Dazu hat sich Torhüter Marcel Schuhen zu einem nicht nur emotionalen, sondern auch quasi fehlerfreien Fachmann auf seiner Position entwickelt. Die mit Abstand beste Defensive der Liga ist das Resultat davon. Abwehrmann Christoph Zimmermann hat in seiner Laufbahn schon einige Stationen durchlaufen. „Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu meinen Neben- und Hinterleuten. Aber dieses Verständnis und diese Emotionalität hier sind schon einzigartig“, sagt der Sommerneuzugang. In dieser nach der starken vorigen Saison personell kaum veränderten und dadurch enorm eingespielten Mannschaft weiß jeder Spieler in jeder taktischen Formation genau, was er wann zu tun hat. Der SVD vermag viel Wucht und Druck zu erzeugen und kann zudem ein kreatives, schnelles, nicht selten hocheffektives Angriffsspiel aufziehen. Eine Kombination, die fast jeden Gegner irgendwann mürbe macht. Drei Partien schon konnten die „Lilien“ nach Rückstand noch zu einem Sieg drehen. Speziell ist auch, wie das Team mit Verletzungen umgeht. „Man hat gesehen, dass jeder Spieler bei uns auf seine Einsätze brennt und seinen Job erledigt, wenn er reinkommt“, sagt Angreifer Phillip Tietz. Nach der Niederlage in Bielefeld musste aber Lieberknecht einräumen, dass die vielen Ausfälle an die Substanz gehen.
Seinen Job erledigt derzeit auch der Hamburger SV. Während in der Hansestadt ständig Unruhe herrschte und Trainer en masse verbrannt wurden, scheint es dieses Mal zu passen. 28 Trainer waren in diesem Jahrtausend beim Hamburger SV beschäftigt. Bezogen auf die Anzahl der Spiele, hat ein Trainer beim HSV eine Halbwertszeit von 31 Spielen. Mit Tim Walter bricht man an der Elbe jedoch diese Muster und hält auch in schwierigen Zeiten, wie in der vergangenen Spielzeit kurz vor dem Endspurt, zu seinem Übungsleiter.
Seit dem Abstieg ist Walter nun der sechste Trainer, und keiner seiner Vorgänger war länger als ein Jahr bei den Hamburgern beschäftigt. Der HSV scheint aus Übersprungshandlungen wie den Entlassungen von Christian Titz oder Daniel Thioune gelernt zu haben und setzt nun auf Konstanz. Walter zahlt dieses Vertrauen mit Ergebnissen zurück. Zudem steht er für eine klare Spielphilosophie. Er lässt seine Mannschaft zumeist in einem offensiv ausgerichteten 4-3-3 auflaufen. Sein Positionsspiel erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, ist aber innovativ und oftmals schwierig für die Gegner zu greifen. Zudem ist es den Verantwortlichen gelungen, Stützen wie Robert Glatzel oder Sonny Kittel zu halten und den Kader durch punktuelle Verstärkungen wie Laszlo Benes oder Jean-Luc Dompe auf ein stärkeres Niveau zu heben. Ähnlich traditionell wie der Klassenerhalt des HSV es früher war, ist nun auch der Einbruch im Frühjahr. Im vergangenen Jahr konnte man erstmals seit dem Abstieg ein Spiel im April gewinnen und damit den Fluch brechen. Die Ausgangssituation, die Qualität des Kaders und die Konstanz auf den verantwortlichen Positionen können sich in diesem Jahr auszahlen. Die Chancen stehen zumindest gut, aber beim Hamburger SV ist immer alles möglich. Schon am Wochenende muss man sich für einen schwachen Auftritt in Karlsruhe rehabilitieren.
Heidenheim agiert ohne Druck
Weniger spektakulär, aber dennoch irgendwie immer alles möglich macht der 1. FC Heidenheim. „Wenn du Dritter nach zwei Drittel der Saison bist – und da stehen wir zu recht –, dann willst du das auch durchziehen“, sagte der erfahrene Trainer Frank Schmidt: „Fakt ist auch: Wenn du zwei, drei Spieltage vor Schluss in der Situation bist, dann hast du alle Möglichkeiten, einen der drei vorderen Plätze zu erreichen. Aber bis dahin sollten wir alle die Klappe halten, weitermachen, seriös arbeiten und auf keinen Fall abheben“, fügte Schmidt noch gewohnt zurückhaltend hinzu. „Aber da habe ich keine Sorge bei der Mannschaft.“ „Und täglich grüßt der 1. FC Heidenheim“ – so, oder so ähnlich könnte der Filmtitel lauten, wenn man den Aufstiegskampf der 2. Bundesliga aus den vergangenen vier Jahren auf eine Kino-Leinwand projizieren würde. Eine Situation, die sich ständig wiederholt. In seiner neunten Zweitliga-Saison befindet sich der FCH erneut im Rennen um die Aufstiegsplätze für die Bundesliga. Schmidt, der seit 2007 Trainer in Heidenheim ist und somit alle Aufs und Abs der Heidenheimer in der 2. Bundesliga miterlebt hat, bleibt dennoch gewohnt entspannt und drückt ein wenig auf die Euphorie-Bremse: „Trotzdem ist es so, dass noch ein Drittel der Saison zu spielen und am Ende alles möglich ist.“ Dass bis zum Schluss alles möglich ist, musste der FCH in der Saison 2019/20 erfahren. Nach einer verrückten Schlussphase erzielte man am vorletzten Spieltag im direkten Duell mit dem HSV in der fünften Minute der Nachspielzeit den Siegtreffer und verdrängte die Hamburger vom dritten Platz. In der Relegation trafen die Heidenheimer auf Bundesligist Werder Bremen. Zwar verlor der FCH keines der beiden Spiele (Hinspiel: 0:0 und Rückspiel 2:2), hatten aber wegen der damals noch geltenden Auswärtstor-Regel das Nachsehen und stiegen nicht auf. In diesem Jahr spielt der FCH nun wieder um den Aufstieg mit. „Das ist aufgrund der guten Leistungen, die wir gezeigt haben, absolut verdient. Es wäre überragend, wenn wir es schaffen würden, in der derzeitigen Konstellation in die letzten drei Spieltage zu gehen“, sagt der Heidenheimer Trainer. Dann sei sogar der direkte Aufstieg machbar. Die Konstanz im Vergleich zu den vergangenen Saisons der Heidenheimer spiegelt sich nicht nur in der Platzierung wider: Der FCH stellt die zweitbeste Offensive der Liga, zudem die zweitbeste Defensive. Der Top-Torjäger der 2. Bundesliga spielt ebenfalls in den Reihen des 1. FC Heidenheim, Tim Kleindienst spielt eine überragende Saison. „Wir haben uns in dieser Saison relativ schnell gefunden und neue Spieler erfolgreich integriert. Ein weiterer Grund ist, dass die Mannschaft im Kollektiv funktioniert“, sagt Schmidt.