Trotz zunehmender Backstationen in Discountern, Backshops in Innenstädten sowie Tankstellen mit Rundumversorgung bevorzugen immer mehr Konsumenten Krustiges aus Bio-Bäckereien. Wir haben die Demeter-Bäckerei der Behinderteneinrichtung Haus Sonne besucht und bei der Arbeit zugeschaut.
Die Zahl der Biobäckereien hat in den vergangenen Jahren nur leicht zugenommen, die Nachfrage nach Brot mit Biozutaten nach Demeter- und Bioland-Vorgaben ist dagegen stetig gestiegen. Im Saarland hatte sich schon vor etlichen Jahren eine kleine Gruppe von Bio-Bäckereien etabliert, darunter die Bio-Bäckerei Sander Saarbrücken, die Urexweiler Bäckerei Recktenwald, die Bäckereien aus dem Biosphärenreservat Bliesgau, Olk und König aus St. Ingbert und die nach anthroposophischer Lehre geführte Demeter-Bäckerei Haus Sonne in Walsheim.
Letztere stellt sich an dieser Stelle vor. Was ist das Haus Sonne? Die Saarbrücker Bildhauerin und anthroposophische Heilpädagogin Anna Betzner gründete 1954 das „Heil- und Erziehungsinstitut für Seelenpflege-bedürftige Kinder Haus Sonne" im Bliesgau-Örtchen Walsheim nahe der französischen Grenze. Viele Jahrzehnte begleiteten Heilpädagogen, Sozialarbeiter, Handwerker und Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Berufen geistig und körperlich behinderte Menschen in ihrem nicht immer einfachen Alltag. „Heute nennen sich jene ganz selbstbewusst Menschen mit Assistenzbedarf", sagt einer der beiden Geschäftsführer der Neue Haus Sonne gGmbH, Bernd André. „Und das entspricht der Beschreibung ihrer Lebenssituation besser."
Haus Sonne unterhält diverse Werkstätten
2017 war die Behinderteneinrichtung in die Insolvenz geraten. Ein Verkauf der Einrichtung an einen interessierten Betreiber von sozialen Einrichtungen aus Iserlohn kam nicht zustande, da dieser nicht an der anthroposophischen Ausrichtung der Walsheimer Institution festhalten wollte. Ein Saarbrücker Insolvenzverwalter schaffte es allerdings, der Einrichtung eine Zukunft zu geben. Die Neue Haus Sonne gGmbH wurde unter Mitwirkung des paritätischen Wohlfahrtsverbands und der Lebenshilfe gegründet. „Seit dem 1. Juni 2017 existiert die neue „alte" Einrichtung. Wir werden weiter an der anthroposophischen Philosophie des Begründers der Waldorfschulen, Rudolf Steiner, festhalten. Wir betreuen 150 Menschen mit Assistenzbedarf", sagt André. „Diese sollen sich dauerhaft wohlfühlen und ebenso das Gefühl haben, in unserer Gesellschaft gebraucht zu werden."
Und das werden sie. Haus Sonne verfügt über eine ganze Reihe von Beschäftigungsmöglichkeiten, die durchaus auch wirtschaftlichen Aspekten folgen, denn die Walsheimer Einrichtung soll auf gesunden Füßen stehen und sich tragen. Neben der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft für Erwachsene unterhält Haus Sonne diverse Werkstätten, darunter eine Demeter-Gärtnerei, den biologisch-dynamisch bewirtschafteten Neukahlenberger Hof, dessen Käsespezialitäten bereits viele Saarländer kennen. Doch Haus Sonne glänzt schon seit Jahren im eigenen Haus in Walsheims Ortsmitte mit der Demeter-Bäckerei, die für biodynamischen Brotgenuss sorgt. „Wir müssen täglich eine Menge hungriger Menschen in unserer Einrichtung versorgen", sagt der verantwortliche Bäckermeister Christian Jenewein. „Zudem backen wir wochentags täglich über 80 Brote, Teilchen, Kuchen und Pizzen auf Bestellung, die in diversen Verkaufsstellen ihre Abnehmer finden. Die Grundlage eines guten Brotes, das nach den strengen Richtlinien des Demeter-Verbandes von uns gebacken wird, ist Demeter-Getreide aus der Region", erläutert Jenewein.
Er legt besonderen Wert auf Regionalität. Getreide bekommt er unter anderem von einem biozertifizierten Landwirt direkt aus Walsheim, der beispielsweise Dinkel, Roggen und Weizen anbaut. Nicht immer ist gutes Korn zu haben, was sehr wetterabhängig ist. Also bezieht er ebenso Demeter-zertifiziertes Mehl aus der Mühle Betz aus Urweiler im St. Wendeler Land. Seine Bezugsquellen hat er in Rheinland-Pfalz und im Saarland und greift zudem auf Ware aus der Bodenseeregion zurück. Noch sucht das Management von Haus Sonne nach weiteren Absatzmärkten für ihre wohlschmeckenden Backwaren, jedoch soll sich dieser wichtige Zweig nicht zu sehr kommerzialisieren. Geschäftsführer André sieht die Notwendigkeit, mehr auf Märkten der Umgebung Präsenz zu zeigen, will dies allerdings nicht auf Kosten der Mitarbeiter erreichen.
Fertiges Brot darf einen Tag ruhen
„Es ist nicht immer so ganz einfach mit einer Tagbäckerei, wie wir es sind", sagt Christian Jenewein. „Unsere Mitarbeiter mit Assistenzbedarf, bislang acht an der Zahl, dürfen nicht in der Nacht arbeiten. Also verwenden wir die Abend- beziehungsweise Nachtstunden zur Teigführung. Unser Teig wird mit Natursauerteig geführt, den wir ständig selbst herstellen. Da wir kaum Hefe für unsere Backwaren verwenden, das heißt Mehl, Salz, Wasser und Sauerteig, braucht der Teig schon eine Nacht, um seine Backreife zu erreichen. Die Teigbearbeitung findet dann am Morgen sehr schonend mit langsam knetenden Maschinen statt. Und wie bei allen Handwerksbäckern kommen die Hände ebenso zum Einsatz", erklärt er schmunzelnd.
Die Backwaren werden allerdings erst am folgenden Tag verkauft. Die Ruhe tut dem Brot auch gut, denn frisches Vollkornbrot lässt sich zum einen nicht gut schneiden, und zum anderen schmeckt es nach einem Tag auch besser, weil es seine unverwechselbare Geschmacksnote entfaltet. Durch die schonende Verarbeitung bleiben Vitamine und Vitalstoffe größtenteils erhalten. Die vielen Ballaststoffe regen nicht nur die Verdauung an, sondern verfügen über einen hohen Sättigungsgrad. Vorteile, die den höheren Finanzeinsatz allemal wettmachen.
Oftmals wird behauptet, Biobackwaren seien langweilig. Doch diese Zeiten sind längst vergessen. Alle Biobäcker verfügen heute über reichlich Erfahrung mit Biogetreide. Dinkel, Emmer, Einkorn und so manches mehr haben sich lange etabliert. Der Basisteig der Demeter-Bäckerei Haus Sonne besteht aus Roggen und Weizenmehl, dem nach Bedarf entsprechende Körnervarianten – Sonnenblumen, Sesam und andere – beigefügt werden. Den Teig fürs Biosphärenbrot kneten die fleißigen Hände aus 100 Prozent Roggenvollkorn. Das Bauernbrot ist ein Weizen-Roggen-Mischbrot, und zweimal die Woche gibt es Brot-Spezialitäten. Mittwochs warten die Walsheimer mit einem Kartoffelbrot und einem Bierbrot auf – einem leckeren Kastenbrot, das mit Walsheimer Bier statt Wasser angesetzt wird. Freitags gibt es Quark-Dinkel-Brot und Brötchen, die aus hellem Dinkelmehl hergestellt werden.
Verkauf auch im „Unverpackt"
Eine ganze Reihe von Brotsorten geht jeden Tag im eigenen Hoflädchen in der Walsheimer Dorfmitte über die Ladentheke. Im Saarbrücker „Unverpackt" oder im St. Arnualer (Daarler) Bioladen und etlichen anderen Verkaufsstellen (www.haussonne.de/verkaufsstellen) sind die Produkte zu erwerben oder nach Vorbestellung abholbereit. Die Mitarbeiter der Haus Sonne Bäckerei sind stolz auf ihren Bäckermeister und arbeiten sehr gerne in der Einrichtung. Zudem vertilgen sie auch gerne die selbst gemachten Brezeln, Brötchen, Kuchen und Torten, die durch ihrer Hände Arbeit entstanden.