Eine der größten städtebaulichen Maßnahmen der letzten zehn Jahre nimmt Formen an: Seit Anfang März rollen die Abrissbagger für die Saarbrücker Messehallen. Investor Josef Reichenberger will das Gelände für Büroflächen, eine Kita, Gastronomie, aber auch für studentischen Wohnraum erschließen.
Herr Reichenberger, wie kommt ein Bayer auf die Idee, im Saarland ein Stück Land zu kaufen?
Das ist zugegebenermaßen eine lange und eigentlich auch amüsante Geschichte. Es hat einfach mit Vertrauen, Freundschaft und dem Gespür, das hier etwas Großes entstehen kann, zu tun. Wir haben vor ein paar Jahren auf einer Urlaubsreise in Australien ein Ehepaar aus dem Saarland kennengelernt und daraus hat sich eine echte Freundschaft entwickelt. Bei einem der vielen Besuche hier kamen wir auf das Gespräch über das ehemalige Saarmessegelände, schauten es uns an und der Funke war übergesprungen. Das Gelände ist attraktiv, im Vergleich zu anderen Städten günstig, hat eine gute Lage, ist erschlossen und verfügt über keine direkten Nachbarn in unmittelbarer Nähe. Ein Gebiet vor den Toren Saarbrückens, das enormes Entwicklungspotenzial besitzt.
Übrigens hat man uns auch das ehemalige C&A-Gebäude in der Saarbrücker Innenstadt schon einmal angeboten. Aber wir haben andere Pläne und das Saarmessegelände hat für uns größeres Potenzial.
Das da wäre?
Saarbrücken ist Landeshauptstadt sowie Universitäts- und Hochschulstadt mit einem großen Einzugsgebiet und den entsprechenden Institutionen. Die Immobilienpreise sind im Vergleich zu anderen Zentren noch relativ günstig. Direkt auf französischer Seite ist nicht viel los, also konkurrenzlos. Und Luxemburg ist extrem teuer. Dazu die geografische Lage mit schneller Anbindung an Paris und Frankfurt.
Das Potenzial liegt vor allem darin, dass wir auf dem ehemaligen Messegelände etwas ganz Neues entstehen lassen können. Das gesamte Areal umfasst rund 80.000 Quadratmeter mit einem Potenzial an Mietflächen von etwa 125.000 Quadratmetern. Wir werden nach Bedarf bauen, schlüsselfertig und stets mit der Möglichkeit zu erweitern oder umzubauen. Das ist wichtig damit, wenn Mieter sich verändern wollen, sei es durch Vergrößerung und so weiter, ein Weggang verhindert werden kann. Unser Ziel ist es, die ersten 8.000 Quadratmeter bis Ende 2023 fertigzustellen. Zwei große Mieter aus dem Gesundheitswesen, einer davon ist die Krankenkasse AOK, haben sich bereits für uns entschieden. Das Interesse ist groß.
Was genau soll auf dem Schanzenberg angesiedelt werden?
Städtebaurechtlich ist Gewerbe mit Dienstleistungen genehmigt, also keine Wohnbebauung. Im ersten Bauabschnitt sind wie bereits gesagt Unternehmen der Gesundheitsbranche vorgesehen, weitere Büroräume, eine Kindertagesstätte sowie eine Nahversorgung inklusive Gastronomie. Große Supermärkte oder Logistikunternehmen sind nicht vorgesehen. Dort, wo die ehemaligen Messehallen standen, entstehen neue Gebäude für Dienstleistungen, Forschung und Entwicklung, Technik und Pharmazie. Zwei Hochhäuser mit maximal zwölf beziehungsweise 16 Geschossen sollen städtebauliche Akzente setzen. Rund 450 neue Arbeitsplätze könnten so bereits im ersten Bauabschnitt entstehen. Hinzu kommen Grünzonen sowie drei Plätze, die zum Verweilen einladen mit Springbrunnen, Wasserflächen und so weiter.
Selbst die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes hat bereits Interesse bekundet. Ein Mischgebiet mit Gewerbe und Wohnraum ist zwar nicht gestattet, aber studentischer Wohnraum könnte eventuell auf dem Gelände entstehen. Hier befinden wir uns in Gesprächen mit der Stadt.
Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit auf dem Schanzenberg?
Das ist ein ganz wichtiges Thema. Alle neuen Gebäude werden dem modernsten Standard und der KfW-Effizienzhaus-Stufe 40 ee entsprechen. Neben dem Anschluss an die Fernwärmeschiene werden wir Photovoltaikanlagen auf die Dächer installieren, Ladesäulen, Wärmerückgewinnungsanlagen und/oder Wärmepumpen einsetzen, hocheffiziente und schalldichte Fenster einbauen vor allem bei den Gebäuden, die zur Stadtautobahn führen. Hier können wir uns durchaus interessante Contracting-Modelle mit anbietenden Firmen vorstellen.
Die alten Hallen fallen dem Bagger zum Opfer. Was passiert mit Halle 1 und dem Entrée?
Diese Gebäudeeinheit bleibt bestehen, aber wir werden sie energietechnisch sowie in puncto Schallisolierung auf einen neuen Stand bringen und komplett modernisieren. Das Ensemble ist für 3.000 Besucher ausgelegt und genehmigt, Parkplätze sind vorhanden und es bietet als Eventhaus viele Möglichkeiten, um Leben auf das Gelände zu bringen. Dieses modernisierte Haus soll nach außen zeigen, was im Inneren möglich ist. Wir werden dazu einen Gestaltungswettbewerb mit Architekten aus der Region starten.
Sie sind am Schanzenberg groß eingestiegen. Welche weiteren Pläne verfolgen Sie im Saarland?
Das Engagement der Familie Reichenberger ist langfristig ausgelegt, das heißt wir bleiben am Standort und vermieten. Das Gesamtareal werden wir langfristig im Familienbestand behalten. Ich gehe davon aus, dass die Realisierung der einzelnen Bauabschnitte, die wir nach Bedarf angehen, durchaus zehn Jahre dauert. Wir haben in Saarbrücken bereits ein weiteres Gelände in der Metzer Straße gekauft und dafür schon einen Mieter gefunden. Das hätte nicht zum Schanzenberg gepasst. Wenn sich weitere Gelegenheiten bieten, warum nicht? Das Saarland und die Großregion haben wir schon in unser Herz geschlossen. Bisher hat von der Idee über die Planung bis hin zur ersten Umsetzung alles gut funktioniert dank der Kooperation mit den entsprechenden Stellen im Saarland wie der Wirtschaftsförderung der Stadt Saarbrücken. Die haben gefördert und nicht verhindert und das sehr schnell. Im Übrigen wird meine Tochter Eva-Maria Klappauf den Schanzenberg als verantwortliche Projektleiterin in erster Linie betreuen.
Investieren in Krisenzeiten, erst Corona, jetzt ein Krieg. Woher nehmen Sie den Optimismus, so ein Riesenprojekt erfolgreich umzusetzen?
Wir verfügen über langjährige Erfahrung in der Immobilienbranche, arbeiten mit zuverlässigen und internationalen Partnern wie dem Investment-Management und Beratungsunternehmen Jones Lang LaSalle zusammen und spielen bewusst die regionale Karte bei Zulieferern und Dienstleistern, sofern das möglich ist. Schließlich soll ja auch Wertschöpfung in der Region bleiben.
Was die Krisen angeht, müssen wir die weitere Entwicklung betrachten. Beim Tiefbau, sprich die Auftragsvergabe für die innere Erschließung inklusive der Medien Strom, Wärme, Wasser und Glasfaser, lief alles erfreulich gut. Die Arbeiten starten in den nächsten Wochen. Beim Hochbau dürfte es für anbietende Firmen derzeit schwierig sein, Preise exakt zu kalkulieren zum Beispiel aufgrund steigender Stahlpreise oder wegen Lieferengpässen. Die Hochbauarbeiten sollen im Mai oder Juni 2022 beginnen.