Unter den Staatspräsidenten François Hollande und Emmanuel Macron erlebte die französische Beziehung zu Afrika bislang eine Wiederbelebung. Wohin diese allerdings führt, ist unklar: Geht es um eine Art Neokolonialismus oder eine echte Partnerschaft?
Sie waren schon immer etwas Besonderes, die Beziehungen Frankreichs zu Afrika. Ob Sprache, Währung, Handelspartnerschaften, Militärpräsenz, Kultur oder Skandale: Nach dem Brexit gilt Frankreich als die größte ehemalige Kolonialmacht der EU auf dem afrikanischen Kontinent. Diese Sonderstellung Frankreichs in Afrika erfährt seit einigen Jahren einen neuen Blickwinkel: Die Europäisierung der französisch-afrikanischen Beziehungen. Einen Kurs, den Staatspräsident Emmanuel Macron bisher immer weiter vorangetrieben hat.
Den Anfang vom Ende der französischen Kolonialherrschaft Afrikas besiegelte der Algerienkrieg 1962. 1977 entließen die Franzosen mit Dschibuti am Horn von Afrika die letzte Kolonie in die Unabhängigkeit. Doch das Beziehungsgeflecht zu vielen frankofonen Staaten mit zum Teil eher fadenscheinigen demokratischen Nachfolgestaaten blieb bestehen. Skandale wie die Diamantenaffäre um den zentralafrikanischen „Kaiser" Bokassa, illegale Geldgeschenke als Wahlkampfhilfen, Waffengeschäfte oder die systematisch verschleppte Rückgabe von Raubkulturgütern begleiteten regelmäßig die französischen Präsidentschaften seit Beginn der Fünften Republik 1958 samt Regierungen im postkolonialen Zeitalter Frankreichs.
Koloniales Erbe blieb stets präsent
Doch inzwischen gibt es eine Kehrtwende in der Politik der „Francafrique", mit dem der negative Einfluss Frankreichs auf die ehemaligen Kolonien in Afrika bezeichnet wird. Emmanuel Macron setzt nicht nur den von seinem Amtsvorgänger François Hollande eingeleiteten Kurs der Neuorientierung der französischen Afrikapolitik fort.
Er versucht auch, neue Akzente zu setzen und die EU stärker in die französisch-afrikanischen Beziehungen einzubinden, wie das Beispiel des gemeinsamen Militäreinsatzes in Mali zeigte. Als Mittelmacht hat Frankreich durchaus erkannt, dass es europäische Partner braucht, um militärische und wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Während dieser neue Öffnungskurs als eine Art zweite Phase der Dekolonialisierung beschrieben wird, sprechen Kritiker allerdings von einem eher postkolonialen Stil, der einzig und allein den militärischen und wirtschaftlichen Interessen Frankreichs dient.
Die wirtschaftlichen Interessen stehen zweifelsohne im Vordergrund dieses Kurswechsels. Aber Emmanuel Macron versucht dennoch, die Hypotheken der französischen Vergangenheit in Afrika aufzuarbeiten, die Rolle Frankreichs in Ruanda zu beleuchten und er verspricht, die Rückgabe der Raubkulturgüter zu forcieren. Neu ist zudem das verstärkte Engagement Frankreichs in den anglofonen Ländern Afrikas. Aber auch innenpolitisch wird Frankreich sich seiner Kolonialvergangenheit in Afrika verstärkt stellen müssen. Die gefährlich radikalisierte Islamistenszene in Frankreich, auf deren Konto zahlreiche Terroranschläge in den letzten Jahren gehen, sowie die gescheiterte Integration vieler Afrikaner, allen voran in den Vorstädten von Paris, Lyon, Marseille, Toulouse und Straßburg sprechen Bände.
EU und China bauen Afrika-Handel Aus
Frankreich ist außerdem bemüht, das Potenzial Afrikas der EU schmackhaft zu machen. Und zwar nicht nur militärisch wie in Mali, wo Frankreich bis zum Abzug seiner Truppen auf die europäischen Partner ohne die Nato gesetzt hat, sondern vor allem bei den Handelsbeziehungen. Das hat das Gipfeltreffen zwischen der EU und der Afrikanischen Union im Februar dieses Jahres im Rahmen der französischen EU-Ratspräsidentschaft gezeigt. Dort ging es darum, die Handelspartnerschaft zu modernisieren, wie etwa die Anhebung sozialer und ökologischer Standards, Beseitigung von Handelshemmnissen oder Zollpräferenzen. Immerhin belief sich das Handelsvolumen zwischen EU und Afrikanischer Union im Jahr 2020 nach Angaben der französischen Regierung auf 225 Milliarden Euro und damit 20 Prozent mehr als 2016, rund ein Drittel entfällt dabei auf Frankreich. Dass die Franzosen eine privilegierte Partnerschaft mit dem Kontinent pflegen, zeigt auch der Franc der sogenannten CFA-Zone (Franc de la Coopération Financière en Afrique). Der CFA-Franc mit festem Wechselkurs zum Euro gilt in 14 hauptsächlich frankofonen west- und zentralafrikanischen Staaten der Wirtschafts- und Währungsunion UEMOA und UDEAC.
Zwar ist die EU nach wie vor wichtigster Handelspartner Afrikas, aber allen voran China mit seinem Projekt „Seidenstraße 2.0" hat mächtig aufgeholt. Betrug das Handelsvolumen zwischen China und Afrika um die Jahrtausendwende lediglich ein bis zwei Prozent, sind es 2021 bereits 17 Prozent. Auch die Türkei und Russland drängen mit aller Macht nach Afrika, wobei Russland aufgrund der massiven Sanktionspolitik derzeit in seinem Expansionsdrang wahrscheinlich eher ausgebremst wird. Genau in diese Lücke stößt Macron mit seinem Vorschlag, Afrika bei der EU mehr Bedeutung zukommen zu lassen. Auch um China nicht „kampflos" das Feld zu überlassen.