Die Fotografie-Ausstellung „Die Kunst des Sehens" wird demnächst in der Galerie M Beck in Homburg-Schwarzenacker eröffnet. Wie fand Hanne Voltmer-Döbrich zur Fotografie, und wo findet sie ihre Motive?
Schon ihr ganzes Leben hat die Saarbrücker Fotografin Hanne Voltmer-Döbrich irgendetwas mit Zeitungen und Zeitschriften zu tun. In ganz unterschiedlichen Bereichen. Zunächst absolvierte sie eine Ausbildung zur Medienkauffrau und arbeitete danach fast 20 Jahre lang als Sekretärin und Redaktionsassistentin in verschiedenen Ressorts der „Saarbrücker Zeitung", bevor sie ab Ende der 1990er-Jahre schließlich als freie Journalistin und Bildredakteurin vornehmlich bei Frauenzeitschriften ihren Lebensunterhalt verdiente. Seit 2015 tritt Hanne Voltmer-Döbrich zusätzlich mit ihren eigenen künstlerischen Fotografien öffentlich in Erscheinung.
Das geschriebene Wort und das passende Bildmaterial zu einem perfekten Artikel zusammenzuführen ist ihr gewissermaßen in die Wiege gelegt worden, denn ihr Vater Erich Voltmer war selbst bis Ende der 70er-Jahre stellvertretender Chefredakteur des Politik-Ressorts der „Saarbrücker Zeitung". Ihr Bruder Manfred ist ein bekannter SR-Fernsehjournalist.
Fotografierte bereits als Kind
Dass man den Vater auch außerhalb des Saarlandes als Journalisten wahrgenommen hat, hing wiederum mit einem anderen bekannten Saarländer zusammen: Voltmer führte als einziger westlicher Journalist ein Interview mit seinem früheren Schulkameraden Erich Honecker.
Der Vater schenkte Hanne als Kind eine Pocketkamera und so fotografierte sie früh, was ihr vor die Linse kam: ihre Haustiere, Blumen und vor allem die Verwandten, die sich zu den alljährlichen Zusammenkünften der Großfamilie einfanden.
Ihre eigenen Fotos in Ausstellungen zu präsentieren, kam ihr lange nicht in den Sinn. Als sie ab 2000 als Bildredakteurin beim
Klambt-Verlag in Baden-Baden arbeitete, durfte sie in den dortigen Verlagsräumen erstmals ein paar Fotos von privaten Urlaubsreisen ausstellen. Darauf folgend begann sie von ihren Reisen in die Türkei, nach Italien oder in die Berge Reiseberichte für Tageszeitungen zu schreiben. Aber immer neben ihrem Beruf als Bildredakteurin für Zeitschriften und Magazine wie „Bunte" oder „Bild der Frau" – ob beim Stegenwaller Verlag in Essen oder zuletzt beim Burda-Verlag in Offenburg.
Als Bildredakteurin kaufte sie Fotos bei großen internationalen Agenturen ein, verhandelte Preise und musste das Thema Bildrechte im Blick behalten. Gerade im Boulevardjournalismus hat die Bildredaktion Priorität, die Zeitschriften werden wegen der (Paparazzi-)Fotos gekauft, nicht wegen der Texte. Während in ihrem Berufsleben vor allem die Preise für die einzukaufenden Fotos von Bedeutung waren, hat dies für ihre eigenen Fotos keine Relevanz. „Bilder sind meine Babys, ich will sie eigentlich gar nicht verkaufen", erklärt Hanne Voltmer-Döbrich lächelnd.
Seit rund fünf Jahren übernimmt die heute 63-Jährige nur noch Urlaubsvertretungen in ihrem Beruf als Bildredakteurin, und seit der Corona-Pandemie arbeitet sie an ihrem heimischen Schreibtisch in Saarbrücken, nicht mehr vor Ort in den Verlagen. Ihr Schreibtisch zu Hause ist zugleich Teil ihres Arbeitsmediums für ihre eigenen Fotografien. Denn hier steht ihr Laptop, der für Voltmer-Döbrich fast so wichtig ist wie ihre Canon-Spiegelreflexkamera. Jedes ihrer Fotos wird von ihr digital nachbearbeitet, nicht mit Photoshop, aber mit einer eigenen Software von Canon. Mit einem sensiblen Gespür für interessante Ausschnitte und Nahaufnahmen erkundet Voltmer-Döbrich ihre Umwelt.
Farbe als Mittel der Verstärkung
Ihre favorisierten Bildmotive findet sie zumeist in der Natur: Pflanzen, Blüten, Bäume. Dazu muss sie zuweilen nicht mal ihre Wohnung verlassen, denn selbst auf ihrem Balkon entdeckt sie spannende Motive, so auch bei der Fotografie „Perlenspiel". Nach einem Regenguss hingen dicke Tropfen an den Ästen einer kleinen Lärche, die in einem Topf auf ihrem Balkon steht. Voltmer-Döbrich wählte einen nahsichtigen Ausschnitt auf die nassen Äste, auf denen sich Tropfen abzeichneten, überarbeitete wie üblich die Farben am Computer und stellte schließlich das Motiv auf den Kopf. Aus den Regentropfen wurden – laut Titel des Werks –
Perlen. Man könnte auch an einen artifiziellen Weihnachtsbaum mit magischen Kugeln denken.
Ihre Bilder lässt sie auf Leinwand aufziehen, damit unterstreicht sie das häufig durch die Farbigkeit und Darstellung der Motive evozierte Malerische ihrer Fotografien auch mit dem Bildträger. Seltener wählt sie Alu Dibond als Untergrund, so zum Beispiel bei einem in Esslingen aufgenommenen Maisfeld, das sie in seinem bereits verblühten Zustand im Herbst fotografierte: „Kukuruz", so der Bildtitel, was schlicht der österreichische, aus dem Slawischen stammende Begriff für „Mais" ist. Neben der übersteigerten Buntfarbigkeit hat Voltmer-Döbrich hier ein extremes Querformat gewählt.
Die Übersteigerung der Farben ist für sie ein Mittel der Verstärkung: „Alle Farben sind schon da, ich hebe sie nur hervor, experimentiere damit", erklärt Voltmer-Döbrich die zuweilen sogar ins Surreale kippende Farbgebung, wie sie etwa die „Wassergärten" aus Landsweiler-Reden zeigen. Knalliges Rot, Grün und Pink teilen sich eine Bildfläche, auch hier unterstreicht sie damit die Rosttöne, die schon vorhanden sind.
Bei der Fotografie mit dem Titel „Mélange" schwelgt die Künstlerin in einem rot-gelben Farbenrausch, verwoben mit Orange- und Pinktönen. Wenn man sich die Farbwirbel länger ansieht, erkennt man, dass auch hinter dem Titel „Mélange" ein pflanzliches Motiv steht, nämlich das Innere einer Tulpe mit Stempel und Staubblättern.
Favorisierte Bildmotive aus der Natur
Neben den überwiegend buntfarbigen Fotos markieren auch einige wenige Schwarz-Weiß-Aufnahmen eine ganz besondere Ästhetik. Die Blätter eines Kastanienbaums formieren sich zu „Blätterschaukeln", die Stängel des „Zinnkrautes" wirken wie informelle Zeichnungen. Auch eine die Vergänglichkeit aufzeigende Tulpe, die auf grauem Grund den Stempel wie eine Lanze präsentiert, vermag unter dem Titel „Blütenstände" eine simple Eleganz vorzuführen, die ganz ohne übersteigerte Farbigkeit auskommt und rein durch das Motiv beeindruckt.
Neben den favorisierten Bildmotiven aus der Natur, die sie in den vergangenen Jahren bereits in Einzelausstellungen mit Titeln wie „Magie der Stille. Natur ganz nah" oder „Im Auge der Natur" dokumentierte, bezeugt ihre Beteiligung an der Gruppenausstellung „Femmes" im Rathaus in Metz (2020/2021) ihre Freude am Portät mit den ausgewählten Aufnahmen der Schauspielerinnen Heike Makatsch und Andrea Sawatzki.
In der kommenden Ausstellung in der Galerie M Beck in Homburg-Schwarzenacker verweist der Titel „Die Kunst des Sehens" darauf, dass Voltmer-Döbrich jetzt ihre Scheu überwunden hat, die eigenen Fotos als Kunst zu begreifen und zu titulieren. „Mit dieser Ausstellung möchte ich mir selbst eine Freude machen, ich habe eine kleine, feine Auswahl meiner Arbeiten getroffen. Und ja, Anerkennung zu bekommen, ist schön", fügt Hanne Voltmer-Döbrich lächelnd hinzu.
Wer sich vorab informieren möchte, kann sich Voltmer-Döbrichs Website ansehen, auf der sie viele Fotografien zeigt und vergangene Ausstellungen dokumentiert. Aber wie kommt man dazu, eine Webadresse „www.hallo-hanne.de" zu nennen? Auf diese Frage lacht die Fotografin erst mal und muss nachdenken. Aber dann weiß sie doch recht schnell eine Antwort, wieso sie ihre eigene Website so benannt hat: „Das klingt nicht so angeberisch und ist eher so ‚Du-auf-Du‘ mit dem Interessenten." Ungewöhnlich, aber sympathisch.