Eine Erziehungs- und Ausbildungs-Methode, die auf Verständnis zwischen Pferd und Mensch abzielt, nennt sich Horsemanship. Ifrit Kiselmann ist darin Experte und erklärt für FORUM die Herangehensweise.
Seit vielen Jahrtausenden zieht das Pferd den Menschen mit seiner Ausstrahlung, Eleganz, Kraft und Schönheit in den Bann. Je nach Beziehung zu unseren Pferden, steht irgendwo dahinter aber auch ein Wunsch oder eine Erwartung. Als Nutztier gilt: „Bleibe gesund und arbeitswillig und mache deinen Job". Beim Sport: „Strenge dich an und gewinne für mich den Preis". Bei Showpferden: „Benimm dich und zeige dich von deiner besten Seite". Und als Freizeitpartner: „Sei mein Freund und erfülle meinen Traum". Da es die meisten Menschen eilig haben, dass ihre Wünsche in Erfüllung gehen, zielen viele gängige Ausbildungsmethoden darauf ab, möglichst schnell das gewünschte Verhalten der Pferde zu erzeugen. Die dabei angewendeten Hilfsmittel oder „Tricks" stehen oft im krassen Kontrast zu dem eigentlichen Ziel, das Pferd als Partner zu verstehen, welches mit mir auf seinem Rücken zur gleichen eleganten Ausstrahlung und Eleganz zurückfindet, welche es ohne Reiter vorher ohnehin schon hatte. Sowohl die Ausbildungsmethoden wie auch die spätere Nutzung des ausgebildeten Pferdes sollten die Würde des Pferdes niemals aus dem Auge verlieren.
Innere Grenzen überschreiten
Ein Ansatz, welcher zwar nicht in den USA erfunden wurde, aber durch einige dortige Vertreter in den letzten Jahrzehnten wieder populär gemacht wurde, ist eine Methode unter dem Titel Horsemanship. Übersetzt bedeutet das ungefähr Pferde-Mensch-Beziehung. Die darunter verstandene Partnerschaft mit dem Pferd stellt die Qualität der Verbindung zwischen Mensch und Pferd über alle sonstigen angestrebten Ziele. Damit lieg die größte Herausforderung im Horsemanship in unserer eigenen Persönlichkeit.
Bei Horsemanship geht es um das Wissen, was Pferde brauchen, wie sie sich verhalten und in der Herde kommunizieren. Um Timing und Gefühl, im richtigen Moment ein effektives Signal zu geben, um sich mit dem Pferd zu verständigen. Um die Persönlichkeit und Einstellung. Darum, den Mut zu haben, äußere Grenzen zu setzen und innere zu überschreiten. Und schließlich geht es um die Reise dahin, all diese Dinge zu lernen, sich selbst und sein Pferd darin zu erfahren und weiterzuentwickeln. Eine Sache ist sicherlich jedem klar. Sobald wir Pferde in unsere Obhut nehmen, müssen sie lernen, mit uns zu kooperieren. Damit müssen wir letztlich Einfluss auf ihr Verhalten nehmen. Das machen Pferde, welche normalerweise im Herdenverband leben, untereinander ständig. Pferde kommunizieren dabei fast ausschließlich über Körpersprache. Die Horsemanship-Methode nutzt von dieser Pferdesprache abgeleitete Prinzipien und Techniken, um den Pferden eine Sprache anzubieten, welche sie oft intuitiv verstehen. Die wichtigsten Elemente dieser Sprache sind Raum und Bewegung und die Tatsache, dass Pferde (sofern sie sich sicher fühlen) immer ihren Komfort anstreben. Eine Pferdeherde kann es sich nicht leisten, durch innere Konflikte unnötig Energie zu verbrauchen. Darum werden Rangordnungen oft sehr schnell geklärt, damit wieder Harmonie eintreten kann. Wenn Pferde doch immer wieder streiten, dann liegt das meist an den Haltungsbedingungen, welche den Pferden nicht die nötige Distanz zueinander ermöglichen. Bei den Pferden gibt es eine einfache Regel: Dem Ranghöchsten wird nicht widersprochen, sondern man folgt ihm, ohne zu fragen, man weicht ihm aus, wenn man im Wege steht und man fragt höflich, wenn man sich ihm annähert. Würde ich es als Mensch hinbekommen, mich als „echter" Ranghöherer zu beweisen, dann hätte ich die besten Voraussetzungen, um mit dem Pferd eine erfolgreiche und harmonische Ausbildung zu gestalten. Möchte der Mensch sich aber in einem Rangordnungskampf mit einem Pferd behaupten, so müsste er schneller, stärker, ausdauernder, mutiger und wendiger sein als ein Pferd.
Damit der Mensch also auch nur den Hauch einer Chance hat, bedient er sich Hilfsmittel, denn seine Intelligenz ist so ziemlich die einzige Eigenschaft, in welcher er dem Pferd gegenüber im Vorteil ist.
Das oberste Gebot ist, Hilfsmittel niemals mit einer emotionalen Einstellung in Form von Wut oder Strafe gegenüber dem Pferd einzusetzen. Sie dienen ausschließlich dem Setzen von Rahmenbedingungen, welche das Pferd dazu bringen, dem Menschen zuzuhören. Und sie geben dem Menschen die Möglichkeit, mit dem Pferd möglichst in seiner eigenen Sprache zu sprechen. Auch ist an dieser Stelle zu betonen, dass das Pferd niemals Angst vor dem Menschen oder seinen Hilfsmitteln haben soll. Das Hetzen eines Pferdes im Roundpen bis es aufgibt, um innerhalb 30 Minuten eine spektakuläre Zähmung mit anschließendem Satteln oder Verladen in den Hänger zu demonstrieren, ist für ein Pferd der reinste Psychoterror und hat nichts mit Horsemanship zu tun.
Wie läuft jetzt aber ein beispielhafter Start einer neuen Beziehung zu einem Pferd ab?
Pferde verzeihen dem Menschen viel
Schritt 1: Klären der Rangordnung, indem man dem Pferd zeigt, dass man es jederzeit in Bewegung versetzen kann (in alle Gangarten) und dass man es überall zum Stoppen beziehungsweise zum Umkehren der Bewegungsrichtung bringen kann. Schritt 2: (kann je nach Charakter oder Befindlichkeit des Pferdes auch zuerst erforderlich sein) Dem Pferd beweisen, dass man nur positive Absichten hat (Kraulen an der Lieblingsstelle des Pferdes) Schritt 3: Dem Pferd die Prinzipien der Kommunikation erklären. Wenn durch eine Stimulation der Komfort des Pferdes eingeschränkt wird (zum Beispiel Wedeln des Seils hinter ihm) dann soll es lernen, darauf zu vertrauen, dass es selbst durch die erwünschte Handlung (zum Beispiel einen Schritt nach vorne gehen) wieder seinen ursprünglichen Komfort zurückerhält (Wedeln hört auf).
Was jetzt folgt, ist Erziehung und Ausbildung, wobei die Erziehung viel mit dem Definieren von Grenzen zu tun hat und die Ausbildung viel mit dem Erweitern von Grenzen und Möglichkeiten. Ohne Erziehung bekomme ich keinen harmonischen Umgang, und ohne Ausbildung bekomme ich keine feine Kommunikation, und das Pferd ist körperlich nicht in der Lage, einen Menschen zu tragen, ohne langfristig gesundheitliche Probleme zu bekommen.
Bei dem nun folgenden Weg liegt die größte Herausforderung in der Persönlichkeitsentwicklung des Menschen. Bin ich in der Lage, dem Pferd Grenzen zu setzen, wenn es diese benötigt? Bin ich in der Lage, innere Grenzen zu überwinden, wenn mich Ungeduld oder Jähzorn packen und mich vom Weg abbringen? Habe ich genug Wissen, um das eine vom anderen zu unterscheiden?
Fehler werden immer wieder passieren, und ein Mensch wird immer wieder an seine Grenzen kommen. Aber einen effektiven Menschen erkennt man nicht daran, dass er keine Fehler macht, sondern daran, was er aus ihnen lernt. Und einen guten Horseman erkennt man nicht daran, dass sein Pferd alles kann, sondern daran, wie er mit seinem Pferd umgeht, wenn es etwas noch nicht kann.
Pferde verzeihen uns viel, aber nicht alles. Haben die Pferde durch eine unfaire Ausbildung erst mal ihre Eleganz und den Glanz in ihren Augen verloren, dann wird er so schnell nicht wieder zurückkommen. Zum Abschluss muss erwähnt werden: Das Reiten selbst ist für das Pferd eines der unnatürlichsten Dinge, welche man sich überhaupt nur vorstellen kann. Normalerweise ist das Einzige, was auf seinem Rücken sitzt, sich festklammert und ihm dann noch Schmerzen zufügt, ein Raubtier.
Dass das Pferd uns erlaubt, auf ihm zu reiten und uns die Kontrolle über seine Bewegungen überlässt und alle die Fehltritte der Menschen erträgt, kann man niemals hoch genug würdigen.