Nach dem verpatzten Saisonstart haben sich die Bundesliga-Turner der TG Saar eindrucksvoll zurückgemeldet. Vor dem letzten Rundenkampf hat das Team von Trainer Eugen Spiridonov sogar noch eine kleine Chance auf das Erreichen des großen Finales um die Deutsche Meisterschaft.
Mit einer faustdicken Überraschung hat sich Kunstturn-Bundesligist TG Saar aus der Sommerpause zurückgemeldet. Das Team von Trainer Eugen Spiridonov setzte sich mit 36:32 (Gerätepunkte: 4:8) in Hannover beim amtierenden Deutschen Meister TuS Vinnhorst durch. Der folgende 38:27 (7:5)-Erfolg bei Aufsteiger TSV Pfuhl um Liga-Topscorer und Ringe-Weltmeister Adem Asil untermauert die bestechende Form der Saarländer. Die Qualifikation für das „kleine Finale“, also den Kampf um Platz drei in der Meisterschaft, hat die TG nun selbst in der Hand. Vor dem letzten Rundenkampf am Samstag in der Dillinger Kreissporthalle (18 Uhr) liegt sie in der Tabelle auf Qualifikationsrang vier.
Alles möglich mit Qualifikationsrang vier
Nach einem personellen Umbruch, der den Dillingern den jüngsten Kader der Bundesliga bescherte, entspricht das Erreichte schon jetzt dem Saisonziel der Verantwortlichen. Aufgrund weiterer überraschender Ergebnisse in der zweiten Rundenhälfte ist theoretisch sogar noch das Erreichen des „großen Finales“ um die Deutsche Meisterschaft drin. Die Endkämpfe steigen am 3. Dezember in Ulm, wo der Tabellen-Erste gegen den -Zweiten um die Deutsche Meisterschaft und die Dritt- und Viertplatzierten um die Bronzemedaille turnen werden. Um in einem dieser Finals sicher dabei sein zu können, muss die TG aber ihren letzten Rundenkampf gewinnen.
„Die Liga ist ausgeglichener als in den Jahren zuvor. Es gibt keinen Gegner, der nur Kanonenfutter ist“, weiß der TG-Vorsitzende Thorsten Michels und warnt: „Man muss also immer wachsam sein und in jedem Wettkampf alles reinhauen, um nicht plötzlich unter die Räder zu kommen.“ Zum Beispiel so wie beim Auftakt beim SC Cottbus: Den Start in die erste Rundenhälfte hatten die Saarländer Anfang Mai mit einer überraschenden Niederlage beim Rekordmeister in den Sand gesetzt. Nach einer weiteren Niederlage gegen den Vizemeister von 2021, TV Wetzgau (26:35/Gerätepunkte: 5:7), schien die Saison bereits gelaufen. Doch in der Folge hielt die TG durch Siege bei der KTV Straubenhardt (36:26/8:4) und gegen den Siegerländer KV (53:21/9:3) den Schaden in Grenzen. Vor dem letzten Wettkampftag liegen die Saarländer mit zwei Punkten Vorsprung auf Verfolger KTV Straubenhardt und nur zwei Punkten Rückstand auf Spitzenreiter TV Wetzgau auf Rang vier der Tabelle. Die Gäste aus Singen rangieren auf dem vorletzten Platz sieben.
Die Einordnung der Niederlage in Cottbus, die im Frühjahr noch als Überraschung galt, hat sich im Laufe der Runde relativiert: Schließlich hat sich Rekordmeister Cottbus durch konstante Leistungen am vorletzten Wettkampftag an die Tabellenspitze geturnt. Unterstützung gab es von der KTV Straubenhardt, die den vorigen Tabellenführer TV Wetzgau mit einem 38:31 vom Thron stürzte. Zeitgleich katapultierte sich die TG mit ihrem sensationellen Sieg in Vinnhorst wieder zurück ins Rennen um die Finalplätze: „Das war ein unglaubliches Ding“, schwärmte der TG-Vorsitzende Thorsten Michels nach dem Sieg beim amtierenden Meister und sprach von einer „krassen Energieleistung des gesamten Teams“. Zwar hatte dieses am Boden (4:5), den Ringen (2:9), am Sprung (2:7) und am Barren (2:11) das Nachsehen. Doch die beeindruckende Punktausbeute am Pauschenpferd (14:0) und am Reck (10:0) brachten den Sieg. Topscorer beim Coup in Hannover Mitte November war mit neun Punkten Alexander Maier, der nach überstandener Schulter-Operation erstmals für die TG Saar an den Start ging. Der 28-jährige Mehrkämpfer war früher deutscher Nationalturner und kam vor der Saison vom MTV Stuttgart.
Starke Leistungen auch international
Auch der Franzose Benjamin Osberger lieferte in Vinnhorst mit sieben Punkten ein beachtliches TG-Debüt ab. Bei der Weltmeisterschaft, die Anfang November im englischen Liverpool stattfand, wurde der 21 Jahre junge Franzose Vierter am Boden. Aber auch am Pauschenpferd und beim Sprung bringt er Stärken mit. In Liverpool waren neben Osberger auch weitere TG-Turner im Einsatz: Mehrkampf-Europameister Joe Fraser holte mit England WM-Bronze. Der Armenier Artur Avetisyan schrammte als Vierter an den Ringen nur knapp an der Bronzemedaille vorbei. Auch Matteo Laventesi wurde Vierter, allerdings im Teamwettkampf mit Italien. Der deutsche Nationalturner in Diensten der TG, Felix Remuta, verpasste die WM hingegen. Der 24-Jährige, der an bis zu fünf Geräten eingesetzt wird, fällt nach einer Schulter-Operation im August bis zum Jahresende aus.
Schon bei den Europameisterschaften Mitte August in München lieferten die TG-Topturner ab, allen voran Fraser, der als erster Brite überhaupt die Goldmedaille im Mehrkampf gewann. Zudem wurde er Europameister am Barren und auch mit der Mannschaft. Auch die „jungen Wilden“ im Kader zeigten auf internationalem Parkett, was sie draufhaben: Bei der Junioren-EM im August wurde der erst 17-jährige Daniel Mousichidis Europameister am Boden und sicherte sich am Reck die Bronzemedaille. Sein gleichalter Teamkollege Maxim Kovalenko schaffte es ebenfalls ins Bodenfinale. Wäre ihm mit einem Sturz beim „in die Ecke gehen“ nicht ein folgenschwerer Patzer unterlaufen, hätte er wohl selbst die Goldmedaille gewonnen und Mousichidis auf den Silberrang verdrängt. Ihr Nationalmannschaftskollege Gabriel Eichhorn steht TG-Trainer Eugen Spiridonov wegen eines Bruchs des Sprunggelenks aber vorerst nicht zur Verfügung. Dennoch muss der starke TG-Nachwuchs, zu dem auch der ebenfalls 17-jährige Moritz Steinmetz gehört, im letzten Rundenkampf wieder in die Bresche springen. TG-Chef Michels wünscht sich daher, „dass wieder mehr Zuschauer den Weg in die Halle finden“.