Brettspiele und Co. liegen seit Jahren im Trend. Wegen wirtschaftlicher Unsicherheit und Konsumzurückhaltung ließ der Umsatz in der Spielindustrie etwas nach. Trotzdem steht das Spielen auf der Beliebheitsskala ganz vorn.
Das „Spiel des Jahres“ 2022 heißt „Cascadia“. An dem Legespiel, das nach dem nordamerikanischen Grenzgebiet zwischen Kanada und den USA benannt ist, können bis zu vier Spieler teilnehmen. In diesem Brettspiel wetteifern sie darum, ein punkteträchtiges Biotop zusammenzustellen, in dem möglichst große Landflächen der gleichen Art zusammenhängen. Eine unabhängige Fachjury kürt jedes Jahr unter zahlreichen Brett- und Kartenspielen das „Spiel des Jahres“. Auch das Spiel „Living Forest“ holt die Natur ins Wohnzimmer zum geselligen Zusammensein. Dieses Spiel gewann den Kritikerpreis „Kennerspiel des Jahres“. Bei „Living Forest“ geht es um nichts Geringeres als um die Rettung brennender Wälder. Die Spielpartner arbeiten teilweise zusammen, um die drohende Gefahr einzudämmen. Sie löschen Flammen, forsten den Wald mit neuen Bäumen auf und sammeln magische Lotusblüten, die dem heiligen Hain seine Kraft wiedergeben. Last but not least wurde von der Jury das Brettspiel „Zauberberg“ als „Kinderspiel des Jahres“ ausgezeichnet: Dabei können Fünfjährige und Ältere bei einem Wettlauf zwischen Zauberlehrlingen und Hexen mitspielen.
Umsatz nach Corona-Boom gesunken
Puzzle-, Karten- und Brettspiele liegen seit Jahren im Trend. Das bestätigt auf Anfrage von FORUM auch Hermann Hutter, erster Vorsitzender des Vereins Spieleverlage und Geschäftsführer des Spieleverlages Huch. „Der Umsatz ist seit 2014 jedes Jahr gestiegen“, sagt er. Zu Corona-Zeiten sei der Umsatz von Brettspielen und Co um 20 Prozent gestiegen, bei Puzzles sogar um 50 Prozent.
Jetzt, nach den Boomjahren 2020 und 2021 trübt sich die Stimmung in der Spielwarenindustrie etwas. Die allgemeine Konsumzurückhaltung schlägt sich auch in dieser Branche nieder. Der Handelsverband Spielwaren (BVS) rechnet über alle Vertriebswege mit einem Umsatzrückgang von zirka 5 Prozent. Damit würde der Inlandsmarkt auf 4,7 Milliarden Euro im Jahr 2022 schrumpfen. 2021 lagen die Umsätze bei 4,9 Milliarden Euro. Trotz der gedämpften Kauflaune ist die Branche zuversichtlich in das Weihnachtsgeschäft gegangen. „Auch in diesem Jahr möchte niemand auf strahlende Kinderaugen verzichten. Die vergangenen Krisen haben es gezeigt: Eltern und Großeltern geben ihren letzten Euro für die Kleinsten aus“, sagt BVS-Chef Steffen Kahnt.
Kuschel- und Plüschtiere zählen zu den Lieblingen der meisten Kinder. So kommt der zweitgrößte Umsatzwachstum bei Spielwaren nach Angaben des Verbandes der Spielwarenindustrie (DVSI) aus der Kategorie Plüsch. Mit mehr als zehn Prozent Zugewinn deckt der Bereich viele Themen ab. Squishmallows und Cocomelon von Jazwares, der magische Zauberkessel der Magic Mixies von Moose oder die Star-Wars- und Fantastic-Beasts-Plüschies sind einige Beispiele für die Trends dieser Kategorie. Auch klassische Plüschartikel von Hermann Spielwaren verzeichnten laut DVSI eine große Nachfrage.Punkten konnte die Branche in diesem Jahr auch im Bereich der Lizenzen. Mit einem Wachstum von plus sechs Prozent entwickelte sich der Lizenzmarkt von Januar bis Oktober 2022 außergewöhnlich stark. Dadurch hat sich der Lizenzanteil in Deutschland auf 26 Prozent vergrößert. Die Top 5 der am stärksten wachsenden Lizenzen sind die Themen Star Wars, Jurassic World, Minecraft, Batman und Harry Potter. Gemeinsam stehen sie für über 29 Millionen Euro zusätzlichen Lizenzumsatz. Mit „Spidey und seine Super Freunde“ und Asterix konnten auch neue Themen aus dem Stand heraus jeweils mehr als zwei Millionen Euro Umsatz erwirtschaften. Auch Bauen und Konstruieren sind bei Spielfreudigen sehr beliebt. Mit einem Marktanteil von 19 Prozent ist die Kategorie Building Sets die mit Abstand größte Warengruppe im bisherigen Jahresverlauf und kann sogar nochmals um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegen. Der Marktführer Lego kann seine Umsätze um weitere sechs Prozent steigern. Dabei sind es vor allem Themen wie Star Wars, Lego Technic, Minecraft oder Creator Expert, die das größte Umsatzwachstum verzeichnen. Auch kleinere Anbieter wie Cobi mit dem Trabant 601 oder dem Opel Rekord C gewinnen Markanteile.
Beliebt sind vor allem kooperative Spiele
Nach einer Einschätzung von Fachmann Hutter sind kooperative Spiele, bei denen man gemeinsam zum Beispiel gegen ein anderes Team oder einen imaginären Gegner antritt, sehr beliebt. „Das verbindet die Menschen und schafft gemeinsame Erfolgserlebnisse.“ In den vergangenen Jahren seien die „Escape“-Spiele ein Riesenhit gewesen, so Hermann Hutter. Derzeit seien Krimispiele und Rätsel-Puzzle im Kommen. Dana Hanf, eine Sprecherin des Spieleherstellers Haba schätzt es ählich ein: Im Trend seien nach wie vor kooperative Spiele, Krimi- und Deduktionsspiele, Escape-Spiele für Kids, Escape-Puzzle, Legacy-Spiele, Roll & Write, Solitär-Knobelspiele sowie Zwei-Personen-Spiele. Auch Partyspiele und Spiele, die die Menschen zum Lachen bringen, seien beliebt, ergänzt Hutter. Kassenschlager unter den Party-Spielen etwa sei das Brettspiel „What Do You Meme?“. Memes sind Internetphänomene, die durch eine Verbindung von Bild und Text entstehen und sich rasend schnell im Netz verbreiten. Anscheinend hat dieser Hype im Netz durch das Brettspiel wieder zurück in die analoge Welt gefunden. Eine immer größer werdende Zielgruppe seien die so genannten „Kidadults“, eine Altersgruppe zwischen 15 und 35 Jahren. „Sie schlagen sich Spielnächte wie verrückt um die Ohren“, weiß der Experte. Unter den Puzzles stünden klassische Landschaften, Comic-Motive und moderne Kunst wie etwa im Pop-Art-Stil von Andy Warhol hoch in der Gunst der Spielwütigen. Langweilig dürfte es Liebhabern von Brettspielen und Co also nicht werden. Auf der Spielwarenmesse „Spiel ’22“ im Oktober in Essen wurden rund 1.800 Neuheiten vorgestellt.