Seit dem 2. Februar ist die Maskenpflicht weitgehend aufgehoben. Corona hat sich von einer Pandemie zur Endemie entwickelt. Verschwunden ist es nicht, und Langzeitfolgen werden erst nach und nach sichtbar.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach könnte zufrieden sein. Sein Wunsch, dass Corona nicht mehr die Schlagzeilen beherrsche, ist weitgehend erfüllt. Seit Anfang Februar ist auch die Maskenpflicht im ÖPNV und Bahnfernverkehr aufgehoben. Über Inzidenzzahlen wird schon seit Wochen kaum noch berichtet. Zuletzt lagen sie bundesweit unter 75, lediglich Niedersachsen hatte eine dreistellige Zahl zu vermelden. Die Entwicklung des R-Wertes, der angibt, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt, liegt seit Anfang des Jahres nach RKI-Angaben unter 1, die Infektionswelle ist also auf dem Rückzug. Lediglich die Entwicklung in China mit explodierenden Zahlen hat kurzfristig Anlass zu neuer Sorge gegeben. Ansonsten scheint das Virus seinen Schrecken verloren zu haben. Von neuen, gefährlichen Mutationen und Varianten war zuletzt auch nichts mehr zu hören.
Schon Ende letzten Jahres waren Experten einigermaßen übereinstimmend der Auffassung, dass sich die Pandemie zu einer Endemie entwickelt. Corona ist also nicht vorbei, sondern ähnlich wie die Grippe eine Erscheinung, die regelmäßig und zeitweilig auch gehäuft in einer Region vorkommt. Das Ende der Pandemie auszurufen, ist aber schon deshalb schwierig, da es sich um eine fließende Entwicklung handelt. Der Virologe Christian Drosten musste eine öffentliche Debatte ausfechten, nachdem seine Äußerungen so interpretiert wurden, als habe er das Ende der Pandemie festgestellt. Das könne man, so der Virologe, allenfalls im Nachhinein tun, wenn der Verlauf einer Infektionswelle gezeigt habe, dass es eine endemische Entwicklung war. Davon ist aber inzwischen auszugehen. Dass das Virus seinen Schrecken verloren hätte, davon kann aber keine Rede sein. Es wird künftig weiter zu Infektionswellen kommen und Ungeimpfte werden dabei schwere Verläufe – mit allen Nachwirkungen – erleben und auf Intensivstationen landen. Der Unterschied zu vergangenen schweren Wellen dürfte nach Experteneinschätzungen sein, dass damit keine Überlastung des Gesundheitswesens zu befürchten ist.
Corona bleibt ständiger Begleiter
Das schließt aber kritische Entwicklungen nicht aus. Erst recht nicht, wenn beispielsweise wie zuletzt Corona-Infektionswellen gleichzeitig mit Grippe und anderen Atemwegserkrankungen zusammentreffen. Dabei waren die Kapazitäten von Intensivstationen und Krankenhäusern nicht durch eine übergroße Zahl von Fällen an ihre Grenzen gekommen, sondern durch den Ausfall von Personal, das sich selbst infiziert hatte.
In Sachen Impfung hat sich vor dem Hintergrund dieser Entwicklung seit Dezember vergangenen Jahres nicht viel bewegt. An der seit Mitte letzten Jahres praktisch stagnierenden Zahl von Erstimpfungen und Grundimmunisierungen lässt sich ablesen, dass Menschen, die zuvor schon keine Impfung wollten, sich auch durch noch so viel Aufklärung kaum davon haben überzeugen lassen. Seit Juli letzten Jahres ist die Zahl der Menschen mit Erstimpfung lediglich von 64,8 auf 64,9 Millionen gestiegen, die derjenigen mit Zweitimpfung (Grundimmunisierung) von 63,4 auf 63,6 Millionen. Der Anteil liegt damit bei etwas über drei Vierteln (76,4 Prozent). Von der ursprünglich einmal angestrebten Quote von über 90 Prozent bleibt das weit entfernt.
Anders dagegen die Einstellung der Menschen, die schon zuvor von der Notwendigkeit der Impfung überzeugt waren. Die Zahl der Menschen mit einer Booster-Impfung stieg zwar langsam, aber kontinuierlich an (von 51,3 auf 52,1 Millionen seit Mitte 2022), die der Menschen mit einer zweiten Booster-Impfung von 6,0 auf 12,5 Millionen. Dabei handelt es sich vor allem um Menschen im fortgeschrittenen Alter, denen die Booster-Impfungen dringend empfohlen werden. Diese vergleichsweise hohe Quote hat auch dazu beigetragen, dass bei der letzten Welle die Zahl der schweren Verläufe in überschaubarem Rahmen blieb.
Was Lauterbachs groß angelegte Impfkampagne gebracht hat, lässt sich anhand dieser Zahlen grob einschätzen. Menschen, die bislang schon nicht von einer Impfung überzeugt werden konnten, hat die Kampagne ausweislich der Zahlen des RKI-Impfdashboards nicht erreicht. Möglicherweise hat sie aber die Motivation zu Booster-Impfungen befördert, wie deren gestiegene Zahl nahelegt.
Wenn sich Corona nun ähnlich wie die Grippe entwickeln sollte, also zu einem saisonalen Begleiter wird, könnte – wie eben auch bei der Grippe – eine jährlich aktualisierte Impfung sinnvoll werden. Ein Blick in zurückliegende Statistiken über Grippeschutzimpfungen zeigt, dass sich Deutschland auch da nicht gerade weltmeisterlich präsentiert. Die Zielvorgabe in der EU, wonach 75 Prozent der älteren Bevölkerung eine Grippeschutzimpfung haben sollte, wird deutlich verfehlt. Zwar gab es nach Angaben des RKI zuletzt wieder einen leichten Anstieg, aber die Quote bei den Über-60-Jährigen lag dennoch unter 50 Prozent. Interessant dabei das Verhältnis zwischen West- und Ost-Bundesländern: Entgegen einer großen Impfenthaltung bei Corona in den Ostländern lag dort die Quote bei Grippeschutzimpfungen klar über dem westdeutschen Durchschnitt.
Impfungen weiter empfohlen
Die künftige Entwicklung und der Umgang mit Corona ist noch offen. Experten rechnen damit, dass es zu keinen weiteren besonders gefährlichen Mutationen kommen wird. Das Virus hat sich demnach, etwas unwissenschaftlich ausgedrückt, mit der Variantenbildung ausgereizt.
Was weiterhin Sorge bereitet, sind die längerfristigen Folgen, Long Covid bzw. Post-Covid. Experten schätzen, dass etwa ein Viertel der Erkrankten auch nach einem milden Verlauf dauerhaft mit gesundheitlichen Einschränkungen zu tun hat. Weil es noch keine exakten Marker für Long Covid gibt, gehen die Schätzungen noch etwas auseinander und reichen von zehn bis 30 Prozent. Zu den häufigsten Symptomen für Long Covid zählen dauerhafte Erschöpfungserscheinungen, verminderte Leistungsfähigkeit, Kurzatmigkeit, trockener Reizhusten, Stimmungsschwankungen, Schwindel und einiges mehr, insgesamt werden bislang etwa 200 Symptome aufgelistet. Die Folgen bei weniger milden Verläufen und in Kombination mit Vorerkrankungen sind erheblich dramatischer. US-Studien sprechen von 50 Prozent mehr Schlaganfällen und noch deutlich mehr Herzrhythmusstörungen. Allerdings stehen die Forschungen teilweise erst am Anfang (nur logisch, wenn es um Langzeitfolgen geht).
Corona ist zwar als akute Infektionswelle kein Thema mehr, so gut wie alle Maßnahmen sind aufgehoben. Aber es wird zum ständigen Begleiter und damit bleibt auch Impfen ein Dauerthema.