Angekündigt haben es schon viele. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will nun einen neuen Anlauf starten: Bürokratie abbauen, Verfahren vereinfachen und beschleunigen. Ein „Praxis-Check“ soll dabei helfen.
Überbordende Bürokratie ist in Deutschland seit langem ein Ärgernis. Kaum ein Bereich, der nicht unter immer neuen Vorschriften, Verwaltungsvorgängen oder Dokumentationspflichtet leidet. Die Wirtschaft hält die immer weiter ausufernden bürokratischen Erfordernisse schon lange für eines der großen Wachstumshemmnisse. Und „die Wirtschaft“ meint dabei tatsächlich alle Bereiche, vom internationalen Konzern bis zum kleinen Handwerksbetrieb.
Auch andere Bereiche wie der Gesundheitssektor klagen schon lange. An allen Ecken und Enden fehlt Personal, und das vorhandene Personal ist zeitweise gefühlt mehr mit der Erfüllung bürokratischer Vorgaben beschäftigt als mit den eigentlichen Aufgaben.
Das alles ist nicht neu und schon lange ein Thema in der Politik. Immer wieder wurden Vorstöße unternommen, in Teilbereichen tatsächlich auch schon mal Entschlackungen oder Befristungen von Vorschriften und Gesetzen vorgenommen. Immerhin gab es bereits drei sogenannte Bürokratieentlastungsgesetze. Aber in der Summe hat das alles nicht zu wirklich entscheidenden Fortschritten geführt.
Eigentlich ist der Kampf gegen das Bürokratiemonster Deutschland ureigene Forderung der Liberalen. Jetzt will der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck damit ernst machen. Sein Ministerium habe dafür einen sogenannten Praxis-Check entwickelt. „Dadurch wollen wir möglichst konkret identifizieren, welche Regelungen entfallen oder geändert werden müssen, damit Verwaltungsprozesse für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen einfacher, transparenter und nachvollziehbarer werden und wichtige wirtschaftliche Investitionen leichter getätigt werden können“, sagte der Minister.
Über entsprechende Pläne in Habecks Ministerium hatten verschiedene Medien Anfang der Woche berichtet. Offenbar will man im Wirtschaftsministerium an die ersten Erfahrungen aus dem „Solarpakt 1“anknüpfen. Um den Ausbau voranzutreiben, sind einige der bislang geltenden Vorgaben entfallen. Grundlage dafür waren eben Praxis-Checks.
Ähnliche Maßnahmen hat das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium auch schon auf den Weg gebracht, um den Ausbau von Windkraft und den Bau von Stromtrassen zu beschleunigen. Es scheint also durchaus möglich, Dinge schneller voranzubringen.
Die Erfahrungen will Habeck nun nutzen, schließlich sei „in Deutschland über die Jahrzehnte ein Dschungel von Bürokratie entstanden, der nur noch schwer zu durchdringen ist“.
Mit dem Praxis-Check soll nun identifiziert werden, „welche Regelungen entfallen oder geändert werden müssen, damit Verwaltungsprozesse von Bürgern und Unternehmen einfacher, transparenter und nachvollziehbarer werden“.
Nun sind das Ankündigungen, die auch schon in der Vergangenheit immer wieder mal zu hören waren. Und auch Habeck baut schon mal ein klein wenig vor: „Bürokratieabbau ist mühsam, man muss an vielen kleinen Stellschrauben drehen, aber die Praxis-Checks zeigen, dass es geht, wenn man will.“
Einfach transparent nachvollziehbar
Die Crux sind in der Tat nicht nur gewisse Beharrungsvermögen und Trägheiten. Es geht auch darum, ein über lange Zeit gewachsenes und vielfach miteinander verwobenes und aufeinander bezogenes System ein Stück weit zu entflechten. Das geht nunmal nicht einfach mit ein paar Dienstanweisungen. Erst recht nicht in einem föderalen System mit unterschiedlichen Zuständigkeiten, die sich wiederum über einen langen Zeitraum miteinander verwoben haben. „Wir brauchen das Zusammenspiel mit den Ländern“, betont Habeck.
Die Liberalen hat er mit seinem Vorstoß ohnehin an seiner Seite, denn die drängen schon lange darauf, eine „Trendwende bei der Bürokratiebelastung“ einzuleiten. Justizminister Marco Buschmann (FDP) will bereits einen „Bürokratie-Burnout“ bei Unternehmen ausgemacht haben.
Für die Liberalen ist übermäßige Bürokratie ein entscheidendes Investitions- und damit auch Wachstumshemmnis. So sprach sich beispielsweise FDP-Fraktionschef Christian Dürr unlängst noch gegen den Grünen Vorschlag zu einem großen Investitionsprogramm aus, fordert stattdessen Entlastung von Unternehmen, natürlich im Steuer- und Abgabebereich, aber auch in der Bürokratie.
Lange Genehmigungszeiten und aufwendige Verfahren sind schon lange aus Unternehmenssicht ein Ärgernis der besonderen Art. Das gilt aber auch für Bürgerinnen und Bürger. Und es gilt offensichtlich für die öffentliche Verwaltung selbst.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Die Grünen) hat kürzlich erklärt, in den Kommunen, im Land und im Bund befinde man sich an einem Scheideweg. Künftig werde es nicht mal mehr das Personal geben, um erlassene Regeln in den Verwaltungen umzusetzen. Man werde nicht mehr regieren können, zitiert die Nachrichtenagentur dpa den Landeschef.
Den Personalnotstand in den öffentlichen Verwaltungen haben zuletzt auch die Gewerkschaften eindringlich zum Thema gemacht. Somit wäre eine Entschlackung wohl auch im Sinne der Verwaltung selbst.
An Vorschlägen, was alles in Sachen Bürokratieabbau möglich wäre, mangelt es eigentlich nicht. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hatte erst Ende letzten Jahres eine Liste mit rund 30 Vorschlägen auf den Tisch gelegt. „Gerade jetzt kann der Verzicht auf nutzlose Vorschriften und deutlich vereinfachte Verfahren positive Impulse auslösen“, betonte damals DIHK-Präsident Peter Adrian im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Es gibt keinen passenderen Zeitpunkt, um dieses Thema beherzt anzupacken.“ Adrian erinnerte bereits damals daran, dass die Ampel-Regierung eigentlich versprochen hatte, zumindest ein „Belastungsmoratorium“ hinzukriegen, also keine zusätzlichen Belastungen. Nur leider sei das nicht eingehalten worden. Und selbst wenn, dann sei „lediglich den Anstieg von Bürokratie zu bremsen, angesichts der vielfältigen Herausforderungen viel zu wenig“.
All das ist natürlich nicht neu. Es mangelt auch in diesem Bereich kaum an Erkenntnisgewinn. Auch nicht an den Forderungen, mehr Mut an den Tag zu legen. Der Teufel steckt jedoch im Detail der Umsetzung. Und vielleicht auch ein Stück weit in einer mentalen Grundeinstellung. Vermutlich spielt Habeck vor allem darauf an, wenn er jetzt den Satz prägt: „Wir denken von den Bürgern und Unternehmen aus, nicht von den Paragrafen.“