Was für eine sinnvolle Förderung wichtig ist
Deutschland wird auch ohne besondere Förderung immer wieder Spitzenathleten hervorbringen, die Medaillen und Titel gewinnen. Genügt uns das oder wollen wir der Medaillenhatz anderer Länder, insbesondere Autokratien, hinterherhecheln? Demokratische Gesellschaften müssen sich nicht über spitzensportliche Erfolge definieren. Dennoch gibt es gute Gründe, Leistungssport zu fördern. Einer der wichtigsten: Kinder und Jugendliche brauchen Vorbilder, um sportlich aktiv zu werden.
Damit stellt sich die Gretchenfrage. Wie, was und wie viel fördern? Zur Förderung des Spitzensports wurde 2016 das Potenzial-Analysesystem, abgekürzt Potas, installiert. Die Sportverbände mussten weit über 100 Fragen beantworten, um künftige Erfolgsaussichten, also Potenzial, abzuschätzen. So sperrig wie das Etikett gestaltete sich auch die Realisierung. Experten sprechen von einem Bürokratiemonster. Liest man sechs Jahre später die kritischen Kommentare, könnte man meinen, die Reform ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet. Eine Reform der Reform wird gefordert.
Potas impliziert, Talente besonders zu fördern. Die Botschaft ist angekommen, aber Talentfindung und -sichtung ist eine der schwierigsten Aufgaben. Medizinische, trainingsspezifische, soziologische, biografische und andere Aspekte müssen berücksichtigt werden. Vieles kann man nicht messen. Trainer im Nachwuchsbereich sollen Talente entwickeln, aber nicht unbedingt zu Titeln in ihren Altersklassen führen. Eines der größten Probleme ist nach wie vor der Verlust an Talenten beim Übergang vom Jugend- und Juniorenalter zum Erwachsenenalter. Deshalb erscheint es oftmals sinnvoller, ein Belohnungssystem zu präferieren. Das heißt: die Besten zu fördern, also jene, die bereits ihr Potenzial umgesetzt haben und national und international erfolgreich sind.
Auch die geforderte Zentralisierung kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Die notwendige Konzentration von Wintersportarten auf bestimmte Standorte ist auf viele Sommersportarten nicht übertragbar. Gewachsene Strukturen auf Vereinsebene, sogenannte Nester, also dort wo mehrere talentierte Sportler unter einem kompetenten Betreuerstab trainieren, sollten gefördert werden. Talente gehen verloren, wenn Sportler per Dekret verpflanzt und unterschiedliche Lebensentwürfe nicht berücksichtigt werden.
Sollen nur medaillenträchtige Sportarten gefördert werden? Extrem formuliert und bezogen auf den Weltmaßstab würde das bedeuten: minimale Förderung für die meisten leichtathletischen Sprintdisziplinen und etliche weitere Laufstrecken, aber maximale Förderung für Bob und Schlitten. Differenzierung muss sein, aber Olympiasieger um jeden Preis kann nicht das Ziel sein. Athleten können auch ohne Medaillen Kinder und Jugendliche begeistern und zum Sporttreiben animieren.
Der überkommerzialisierte professionelle Fußball passt zwar wegen der exorbitanten Gehaltsstrukturen nicht in die Diskussion um die Förderung des Leistungssports. Die peinliche One-Love-Debatte während der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar hat jedoch erneut die Frage aufgeworfen, wie viel Politik der Leistungssport verträgt. Sportler können nicht ausbügeln, was die (Sport-)Politik jahrelang versäumt hat. Deutschland wurde spöttisch als Moral-Weltmeister bezeichnet. Ohne Wenn und Aber: Menschenrechtsverletzungen dürfen nicht toleriert werden. Müssen wir aber ständig kritisieren, was nicht den westlichen Wertvorstellungen entspricht? Wir erwarten Respekt, wenn Ausländer uns besuchen. Den gleichen Respekt sollten wir als Gäste den kulturellen Gepflogenheiten des gastgebenden Landes entgegenbringen.
Außerhalb des Fußballs wird sich der Sport auch künftig am olympischen Rhythmus orientieren. Ungeachtet manch kritischer Anmerkungen werden Medaillen die harte Währung bleiben. Olympia will hipp sein, deshalb Moderne versus Tradition. In Paris 2024 steht Breakdance erstmals auf dem olympischen Programm, Sumo-Ringen soll für spätere Olympische Spiele auf der Warteliste stehen. Nun ja, bei den Olympischen Spielen 1904 gab es einen Wettkampf im Sackhüpfen.