Alles fließt – Über den Sport im Wandel
Bewegung, Sport, Leistungssport – die Übergänge sind fließend. Diese Kategorien zu definieren ist schwieriger, als es auf den ersten Blick scheint. Ich möchte mich daran nicht verheben. Frei nach Heraklit ist aber nichts so beständig wie der Wandel, so auch die unterschiedlichen Sportkategorien. Gut oder weniger gut, das mag im Auge des Betrachters liegen. Oft ist es nur alter Wein in neuen Schläuchen.
Als Folge des permanenten Rückgangs von olympischen Medaillen für Deutschland wurde im Hochleistungssport ein bürokratisches Monster geboren. Das Potenzialanalysesystem, abgekürzt „PotAS“, soll anhand von zahlreichen Kriterien mögliche zukünftige Erfolge der olympischen Sportverbände prognostizieren. Ich habe es bereits früher kritisch diskutiert.
In einer nun vorliegenden Zwischenauswertung von „PotAS“ liegen die Leichtathleten an der Spitze, während die Basketballspieler die rote Laterne tragen. Aber grau ist alle Theorie, die Wahrheit liegt nach Otto Rehhagel auf dem Platz. Die Basketballer wurden Weltmeister, die Leichtathleten gewannen bei ihrer Weltmeisterschaft keine einzige Medaille.
Seien wir aber gnädig, das Konzept ist langfristig ausgerichtet. Soll heißen, künftige Erfolgsaussichten nicht ausgeschlossen.
Bleiben wir bei der Leichtathletik, die mittendrin steckt im Wandel. In den 1960er-Jahren haben die Kunststoffbahnen die traditionelle Aschenbahn abgelöst. Heute sind es die Carbon-Schuhe. Beide Technologien haben zu enormen Leistungssprüngen geführt. Schneller laufen mit Carbon-Schuhen – anfänglich glaubte man an geschicktes Marketing. Inzwischen wird eine Leistungssteigerung von bis zu zwei Prozent angenommen. Im Hochleistungssport kann das zwischen Medaille und „ferner liefen“ entscheiden.
Auf den Langstrecken hat es nach der Corona-Pandemie eine Rekordflut gegeben. Man mag es bedauern, aber die Hightech-Schuhe lassen Vergleiche zu früheren Leistungen nicht mehr zu. Und ein Verdacht läuft mit: Der Leistungsschub könnte durch ein erhöhtes Verletzungsrisiko erkauft werden.
Anderes Thema: der Wandel der Bundesjugendspiele. An deutschen Grundschulen gibt es ab sofort keine Wettkämpfe mehr, sondern nur noch „bewegungsorientierte“ Wettbewerbe. Das Gewinnen und das Verlieren seien nicht mehr kind- und zeitgemäß, so heißt es. Unsportliche Kinder könnten diskriminiert werden. Alle sind gleich, lautet die Botschaft. Beispielweise wird im Weitsprung nicht mehr gemessen, sondern es werden nur noch Sprünge in vorgegebene breite Zonen bewertet. Na, dann doch lieber „bewegungsorientiertes“ Sackhüpfen.
Wann und wo sollen die Kinder das Verlieren lernen? Im Sportunterricht soll es nicht mehr sein. Spiele auf der Straße sind kaum möglich. Verlieren kann wehtun, erzieht aber zum Respekt vor der Leistung anderer.
Der sportliche Wettkampf ist eine gute Schule für das spätere Leben. Sportliche Betätigung an sich kann Leistung nicht ersetzen. Warum also diese pädagogischen Klimmzüge? Kinder wollen sich mit anderen messen, egal ob auf dem Sportplatz, auf dem Schulhof oder anderswo.
Bewegung und Sport sind wichtige Voraussetzungen für ein gesundes und langes Leben. Die Evidenz aus epidemiologischen Studien ist überzeugend. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt zweieinhalb Stunden körperliche Aktivität pro Woche. Über das Wie existieren zahlreiche Vorschläge, wobei manches weniger evidenz- als „eminenzbasiert“ ist. Aber alles ist besser, als keine Bewegung. Sechswöchige Bettruhe nach einem Herzinfarkt – vor über einem halben Jahrhundert Standard – ist längst passé.
Es wird allgemein empfohlen, das Training über die Woche zu verteilen. Die zunehmende Arbeitsverdichtung erschwert jedoch regelmäßiges Sporttreiben. Kann das in der Woche Versäumte am Wochenende bei gleicher Wirksamkeit nachgeholt werden? Es kann! Bereits 2006 hat die Saarbrücker Sportmedizin in einer internationalen Publikation diese Frage bejaht. Jetzt hat eine Forschergruppe aus Boston entsprechende Daten anhand von rund 90.000 Personen erhoben.
Wochenendsportler, auch martialisch als „Weekend-Warriors“ bezeichnet, haben nach sechs Jahren bei vergleichbarem Trainingsumfang ihr Herz-Kreislauf-Risiko ähnlich gesenkt wie regelmäßig Trainierende. Gute Aussichten für die drohende Vier-Tage-Woche!