E-Bikes sind teuer. Rund 3.000 Euro geben Kunden für ein Modell im Durchschnitt aus – Tendenz steigend. Da lohnt sich ein Blick auf den Gebrauchtradmarkt. Wer secondhand zuschlägt – ob privat oder über eine Plattform –, sollte aber die Fallstricke kennen.
Bei Preisen von weniger als 2.000 Euro kommen Zweifel auf: Kann das gute Qualität sein? Ist der Hersteller Kompromisse eingegangen – vielleicht bei der Kapazität der Batterie, anderen elektronischen Komponenten, den Laufrädern und Lagern oder der Schaltung? Kurzum: Wer ein hochwertiges E-Bike erstehen möchte, muss oft mehr als 3.000 Euro ausgeben – für die Technik und fürs gute Gefühl. Bei ungefähr diesem Betrag liegt laut einer Branchenschätzung auch der Durchschnittspreis. Für Neuware.
Während der Absatz neuer E-Bikes seit Jahren steigt und auch Corona trotz Lieferengpässen den Boom kaum ausbremsen konnte, entsteht allmählich ein ebenfalls wachsender Gebrauchtradmarkt, auf dem es sich umzusehen lohnt. Fast jeder vierte Deutsche (22 Prozent) denkt laut einer repräsentativen Yougov-Studie im Auftrag des französischen Refurbishment-Spezialisten Upway darüber nach, sich ein E-Bike anzuschaffen. Doch fast zwei Drittel (62 Prozent) werden demnach von den hohen Anschaffungskosten abgehalten.
Das Zahlenbeispiel ist natürlich Eigenwerbung. Doch wer beim Kauf Geld sparen möchte, für den trifft sich gut, dass immer mehr ausrangierte E-Bikes in den Gebrauchthandel gelangen. Professionelle Anbieter, die sie sammeln und wiederaufbereitet weiterverkaufen, sind neben Upway der deutsche Pionier Rebike sowie Greenstorm, Bike Exchange, Bikesale oder Speiche24. Recht neu am Markt ist Velio, ein weiteres Start-up für generalüberholte E-Bikes.
Wertverlust in ersten Jahren
Teils ist die Auswahl der Anbieter noch beschränkt, und es werden Einzelstücke angepriesen, teils kann man unter Hunderten oder Tausenden Zweirad-Stromern aller gängigen Gattungen und sogar auch bei Ausstattung und Größe auswählen. Preislich geht es zum Beispiel bei Upway, das im Sommer 2022 in Berlin ein großes Warenlager mit Werkstatt eröffnet hat, bei 700 Euro los. Bei den gebrauchten Pedelecs handelt es sich in aller Regel um Rückläufer aus dem Leasing, von Flottenverkäufen oder dem Verleih, um Vorführexemplare aus dem Handel, manchmal auch um Messeaussteller. Auch kommen Bikes aus dem eigenen Abo-Geschäft zurück, so bei Rebike.
Die Idee, gebraucht zu kaufen, ist grundsätzlich pfiffig. Zum einen sind gebrauchte Pedelecs nachhaltiger als neu produzierte E-Bikes. „Allein 70 Prozent der CO2-Emissionen eines E-Bikes fallen bei der Herstellung und dem Transport nach Europa an“, heißt es bei Upway. Und wie bei jungen Gebrauchtwagen streicht man auch bei E-Bikes den nicht unbeträchtlichen Wertverlust der ersten Monate als eine Art Rabatt ein. Allerdings haben auch die Gebrauchtpreise seit Corona angezogen, sodass der Effekt nicht mehr ganz so stark ins Gewicht fällt. Eine Faustregel geht von einem Wertverlust von etwa 25 Prozent in den ersten beiden Jahren aus, danach von 15 Prozent pro Jahr.
Die neue Plattform Velio zum Beispiel bewirbt ein E-Rennrad von Cannondale vom Modelljahr 2020 für 43 Prozent unter Neupreis, verspricht wie Upway grundsätzlich Nachlässe bis zu 60 Prozent gegenüber Neupreis. Bei Konkurrent Rebike wäre ein E-Mountainbike von Orbea vom Modelljahr 2022 für knapp 30 Prozent unter dem ehemaligen UVP des spanischen Herstellers zu haben. Klingt alles verlockend. Doch sollten Interessenten nicht nur auf den Preis schielen. Da wäre bei Pedelecs vor allem die Batterie als Achillesferse zu nennen. Denn ist diese verschlissen oder defekt, kann sich das vermeintliche Schnäppchen schnell ins Gegenteil kehren oder gar den wirtschaftlichen Totalschaden bedeuten. Ersatz kostet je nach Modell und Akku-Kapazität nicht selten 1.000 Euro. Um das Risiko zu senken, achten Interessenten am besten auf vergleichsweise junge Gebrauchträder.
Das empfiehlt sich bei E-Bikes aufgrund des rasanten technischen Fortschritts ohnehin: Vor allem bei weniger verbreiteten Antriebssystemen kann es zum Problem werden, einen Ersatz-Akku aufzutreiben. Manche Displays und Batterie-Packs wirken schon optisch als hätten sie Jahrzehnte statt nur einige Jahre auf dem Buckel.
Rebike bietet deshalb nur Gebrauchträder an, die maximal 24 Monaten alt sind und zwischen 300 bis 2.000 Kilometer gelaufen sind. „Sie werden von uns auf einer industrialisierten Fertigungslinie gereinigt, von ausgebildeten Fahrradmechanikern technisch und optisch geprüft und repariert“, heißt es auf der Website. Auch Velio verspricht Räder, die nach der Instandsetzung durch Fachleute „wie neu“ seien.
Bei Rückgabe oft Versandkosten
In der Regel bringen die Online-händler die Modelle auf Vordermann, in dem sie besonders beanspruchte Verschleißteile wie Ketten, Bremsbeläge und Reifen austauschen. Bremsen werden entlüftet, Speichen gespannt, Software mit Updates auf den neuesten Stand gebracht. Zudem werden die Daten von Motor und Akku ausgelesen und dokumentiert. Um Vertrauen zu bilden, gehen manche Anbieter wie Rebike über die gesetzliche Gewährleistung von einem Jahr hinaus und bieten zwei Jahre Garantie auf Motor und Akku. Velio preist Zusatzversicherungen an, um auch Diebstahl, Reparaturen und Verschleiß finanziell aufzufangen. Bei Rebike kann man sein Wunschmodell zu null Prozent Zinsen finanzieren. Das ist selbst bei Neuware keine Selbstverständlichkeit.
Maximilian Heitkämper von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz kann Onlineplattformen, die wiederaufbereitete E-Bikes im Programm haben, jedoch nicht uneingeschränkt empfehlen. Er rät, vor allem die Garantiebestimmungen genau zu prüfen: „Die können teils sehr eng ausgelegt werden.“ Bestehen Zweifel, ob auch Akkus und andere Verschleißteile bei Problemen ersetzt werden, lasse man die Bestimmungen besser vorab rechtlich überprüfen. Im Klaren sein muss man sich auch darüber, dass ein generalüberholtes Rad aus dem Lager des Anbieters versandt wird, das nicht unbedingt um die Ecke liegt. So ist es oft nicht möglich, vor Kaufabschluss eine Probefahrt zu unternehmen, die Fahrradexperten wie vom ADFC stets empfehlen. Für den Versand verlangen die Portale oft keine Kostenübernahme. Möchte der Kunde aber von seinem 14-tägigen Rückgaberecht Gebrauch machen, das je nach Anbieter auf 30 Tage ausgeweitet wird, fallen für den Rückversand schon mal 50 Euro an.
Eine Alternative kann daher der Privatkauf aus der Kleinanzeige sein. Garantien oder Gewährleistungen gibt’s zwar nicht, und auch hat man weder bei Rahmenhöhe noch Farbe oder der Ausstattung Auswahloptionen und muss auf Zufallstreffer hoffen. Aber bevor man Geld auf den Tisch legt, kann man sich von der Ware persönlich überzeugen. Privatanbieter in der Nähe lassen sich ohne lange Anfahrt aufsuchen. Allerdings braucht es mehr Expertise als bei normalen Fahrrädern, den Zustand von E-Bikes einzuschätzen. Ob ein Mittelmotor kränkelt, kann sich andeuten, wenn seine Geräuschentwicklung nicht gleichmäßig ist. Doch viel mehr lässt sich in Sachen E-Komponenten bei einer Probefahrt kaum herausfinden – allenfalls, ob das Ladegerät Risse aufweist und es sich um ein Originalteil handelt. Aber auch wer privat kauft, kann sich um die professionelle Fahrrad-Diagnose kümmern und mit dem angebotenen Secondhand-Bike zum Fachhandel radeln und dort kostenpflichtig einen Gebraucht-E-Bike-Check durchführen lassen, um Mängel aufzudecken. Die Kosten dafür seien überschaubar, sagt Felix Lindhorst, technischer Berater beim Bundesinnungsverband Zweirad-Handwerk in Hilden.
Service-Heft als gute Orientierung
Technische Laien könnten sich die ausgelesenen Daten im Fachhandel erklären lassen. „Wurde das E-Bike zum Beispiel viel im Turbomodus gefahren, wurden dem Akku in kurzer Zeit hohe Energiemengen entnommen. Das führt zu schneller Alterung der Zellen. Der Bericht lässt also Rückschlüsse auf die Gesundheit des Akkus zu.“ Als „tot“ gilt eine E-Bike-Batterie, wenn ihre Restkapazität auf unter 80 Prozent unter der im Neuzustand gefallen ist.
Ob das E-Bike darüber hinaus gut gewartet wurde, darüber gibt das Service-Heft Auskunft, das gewissenhafte E-Bike-Besitzer im Zuge der regelmäßigen Wartung von der Werkstatt ausfüllen lassen. „Wer sicherstellen möchte, dass es sich beim Verkäufer des Fahrrads tatsächlich um den rechtmäßigen Besitzer handelt, sollte einen Kaufbeleg verlangen“, heißt es bei Ebay-Kleinanzeigen. Um den Besitzerwechsel zu dokumentieren, besteht man am besten auch auf einen Kaufvertrag; eine kostenlose Mustervorlage gibt es zum Download beim ADFC (https://www.adfc.de/fileadmin/user_upload/Im-Alltag/Fahrradkauf/Download/ADFC_Musterkaufvertrag_2018-08.pdf) oder beim ADAC (https://www.adac.de/-/media/pdf/rechtsberatung/kaufvertrag-e-bike-gebraucht.pdf). Eine-Null-Prozent-Finanzierung ist beim Privatkauf zwar ebenfalls nicht möglich – dafür lässt sich privat besser um den Preis feilschen.