Schauspieler Vu Dinh ist auch Fluglotse am Bremer Flughafen. Zum Film kam er über einen Model-Job. In „Wir“ spielt er nun eine Hauptrolle.
Dieser Mann ist nicht zu fassen. Und das im doppelten Wortsinn. Gerade noch regelte er im Tower des Bremer Flughafens den Flugverkehr. Am nächsten Morgen steht er für Filmaufnahmen schon wieder vor der Kamera. Model ist er aber auch noch. Vu Dinh selbst bezeichnet sich als Action-Junkie. Ruhe geht bei ihm scheinbar gar nicht. „Besonders viel Schlaf brauche ich nicht. Ich bin ein sehr energetischer Typ“, sagt der Sohn vietnamesischer Einwanderer. Er spricht nicht nur fünf Sprachen, sondern betreibt auch etliche Sportarten, unter anderem Basketball. Auch auf dem Snowboard und im Fallschirm macht er eine gute Figur.
Zuletzt war Vu Dinh in der Serie „Sarah Kohr“ (ZDF) und im Wissensmagazin „Nitronauten“ (Nitro) zu sehen. Im Hamburger „Tatort“ flimmert er im Frühjahr in der neuen Folge „Wer bin ich“ über die Bildschirme. Sogar Hollywood rief 2022 und lud ihn zu einem Casting für eine Serie mit Schauspieler Robert Downey Jr. ein: „Leider wurde ich nicht besetzt, weil mein Vietnamesisch nicht gut genug war. Aber ich bin stolz, dass ich überhaupt in die engere Auswahl kam“, freut sich der 42-Jährige, der schon als Statist in „Ready Player One“ unter der Regie von Steven Spielberg vor der Kamera stand.
Wie er Fluglotsen-, Model- und Schauspieljob unter einen Hut bekommt? Mit viel Tagesstruktur und Disziplin, so die Antwort. „Und ich habe gelernt, Prioritäten zu setzen. Ich akzeptiere auch arbeitsintensive, stressige Phasen, in denen wenig Zeit für Privates bleibt.“ Seine Kumpel hätten ihn deshalb früher auch „Vupermann“ genannt, eine Kombination seines Vornamens Vu und dem Namen der Comicfigur Superman.
Doch bei aller Abwechslung sei für ihn die Arbeit im Bremer Flughafentower der Fels in der Brandung: „Als Schauspieler muss ich emotional sein, als Fluglotse rational. Diese Gegensätze machen für mich den Reiz aus“, so Vu Dinh. Ins Filmgeschäft sei er durch Zufall gekommen. Ein Kollege vom Flughafen sei es gewesen, der ihn animierte, bei einem Fotoshooting mitzumachen. So kam der Stein ins Rollen und es folgten zunächst Aufträge in der Werbebranche.
Sein erstes Engagement hatte Vu Dinh hier 2015 und ein Aha-Erlebnis gleich dazu: „Mich faszinierte, wie viel Aufwand in so einem Film steckt, und ich wollte fester Bestandteil dieser Branche werden“, so der Mime, der 2017 eine Schauspielausbildung begann und mittlerweile abschloss. Doch mal ehrlich: Für welchen Job brennt er denn nun am meisten? Das lasse sich so nicht beantworten, winkt das Kraftpaket ab. Der Mix sei es, der ihm so gut gefällt. Tatsächlich habe er Angst, sich eines Tages für einen Beruf entscheiden zu müssen.
Diversität wirkt oft „erzwungen“
Zu Hause ist Vu Dinh heute in der Gemeinde Stuhr bei Bremen: „Früher habe ich direkt in der City gewohnt und es geliebt. Ich mag, dass in Bremen alles so nah beieinander ist und man sich kennt.“ Doch auch Berlin könne er viel abgewinnen, wie der Schauspieler sagt: „In der Hauptstadt kenne ich mich sehr gut aus, habe viele Freunde und Bekannte. Es gibt extrem gutes Essen und die Stadt ist sehr international. Hier ist immer was los.“ In Brandenburg hat Vu Dinh den eigenen Worten nach schon mehrfach gedreht, unter anderem in Teltow für die dritte Staffel der ZDF-Neo-Serie „Wir“ (ZDF-Mediathek).
Die letzte Arbeit für „Wir“ war ganz nach seinem Geschmack, wie der Norddeutsche betont. „Hier dreht sich alles um das Leben und die Liebe von Freunden im Alter zwischen 30 und 40 Jahren. Und es geht um Fragen wie: Gingen meine Träume in Erfüllung? Bin ich glücklich? „Mir hat diese Arbeit richtig Spaß gemacht“, erklärt das Multitalent.
Anfangs haderte Vu Dinh auch mit einigen Rollenangeboten, weil Darstellern mit sichtbarem Migrationshintergrund seiner Ansicht nach oft stereotype Filmparts zukommen. Wenn zum Beispiel Türken im Film immer im Dönerladen stehen oder Verbrecher spielen, bleibe dies im Gedächtnis des Zuschauers. Auch für die Schauspieler selbst sei es nicht gut, immer nur so besetzt zu werden.
„Doch es hat sich zuletzt viel getan, auch durch Filme von Netflix, Amazon und Co., die in Deutschland produziert werden. Da hier für den internationalen Markt gearbeitet wird, muss der Look der Schauspieler auch international aussehen, um beim Publikum Akzeptanz zu finden“, so Vu Dinh. Die auch im Filmgeschäft geforderte Diversität wirke auf ihn oft „erzwungen“. „Aber ich denke, irgendwann wird sich das auf einem natürlichen Level einpendeln.“