Londons großer Fluss begeistert Spaziergänger mit seinem besonderen Flair. Und es gibt einiges zu entdecken.
Spazieren gehen an Flüssen – das gefällt vielen, und das zeigt sich auch in London an der Themse. Spurten lässt es sich dort auch, wie am 2. April beim Halbmarathon zu sehen war, einem recht kühlen Sonntag. Doch die Londoner sind wetterfest, auch wenn sie joggen. Ab März beginnt für viele trotz der noch blattlosen Bäume der Frühling.
Die Spaziergänger machen es anders und wählen lieber die sonnigen Fluss-seiten. Da die Themse von der Waterloo Bridge bis zur Tower Bridge ziemlich gerade von West nach Ost und umgekehrt fließt, suchen sich die Leute im Frühling je nach Tageszeit das sonnige Ufer aus, morgens das nördliche, nachmittags das südliche.
Vor Jahrhunderten hätten die Londoner und ihre Gäste die Wassernähe gemieden. Sie hielten sich nahe der Themse eher die Nasen zu. Da sie damals zu den am stärksten befahrenen Flüssen gehörte, waren die Gerüche oft mehr als unangenehm.
Also wurden Abwasserkanäle angelegt, und darüber hinaus verlagerte sich der Warentransport auf Straßen und Eisenbahnen. Da die Themse seit 1984 auch eine Barriere gegen die Nordsee-Sturmfluten besitzt, können die Menschen nun ohne Furcht auf den zahlreichen robusten – und unbeschmierten – Bänken sitzen, die oft in Flussnähe aufgestellt sind.
Tower Bridge ist auch Unesco-Weltkulturerbe
Hauptsächlich sind nun Ausflugsschiffe unterwegs. „Eine Seefahrt, die ist lustig“, denken sich die Gäste, denn anders als auf hoher See gibt es an den Themse-Ufern vieles zu sehen, also Farben und Formen zum Staunen. Bei der Moderne gehört London zu denjenigen Großstädten, die die Nase immer vorn hatten, und ständig wird weiter gebaut.
Stararchitekten wie der Brite Norman Foster, der das rundliche alte Rathaus von 2002 entwarf, gehörte wohl zu den ersten Mutigen, und weitere renommierte Kollegen aus anderen Ländern haben am Flussufer oder in der Nähe sogar Wolkenkratzer errichtet, wie es Renzo Piano mit dem eleganten, 310 Meter hohen „The Shard“ getan hat, der bis zum 31. Januar 2020 der höchste Wolkenkratzer der EU war. Es liegt wohl an der Stadt und ihren Behörden, dass solch neuartige Bauten von international bekannten Architekten in London entstehen können.
Hinzu kommt, dass sich alle Spaziergänger die Bauwerke dank der zwölf Themse-Brücken auch zu Fuß anschauen können, und diese Brücken interessieren ohnehin. Vermutlich ist für viele die weltbekannte Tower Bridge, Londons Wahrzeichen und außerdem Unesco-Weltkulturerbe, das erste Ziel. 1894 wurde diese Klappbrücke im neugotischen Stil gebaut, sie ist die Nachfolgerin der ersten Brücke aus dem 11. Jahrhundert.
Aus jener Zeit, geprägt von Wilhelm dem Eroberer, stammt der Tower, seine Festung, sie hat aber einige Umbauten hinter sich. Die Sonne scheint, und doch stehen die Menschen Schlange, um hinein zu können. Warum überhaupt bei solch einem guten Wetter? Um ein bisschen Gruselgefühl zu kriegen oder wegen der Kronjuwelen? In der Hauptsache sind jedoch Ausstellungsstücke zu sehen.
Von der ältesten Brücke Londons nun zur jüngsten, der Millennium Bridge, die – der Name sagt es – im Jahr 2000 eröffnet, aber gleich wieder gesperrt wurde. Norman Foster und Team hatten ihr eine elegante, aber recht unübliche Form gegeben. Als nun bei der Einweihung mehr und mehr Menschen die Brücke betraten, fing sie an stark zu schaukeln. Also Schluss mit lustig, und das Team grübelte recht lange, warum das geschah und wie dem abzuhelfen sei. Doch schon lange gehen auf ihr die einen zur St. Paul’s Cathedral, die anderen gegenüber in die Tate Modern, deren Ausstellungen zumeist gratis sind, wie es in Londoner Museen üblich ist.
Nun aber gen Westen zur Westminster Abbey, wo am 6. Mai König Charles III. und die zur Königin ernannte Camilla gekrönt werden. Aber was ist schon jetzt für ein Gewusel auf den dahin führenden Straßen! Auch Schülergruppen und Familien sind unterwegs, als wollten sie sich schnell unter die nur 2.000 Personen mischen, die diesmal eingeladen sind – anstelle der 6.000 einst bei der Krönung seiner Mutter, Königin Elisabeth II.
15 Pfund für die Magna Carta
Schon ein Blick vom Eingangsportal in die Kirche zeigt, dass auch jede Menge Besucher durch die Abbey streifen. Was kostet denn das Ticket? 25,50 Pfund sagt eine freundliche Dame und lässt mich schnell ein Foto auf die schöne Rosette von der Tür her machen. Vorab online gebucht wäre es wohl etwas preiswerter gewesen.
Also erscheint ein Gang in das Café nahebei vernünftiger. Das große Haus heißt „Der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs“. Ein kurzer Sicherheitscheck, eine Broschüre auf Deutsch (gratis), viele Bilder und Texte an den Wänden und schließlich das kleine Café. Für 15 Pfund ließe sich eine Kopie der Magna Carta (ein Vorläufer des Grundgesetzes) erwerben. England war ja die erste Demokratie in Europa.
Jetzt vorbei an den Houses of Parliament und am Big Ben über die Westminster Bridge ans andere Themse-Ufer, wo schon das 135 Meter hohe Riesenrad London Eye wartet. Wer zur richtigen Zeit gerade weit oben in einer Gondel sitzt, kann bei klarem Wetter angeblich 40 Kilometer weit gucken, bis nach Windsor Castle, wo die Queen zumeist gelebt und nun ihre letzte Ruhe gefunden hat. Etwas vom Königspaar und den Gästen aus dem London Eye zu sehen, müsste vielleicht möglich sein, gute Fotos kaum. Damit niemand aus einer Gondel kippt, sitzen die Gäste wohl hinter Plexiglasscheiben. Geschwind ins Themse-Wasser, mal rein, mal raus? So sauber ist es wahrscheinlich nicht.
Erst mal weg vom Fluss und dem Gewusel und lieber zum Buckingham Palace traben, der Residenz von Charles III. und Camilla. Dort drücken sich die Menschen an dem Eisenzaun mit den hübschen Wappen fast die Nasen platt.
Ob Charles III. und Camilla sich mal sehen lassen und bis zum Zaun kommen? Das soll nach einem Zeitungsbericht vor einiger Zeit vorgekommen sein. Er hätte sich sogar umarmen lassen, obwohl er doch lieber mit Pflanzen als mit Menschen spricht.
An gepflegten Anlagen mit Bäumen und bunt blühenden Blumen mangelt es im Umkreis jedenfalls nicht. Das ist Londons grüne Lunge. Auch Seen locken, die Queen Caroline 1730 angelegt hat.
Dort wird flaniert und in blauen Booten übers Wasser gefahren. Schwäne sind am Seeufer und am See steht, nahe bei den Menschen, ein Reiher. Wer hätte das gedacht?
Nach all der frischen Luft und den Blumenbeeten geht es noch bunter: in Chinatown, wo schnell, gut und relativ preiswert gekocht wird. Denn eine günstige Stadt ist London nicht, aber eine sehenswerte mit sehr freundlichen Menschen.